tag:blogger.com,1999:blog-76948049919960639252024-02-20T07:32:47.587-08:00IrritationenAnalytische PhilosophieKai Pegehttp://www.blogger.com/profile/01301353386075423130noreply@blogger.comBlogger16125tag:blogger.com,1999:blog-7694804991996063925.post-73235276016622043522020-02-04T07:49:00.000-08:002020-02-04T07:54:04.491-08:00(2.1) Sprachlicher Bezug und Wahrheit (2. Aufl.)<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">Weil
man Menschen nicht einfach in den Kopf schauen kann, um zu erfahren,
über was sie reden, auch
die von Quine beanspruchten Reizbedeutungen sind allgemein nicht
zugänglich, ist man als Zuhörer oder Leser auf sprachliche
Erläuterungen angewiesen. Solche Erläuterungen können sehr
unterschiedlich ausfallen, so dass unter Umständen offen bleiben
kann, ob über etwas gesprochen wird, nicht nur z.B. menschliche
Erregung zum Ausdruck gelangt.</span></span></span></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">Ansprüche,
bezugnehmende Erläuterungen darüber zu geben, von wo welche Gefahr
droht, ob und wo es Wasser gibt oder was man wieder angestellt habe,
gehörten vermutlich schon zum steinzeitlichen Alltag. Und der Satz,
„Sag die Wahrheit! “, ist wahrscheinlich noch heute Bestandteil
</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">von</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">
Kindheitserfahrung</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">en</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">.
Der umgangssprachliche Wahrheitsanspruch steht gemeinhin der Lüge
gegenüber, bei der man erwischt werden kann und die in der Regel
sanktioniert wird, ob mit einer wütenden Drohgebärde, mit einem
strengen Verweis aufs Kinderzimmer oder mit einer überfallhaften
Dresche. ‚Wahrheit‘ und ‚Lüge‘ sind in diesem Kontext
praktisch eingebunden, und um die praktische Relevanz noch zu
erhöhen, möglich wäre als Reaktion auf eine kindliche Erläuterung
auch ein spontanes Schmunzeln, weil z.B. Wahrheit und Lüge eine
erstaunliche Melange eingegangen sind.</span></span></span></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">Die
Herkunft von Worten ‚Wahrheit‘ und ‚Lüge‘ aus der Praxis ist
auch in der philosophischen Literatur zu finden, besonders innerhalb
von ethisch ausgerichteten Werken. Über Wahrhaftigkeit als Tugend
bzw. Haltung wird seit Aristoteles (vgl. Bien, Günther (Hg.), 1985,
1127a-1128a, S.94-96 – viertes Buch, Kap. 13) diskutiert, gar nicht
selten in rigoroser Manier, unabhängig von möglicherweise
relevanten Bedingungen und Umständen. In der Nikomachschen Ethik ist
zu lesen: „Nun ist die Lüge an sich schlecht und tadelnswert und
die Wahrheit gut und lobenswert.“ (Vgl. ebd., 1127a, S.95.) Mit
einer Liebe zur Weisheit, gemäß der Übertragung von altgriechisch
</span></span></span><span style="font-variant: normal;"><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "fo0s0" , serif;"><span style="letter-spacing: normal;">‚</span></span></span></span><span style="font-variant: normal;"><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine g";"><span style="font-size: small;"><span style="letter-spacing: normal;"><span style="font-style: normal;"><span style="font-weight: normal;">φιλοσοφία‘</span></span></span></span></span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">,
aus der eine Berücksichtigung von Bedingungen und Umständen
erwachsen könnte, hat eine solche Rohrstock-Ethik nichts gemein.
Generell ließe sich ein normativer Anspruch leicht in Frage stellen,
bereits mit der einfachen, kindlich anmutenden Frage: Warum? Aus
praktischer Sicht sind doch nicht beliebige allgemeine Normen
interessant, sondern Handlungssituationen, -resultate und mögliche
kausale Folgen. Kamlah hat die alte ethische Suche nach griffigen
Normen um die Frage, wie gelebt werden kann (vgl. Kamlah, Wilhelm,
1984, S.145), ergänzt. Diese Ergänzung könnte man auch als eine
alternative Ausrichtung betrachten, die Menschen nicht den Weg in
eine Mündigkeit bzw. Autonomie versperren würde, ethisch </span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">al</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">s
auch praktisch letztlich angemessener wäre.</span></span></span></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">Im
Unterschied zu praktischen Situationen, in denen Wahrhaftigkeit
durchaus zum Tode vieler Menschen beitragen könnte, z.B. durch
Verrat in einer Kriegsgefangenschaft, Ironie und Übertreibung
künstlerische Mittel sein können, um etwas hervorzuheben, sind
Philosophie und Wissenschaften in der Regel auf Wahrheit
ausgerichtet. Um was es sich dabei handelt, wird jedoch
unterschiedlich beantwortet.</span></span></span></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">Speziell
Aristoteles’ Fassung wird häufig in den Kontext von
Korrespondenztheorien gestellt, in denen eine Übereinstimmung mit
der Wirklichkeit / Realität entscheidend ist. Aristoteles äußert
sich jedoch viel spezifischer: Wahr ist, nach Aristoteles, wenn
Behauptetes zutrifft. („Zu sagen nämlich, das Seiende sei nicht,
oder das Nicht-Seiende sei, ist falsch, dagegen zu sagen, das Seiende
sei und das Nicht-Seiende sei nicht, ist wahr.“ (Vgl. Seidel, Horst
(Bearb.), 1982, 1011b, S.171). Ebenso ließe sich anführen, dass
Urteile ‚wahr‘ und ‚falsch‘ auch logische Vereinbarkeiten
bzw. Unvereinbarkeiten betreffen können (vgl. ebd.). In diesem
Kontext ließe sich von einem Kohärenzansatz sprechen. Eine
systematische Differenzierung liegt bei Aristoteles nicht vor.
Wahrheitstheorien des 20. Jahrhunderts hatte man im alten
Griechenland nicht ausgebildet.</span></span></span></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">Hier
ist nicht der Raum, um ausführlich über verschiedene
Wahrheitstheorien (vgl. z.B. Puntel, L. Bruno, 1978) bzw.
-definitionen zu sprechen, aber bereits die Tatsache, dass ‚Wahrheit‘
mit Verschiedenem erläutert und identifiziert wird, könnte die
Frage aufkommen lassen, wofür solche metasprachlichen
Wahrheitsbegriffe bzw. -worte erforderlich sind. Egal ob sprachlicher
Bezug im Zentrum steht, logische Vereinbarkeit, also Richtigkeit,
oder ein Konsens unter Experten, all dies lässt sich sachlich
angemessen erläutern und diskutieren, ohne ‚Wahrheit‘ bemühen
zu müssen. Ob eine Entscheidung für eine der Ausrichtungen
grundsätzlich angemessen wäre, fällt in diesem Rahmen kaum auf.
Mir liegt sowohl an Bezügen als auch innertheoretischen
Vereinbarkeiten viel, um auf einen zu erlangenden Konsens unter
ohnehin divergierenden Experten zu hoffen, fehlt mir hingegen der
erforderliche Glaube.</span></span></span></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">Weil
besonders in der Philosophie die Frage nach sprachlichen Bezügen
keine einfache ist, nicht nur </span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">da</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">
fraglich werden könnte, was Philosophie mit Wirklichkeit / Realität
zu tun habe, sondern auch, wie ich auf ‚sprachliche Bezüge‘
komme, beziehe ich Tarskis semantische </span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">W</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">ahrheitsdefinition
ein, die besonders innerhalb der analytischen Philosophie und im
kritischen Rationalismus eine wichtige Rolle eingenommen hat.
Zunächst muss hervorgehoben werden, dass Tarski eine Definition für
formalisierte Sprachen endlicher Ordnung entwickelte, in Abgrenzung
zu Umgangssprachen (vgl. Tarski, Alfred, 1935, S.537-538). Um als
formalisierte Sprache gelten zu können, wäre meine fachspezifische
aber ess</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">a</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">yistische
Vorgehensweise vermutlich ungeeignet. Tarskis Ansprüche sind an den
Zeichensprachen von Logik und Mathematik ausgerichtet (vgl. ebd.,
</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">S.</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">458-459),
die für mein Vorhaben schlicht ungeeignet wären, auch falls mir
dadurch eine Präzision fehlen würde, die zu erreichen Tarskis
erläutertes Anliegen ist (vgl. ebd., S.448).</span></span></span></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">Auch
die Möglichkeit, ein Lügnerparadox ausbilden zu können,
beschäftigte ihn (vgl. ebd., S.447). Die Behauptung, der aktuell
geäußerte Satz sei falsch, lässt einen (Selbst-)Bezug erkennen,
der die Äußerung in Frage stellt. Berücksichtigte man, dass sich
Logik und Mathematik ohnehin nicht beziehen – </span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">vordergründig
ließe sich annehmen, allenfalls </span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">durch
</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">Konstanten
und </span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">Variablen,
</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">sobald
</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">Bez</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">ü</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">g</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">e</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">
auf Empirie </span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">defin</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">i</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">ert
</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">seien
-, </span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">wäre
die Möglichkeit, sprachlich ein Lügnerparadox ausbilden zu können,
eine besondere Qualität der Sprache. Das Paradox ließe sich als ein
Beispiel verwenden, wie Bezüge gebildet werden, wäre auf den ersten
Blick ebenso ein Beispiel für sprachliche Unangemessenheit, ließe
sich durch ein Kriterium ‚sprachliche Angemessenheit‘ im Hinblick
auf Bedeutungen und Bezüge durchaus vermeiden, sähe man von
Situationen wie Comedy ab, in denen durch das Paradox ein Spaß, wenn
auch kein origineller, entstehen könnte. Dazu ein weiteres, ein
erläuterndes Beispiel: Einen Akteur mit dem Satz, „Alles was ich
sage, ist falsch! “, die Bühne betreten zu lassen, könnte ein
langgezogenes „Oh! “ als Antwort bzw. Kommentar folgen lassen, in
diesem Zusammenhang wäre nicht die Logik relevant, sondern
möglich</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">er</span></span></span><span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">weise
Erfahrungen, fortlaufend auf Widerstand zu stoßen. ‚Alles‘ wäre
Ausdruck dieser vielfach gemachten Erfahrungen, bezöge sich in
diesem Fall nicht auch auf diesen Satz, es sei denn, ein Selbstbezug
würde am Ende der Szene als Pointe erkennbar werden.</span></span></span></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">Solche
sprachlichen Differenzierungen und Preziosen, auch wenn sie heute
kaum originelle wären, sind logisch und mathematisch gar nicht
bildbar, solange u.a. an einer einfachen Zweiwertigkeit (wahr /
falsch) festgehalten wird, und man würde mit Ansprüchen, die aus
einer Beschäftigung mit Logik und Mathematik erwachsen sind, Sprache
unangemessen behandeln. Tarski bemängelt eine sprachliche Tendenz
zum Universalismus (vgl. ebd.), vermutlich, unter Berücksichtigung
des Kontextes, sich sprachlich beliebig beziehen zu können. Dagegen
hebt er im Kontext einer formal vollständig beschreibbaren Sprache
der Logik ihren universalen Charakter hervor, aufgrund ihrer Relevanz
für deduktive Systeme (vgl. ebd., S.501).</span></span></span></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;"><span style="color: #12100f;">Tarskis
bekundetes Interesse richtet sich auf die Konstruktion einer
Definition von ‚wahre Aussage‘ (vgl. ebd., S.494). Um eine
Definition konstruieren zu können, ist zunächst eine Metasprache
(„Metawissenschaft“) einzurichten, die drei Gruppen von Aussagen
(bzw. Axiomen) enthält: allgemein logische, Definitionsausdrücke
und deskriptive Axiome (vgl. ebd., S.494-495). Ich möchte den
gesamten Konstruktionsaufwand aber nicht erläutern, sondern mich den
ersten Ergebnissen zuwenden. Zentrales metasprachliches Mittel für
die Definition ist: „Erfülltsein einer Aussagefunktion durch eine
Folge von Gegenständen“ (vgl. ebd., S.478, 497). Die Begriffe </span><span style="color: #12100f;">bzw.
Worte</span><span style="color: #12100f;"> ‚Erfülltseins‘, oder
schlichter ‚Erfüllung‘, werfen erste Fragen auf.
Umgangssprachlich können Menschen von Liebe erfüllt sein,
Bedingungen, Träume und Wünsche sind eventuell erfüllbar, auch
Abfüllungen wären möglich, z.B. mit Bier, in all diesen Fällen,
vielleicht mir Ausnahme von geäußerten Wünschen, spielt </span><span style="color: #12100f;">aber
</span><span style="color: #12100f;">Sprache keine erkennbare Rolle. Die
Erfüllung einer Aussagefunktion würde sich markant von jenen Fällen
abheben, ließe sich vielleicht am ehesten mit einer geäußerten
Wunscherfüllung vergleichen.</span></span></span></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">Als
Erläuterung gibt Tarski lediglich einige Schemata, zwischen denen zu
lesen ist, dass „Schnee die Aussagefunktion „x ist weiß“
erfüllt“ (vgl. ebd., S.478). Der formale Eifer kommt erstaunlich
schnell zu einem Stillstand, indem lediglich auf mathematisch
logische Konventionen zurückgegriffen wird, ohne zu erwägen, ob
‚Erfüllung‘ überhaupt sprachlich angemessen ist. Im Unterschied
zu einem geäußerten Wunsch, der sich auf etwas Bestimmtes richtet,
ob auf Konkretes (ein Glas Bier), auf Allgemeines (ein friedvolles
Zusammenleben der Menschen) oder auf Konkret-Abstraktes (eine Lösung
für eine logische Aufgabe) und einer möglichen Befriedigung, bietet
jene Aussagefunktion ‚x ist weiß‘ eine Variable, die sich
allenfalls sprachlich füllen ließe, z.B. durch ein Wort ‚Bier‘.
Eine bloße Füllung würde jedoch nicht ausreichen, die
Aussagefunktion enthält auch eine beschriebene Bedingung: ‚ist
weiß‘. Diese Bedingung grenzt die möglichen Bezüge der
einsetzbaren Worte ein. ‚Erfüllung‘ wäre auf Worte gerichtet,
deren Sachen, auf die durch jene Bezug genommen wird, sich mit der
formulierten Bedingung beschreiben lassen. </span></span></span>
</div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">Die
Metapher ist sprachlich durchaus erläuterbar, setzt in der gegebenen
Version aber sehr, sehr viel voraus: sieht man von dem sonderbaren
Bau der Metapher ab, zentral die Formulierungen ‚sprachlicher
Bezug‘ und ‚empirische Bedingung‘. Falls aber Schnee die
Aussagefunktion erfüllen könnte, nicht Worte mit relevantem Bezug,
wäre hervorzuheben, dass sich Schnee nicht in die Funktion einsetzen
ließe. Es läge, würde man dies für möglich halten, eine
Verwechslung von Wort und Sache vor. Demgegenüber könnte eine Sache
aber einen sprachlich geäußerten Wunsch erfüllen, diesen
befriedigen.</span></span></span></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">Um
mit der Definition voranzukommen, bildet Tarski einige Jahre später
eine ‚Äquivalenzform T‘ (Truth) aus: x ist wahr genau dann, wenn
p, wobei ‚x‘ einen einen Satz enthält, der ‚p‘ beschreibt
(sein Name sei). (Vgl. Tarski, Alfred, 1944, S.59.) Entstanden ist
diese Form aus der beispielhaften Aussage: ‚Schnee ist weiß‘ ist
wahr genau dann, wenn Schnee weiß ist. Und erneut greift Tarski ein
Wort ‚Erfüllung‘ auf, erläutert es diesmal explizit als
„Beziehung zwischen beliebigen Gegenständen und bestimmten
Ausdrücken, genannt Aussagefunktionen“ (vgl. ebd., S.71). Eine
solche Aussagefunktion ist z.B. ‚x ist weiß‘. </span></span></span>
</div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">In
diesem Fall beträfe Erfüllung, soweit ich dies erkennen kann, nicht
eine Einsetzbarkeit in die Funktion, sondern all das, worauf sich die
Funktion insgesamt beziehen kann, also auf Sachen bzw. Sachverhalte,
vergleichbar mit einer konkreten Wunschäußerung. Da weiterhin auch
‚x ist weiß‘ zu füllen wäre, eine solche bedingungsrelevante
(Er)füllung nur durch Sprache möglich wäre, hätte man innerhalb
eines Gesamtüberblicks zwei verschiedene Erfüllungsbegriffe. Der
von Tarski explizierte Erfüllungsbegriff, der fundamentaler als
‚Wahrheit‘ sei (vgl. ebd.) berücksichtigt die Äquivalenzform,
aber in einer unangemessenen Weise: Die Aussagefunktion ‚x‘ steht
in T einer empirischen Bedingungsbeschreibung ‚p‘ gegenüber, die
nur wahr bzw. erfüllbar wäre, wenn ‚x‘ das ‚p‘ beschreibt
(Name von ‚p‘ ist). Die Bedingungsbeschreibung ist jedoch keine
nichtsprachliche Sache, sondern Sprachliches. Tarski vergleicht aber
Beschreibung (‚x‘) mit Empirie (‚p‘), genau dies ist
innerhalb der Form logisch nicht möglich! Vergleichbar wären
lediglich Aussagefunktion und Bedingungsbeschreibung. Wenn ‚p‘
als Sprachliches relevant wäre, würde T erst funktionieren können,
sobald nach einer Umformulierung eine Austauschbarkeit der Sätze
oder eine Tautologie herauskäme.</span></span></span></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">Die
Äquivalenzform T behandelt keine logische Äquivalenz von Sätzen,
sondern eine kausale Wenn-Dann-Relation: Wenn ‚p‘, dann ist ‚x‘
wahr, bzw., um die kausale Relation präziser zu fassen, wenn ‚p‘,
dann lässt sich ‚x‘ als wahr beurteilen. Konkret: wenn Schnee
weiß ist, dann ist ‚Schnee ist weiß‘ wahr, bzw., wenn Schnee
weiß ist, dann lässt sich ‚Schnee ist weiß‘ als wahr
beurteilen. ‚Wahrheit‘ reduziert sich auf einen zu beurteilenden
Bezug. Ein solches Ergebnis hätte man sehr viel einfacher haben
können.</span></span></span></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">Wenn
im Kontext einer semantischen Wahrheitsdefinition lediglich die Frage
nach vorliegenden oder nicht vorliegenden sprachlichen Bezügen
relevant ist, dann kann auf eine metasprachliche Marke wie ‚Wahrheit‘
leicht verzichtet werden. Auch ließe sich nach Bezugsumfängen
fragen, also viel differenzierter vorgehen als im Rahmen einer alten
und vor allem einschränkenden Zweiwertigkeit (wahr / falsch). Man
würde letztlich die Chance ergreifen können, Sprache angemessen zu
behandeln, auch und besonders fachlich. Es würde die Frage bleiben,
die auch für das vorliegende Kapitel von zentraler Relevanz war,
über was gesprochen wird.</span></span></span></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div align="left" style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="color: #12100f;"><span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;">Davidson
hat Tarskis Konzeption als Ausgang für natürliche Sprachen genutzt,
aber Modifikationen vorgenommen, die es erlauben, konkretere Bezüge
vorzunehmen. Er erweiterte im Rahmen seines Interpretationsansatzes
die Definition um Paramter wie Sprache und Zeit (vgl. Davidson,
Donald, 1994, S.40-67). Probleme mit Metaphern wie ‚Erfüllung‘
oder eine mögliche Redundanz von ‚Wahrheit‘ sah er nicht.</span></span></span></div>
Kai Pegehttp://www.blogger.com/profile/01301353386075423130noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-7694804991996063925.post-13120974838759924182020-02-01T03:42:00.000-08:002020-02-01T03:44:01.572-08:00(1.5) Wirklichkeit und sprachliche Angemessenheit (2. Aufl.)<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
</div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;"><span style="color: #12100f;">Luhmann
hatte einen allgemeinen Systembegriff entwickelt, der lediglich Sinn
voraussetzt, Bedeutung, irgendeine Ordnung (vgl. Luhmann, 1987). In
diesem Kontext wäre auch ein Sammelsurium eine Ordnung, die sich
hinsichtlich von Funktionszusammenhängen analysieren ließe. Doch
die Vokabeln ‚Sinn‘ und ‚Bedeutung‘ ließen sich allgemein
gar nicht verstehen, berücksichtigte man den einfachen Unterschied
von Sprache und Sachen bzw. Sachverhalten. Würde man sich hingegen
auf Sachen und Sachverhalte beschränken, könnte allenfalls von
‚Relevanz‘ die Rede sein, ohne dass klar werden könnte, in
welcher Weise. ‚Ordnung‘ wird (a) zunächst derart weit gefasst,
dass der Begriff nichts aussagt, (b) dann aber spezifisch, im Kontext
von zu ermittelnden Funktionszusammenhängen.</span></span></span></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;"><span style="color: #12100f;">Der
von Luhmann präsentierte Systembegriff bietet nicht mehr als eine
umgangssprachliche Herangehensweise,die alles andere als hilfreich
ist, aber im Hinblick auf den Begriff ‚Ordnung‘ ein primär
bürokratisches Anliegen kenntlich machen könnte. Das von mir
anführte Sammelsurium ist hingegen ein Resultat historischer
Prozesse, von Prozessen, die von unterschiedlichen Gruppen und
Individuen geprägt wurden. Diese historische Perspektive vermeidet
eine quasi-ontologische Fundierung, die aus ahistorischer Sicht
erforderlich zu sein scheint, um überhaupt einen Anfang der
Diskussion setzen zu können. Es bleibt nach meinem Ermessen kaum
anderes übrig, als sich auf ein Abenteuer einzulassen, das ein
historisch entstandenes Sammelsurium bieten kann.</span></span></span></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;"><span style="color: #12100f;">Sprachlich
macht es kaum einen Unterschied, ob ein historisch entstandenes
Sammelsurium einer Wirklichkeit – im Rahmen menschlicher
Erkenntnisbedingungen –, oder einer unabhängigen Realität
zugerechnet wird. Die nutzbaren Worte für Beschreibung,
Differenzierung und Analyse wären gleich. Erst im Kontext einiger
methodischer Begriffe wie ‚Objektivität‘ und einer
erkenntnistheoretischen Interpretation von historischen Ergebnissen
würde der Unterschied auffallen können.</span></span></span></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;"><span style="color: #12100f;">Weil
methodische Erwägungen auch in dieser Arbeit von Relevanz sind, gebe
ich einige Anmerkungen: Mir, so muss ich gestehen, bleibt eine
Realität, die außerhalb meiner Erkenntnisbedingungen liegt,
unzugänglich. Diese Bedingungen umfassen mehr als lediglich
biologische, auch sprachliche und soziale, die historisch eingebettet
sind. Die alte Frage nach Objektivität, in Abgrenzung zu
Subjektivität, würde sich mir gar nicht stellen können, weil sie
besonders auf historische Bedingungen keine hinreichende Rücksicht
nimmt. Ich kann im vorliegenden Kontext lediglich nach sprachlicher
Angemessenheit fragen, im Hinblick auf Bedeutung und Bezug – und,
davon war bislang noch nicht die Rede, dies wird innerhalb der Studie
aber erforderlich sein, auf sprachliches Verhalten. Eine allgemein
reproduzierbare Methode
lässt sich auf diese Weise nicht entwickeln, es lassen sich nur
konkrete Fälle kontextabhängig behandeln.</span></span></span></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;"><span style="color: #12100f;">Die
Grenzen menschlicher Erkenntnis lassen sich erweitern, z.B. durch
Messinstrumente und -verfahren, oder / und durch sprachliche
Differenzierungen, die Unterschiede merklich machen können, einen
größeren Detailreichtum erfassen helfen, oder Differenzierungen als
unangemessene verwerfen. Doch Grenzen bleiben, sie lassen sich
allenfalls verschieben.</span></span></span></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;"><span style="color: #12100f;">Ein
Beispiel der Begrenztheit bietet aktuell die Physik. Die hypothetisch
angenommene, im Kosmos nur indirekt bemerkbare dunkle Materie, ist
etwas völlig Unbekanntes. Sie wurde als ‚dunkel‘ beschrieben,
nicht weil sie dunkel wäre, entfernt vergleichbar mit einer düsteren
Gewitterwolke, sondern aus Verlegenheit. Die dunkle Materie
reflektiert kein Licht, es scheint durch sie hindurch, bleibt für
menschliche Sinne und von Menschen gefertigte Instrumente unsichtbar.
Eine Annahme einer solchen Materie wurde gemacht, weil sich messbare
Gravitationskräfte im Rahmen des kosmologischen Standardmodells
nicht erläutern ließen; das Standardmodell umfasst u.a. die
allgemeinen Relativitätstheorie, die Annahmen über Gravitation
enthält.</span></span></span></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;"><span style="color: #12100f;">Unzureichend
kann allerdings auch das bisherige Standardmodell sein. (Vgl. Bührke,
Thomas, 2012.) Unabhängig davon, wie sich die entstandenen
Irritationen auflösen lassen, falls sie sich auflösen lassen,
welche Annahmen und Bezüge nicht bloß mögliche bleiben, die
physikalische Sicht auf den Kosmos wird sich verändern.
Berücksichtigt man jedoch, wie lange über die sonderbaren
Gravitationskräfte geforscht wird, bereits in den Dreißiger Jahren
des 20. Jhds. fielen dem Schweizer Astronom Fritz Zwicky unerklärbare
Bewegungen im Kosmos auf (vgl. Lindner, Manfred; Marrodán
Undagoitia, Teresa; Schwetz-Mangold, Thomas; Simgen, Hardy, 2014),
wird ersichtlich, welche historischen Ausmaße eine Ungewissheit
erlangen kann, die bis in die Grundlagen reicht.</span></span></span></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<br /></div>
<div style="line-height: 100%; margin-bottom: 0cm;">
<span style="font-family: "linux libertine";"><span style="font-size: small;"><span style="color: #12100f;">Vielleicht
klingt es manchem verrückt, mich sprachlich auf Erzeugnisse meines
Gehirns beziehen zu müsse, die als solche anderen nicht zugänglich
sind, und nach Angemessenheit zu fragen. Dieser vergleichsweise
autistische Vorgang kann jedoch in jedem Menschen geschehen.
Hinzukommt, dass ich diese Erzeugnisse nicht konstruiere, nur wenig
direkten Einfluss darauf habe, was mir mein Gehirn präsentiert.
Dieses Gehirn nutzt vor allem entstandene Routinen, die sich im
Hinblick auf neue Sit</span><span style="color: #12100f;">u</span><span style="color: #12100f;">ationen
auch als angesammelte Vorurteile interpretieren ließen. Nach
sprachlicher Angemessenheit zu fragen, gönnt dem Automatismus eine
Pause. Doch auch diese Frage und die bisherigen Antworten können in
einen Automatismus gelangen, der auf relevante Bedingungen und
Details keine Rücksicht mehr nimmt. Sicherheit in
Erkenntnisprozessen zu erlangen, wäre etwas anderes. Es würde auch
nicht ausreichen, auf Zustimmung zu hoffen. Die beschriebene
Unsicherheit gälte für alle Ansprechbaren gleichermaßen. Doch
obwohl keine Sicherheit erlangbar, meine Freiheit unter Einbezug
aktiver Hirnroutinen beschränkt ist, eröffnet sich eine Möglichkeit
zur Autonomie (vgl. Roth, Gerhard, 2001, S. 427 ff.).</span></span></span></div>
Kai Pegehttp://www.blogger.com/profile/01301353386075423130noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7694804991996063925.post-71398602206362240302020-01-29T04:20:00.001-08:002020-02-01T03:44:36.528-08:00(1.4) Über-etwas-sprechen (2. Aufl.)Kripke richtete sich mit seinem Tauf-Ansatz gegen Bündel-Theorien von Bedeutungen, in denen Namen als Bedeutungen die sprachlich erfassten Eigenschaften ihrer Träger erhalten. Ohne auf seine Kritik einzugehen: Dass ein zeitgenössischer Name wie ‚Peter Müller‘ der Lautgestalt nach nichts Relevantes preisgibt, lediglich etwas bedeutet, das aber nicht bezugsrelevant ist, wird rasch einsichtig sein. Um an Bedeutungen zu kommen, verweist innerhalb von Bündel-Theorien ein Tragen eines Namens auf das Vorliegen eines Bezugs. Erst über einen solchen konstruierten Bezug kommt man innerhalb einer Bündel-Theorie überhaupt an Bedeutungen heran. Dieses Vorgehen kann man als ein empirisches Nachhelfen erläutern, Bedeutungen und besonders Bezüge werden hineininterpretiert, die Besonderheit von Namen nicht beachtet. <br />
Da aber Kripke im Rahmen seines Tauf-Ansatzes zumindest auf sozial zugewiesene Bezüge angewiesen ist, kann auch sein Ansatz in Frage gestellt werden. Auch Kripke hätte, um zu erläutern, auf welchen Peter (oder welche Margaret, um ein Beispiel anzuführen, das Kripke nutzt) er sich bezieht, Eigenschaften, Umstände anzuführen, auch wenn er diese Erläuterungen nicht als Bedeutungen, sondern als Erläuterungen der Referenz, des Bezugs ausweist (vgl. Kripke, Saul, 2014, S.123). Würde man nun Fragen, was sprachliche Bedeutungen in relevanten konkreten Fällen anderes sein könnten als Erläuterungen von empirisch relevanten Bezügen, fiele mir zunächst nichts ein. Kripke fügt den Bündel-Theorien lediglich den Tauf-Ansatz hinzu, ohne dies explizit zu machen.<br />
Die Besonderheit von Namen wie ‚Peter Müller‘ ist, dass sie kaum der Sprache angehören, auch wenn die Ausdrücke aus der Sprache stammen, aus Bedeutungen, die nunmehr bezugsunabhängig sind, und aus einem Verhalten. Ein Name konnte unter Menschen wahrscheinlich zur Ehre gereichen, ebenso zur Schande. Doch auch ein Hund könnte, würde man ihn darauf abrichten, auf ‚Peter Müller‘ hören, ohne Kenntnisse über menschliche Sprache zu haben. Ein menschliches Namengeben ist im Hinblick auf Lebewesen, die damit etwas anfangen können, derart rudimentär, dass sich eine Frage nach Sprache kaum stellt. Dennoch lassen sich Namen so nutzen, als hätten sie Bezug. In einem solchen Fall würde sich jedoch auch die Frage nach bezugsabhängiger Bedeutung stellen, die der jeweilige Name als solcher nicht hat, auch wenn sich historisch linguistische Forschungen anstellen ließen. - Ob die Ergebnisse solcher Forschungen Auskünfte über einen Namensträger geben könnten, wäre allenfalls familiengeschichtlich nicht unerheblich, oder im Kontext von Belletristik, in der Namen mehr oder weniger indirekt als Beschreibungen fiktiver Träger fungieren können. - Erkennbar werden kann, dass sprachliche Bedeutungen und Bezüge voneinander abhängig sind. Für ein Namengeben im Hinblick auf Lebewesen reicht hingegen ein Abrichten vollkommen aus, es entstehen sogar Schwierigkeiten, wollte man Bedeutungen und / oder Bezüge ermitteln, Probleme, die erst aus der Sprache entstehen, sich innerhalb von sozialem Verhalten aber gar nicht stellen.<br />
Sprachliche Bedeutungen, darauf sei noch separat hingewiesen, haben mit umgangssprachlich veranschlagbaren Bedeutung von Sachen oder Sachverhalten, zu denen auch ein Verhalten zählen kann, nichts zu tun, für die man besser ein Wort wie ‚Relevanz‘ nutzen könnte. Ein Namengeben, um die spezielle Relevanz hervorzuheben, ermöglicht vor allem jemanden anzusprechen.<br />
<br />
Die Abhängigkeit von Bedeutungen und Bezügen ist eine sprachliche Besonderheit, die es erlaubt, in Erfahrung zu bringen, worüber jemand spricht oder sprechen könnte. Den Ausgang bei einem Verstehen bilden häufig die Bedeutungen, würde dennoch unklar bleiben, worüber gesprochen wird, wären alle Anstrengungen umsonst gewesen. Die Sachen bzw. Sachverhalte, auf die Bezug genommen und über die etwas ausgesagt wird, sind sprachlich von Relevanz. Auf sie ließe sich nicht verzichten, auch wenn man der Ansicht ist, dass sie erkenntnistheoretisch nur Produkte des Gehirns sind. Niemand hat die Chance, außerhalb solcher präsentierten Wirklichkeitszeiträume zu stehen, es bliebe lediglich die Möglichkeit, sich auf diese einzulassen. <br />
Würde man sich hingegen weigern, wie dies z.B. Glasersfeld als radikaler Konstruktivist tat (vgl. Glasersfeld, v., Ernst, 1987), blieben lediglich Bedeutungen und Kommunikation übrig. Die wichtigste Funktion von Sprache würde verlorengehen: über etwas sprechen und gegebenenfalls über etwas schreiben, etwas erkennen zu können, auch wenn dies nur innerhalb der Erkenntnisbedingungen möglich ist. Alternativ ließe sich allenfalls über wahrgenommene Qualitäten (Farben, Klänge usw.) sprechen, doch dafür liegt (a) keine Sprache vor, (b) müsste das Hirn zumindest partiell abgeschaltet werden. Die Differenz von Sprache und dem, worauf Bezug genommen wird, lässt sich auch nicht einfach unterlaufen. <br />
Einige analytisch geschulte Theoretiker (wie z.B. Goodman, Kripke) erläutern ‚Bezug‘ mit Formulierungen wie ‚für etwas stehen‘. Doch genau dies ist unmöglich: Ob Zeichen, Symbole, Namen oder Worte, nichts davon kann für Sachen oder Sachverhalte stehen, sie gegebenfalls ersetzen. Dazu bedürfte es einer Zauberei, in der z.B. Stoffpuppen mit Nadeln bestochen werden, die für jemanden stehen, dem nicht nur alles Schlechte gewünscht wird, dieser Wunsch wird mit einer analogen Handlung nachdrücklich bestärkt! Die Formulierung ‚für etwas stehen‘ gehört zu den missverständlichsten Erläuterungen, die sich mit Bezug auf sprachliche Bezüge geben lassen.<br />
<br />
Alle möglichen Hindernisse sind aber längst nicht ausgeräumt, noch wären sie zu beseitigen: eine Sprache ist kein System, sondern ein Sammelsurium von Worten, semantischen und syntaktischen Konventionen als auch Kreationen; letztere verweisen z.B. auf Jugendsprachen, Fachsprachen, Belletristik oder Politik, in denen auch sprachbildende Prozesse zum Alltag gehören. Umgangssprachlich sind besonders Metaphernbildungen zu berücksichtigen, zu den neueren gehören z.B. ‚Evolution‘ (vgl. Matern, Reinhard, 2014). Ich kenne niemanden, dem ich einen Gesamtüberblick über das gesellschaftliche bzw. sprachgemeinschaftlich Tun auch nur in einer Sprache ansatzweise zutrauen würde. Auseinandersetzungen und Gruppenbildungen sind unausweichlich. Sie reichen bis zu Abschottungen, die speziell in der analytischen Philosophie dazu führten, sich primär mit wissenschaftsrelevanten Fragen auseinanderzusetzen, weil genau jene von Konstruktivisten in der Theorie präferierte Kommunikation allgemein fast nicht oder nur sehr, sehr eingeschränkt möglich ist.<br />
Innergesellschaftlich ist man darauf angewiesen, sich unterschiedliche sprachliche Ausprägungen anzueignen, um den verschiedenen Situationen gewachsen zu sein, in die man geraten kann, ob im Zusammenhang mit ‚Sprache‘, ‚Evolution‘, ‚Kultur‘ oder ‚Natur‘. Es wäre überhaupt nicht verwunderlich, gesellschaftliche Bereiche ausfindig zu machen, in denen Zuhörern kaum mehr als ein Kopfschütteln bleibt.<br />
Es hat innerhalb der vergangenen Jahrzehnte im deutschsprachigen Raum Wissenschaftler und Philosophen gegeben, die nicht über ein Thema sprachen, sondern etwas zu einem Thema zu sagen hatten. Der Unterschied lässt sich klarer erkennen, wenn man beispielhaft konkret wird: nicht über ein Klavier wurde gesprochen, sondern zu einem Klavier. Auf eine persönliche Ansprache („Mein liebes Klavier, wie du vielleicht ahnst …“) wurde zwar verzichtet, Ansprechpartner blieben in der Regel Kollegen, aber in die Sprache war eine Herrschaftsannahme geraten, die über Soziales durchaus diskutierbar wäre, im Hinblick auf sprachliche Eigenschaften jedoch unangemessen war und ist. Eine neuerliche Vermischung von sprachlichen und sozialen Relation ist in den Schriften von Derrida und seinen Nachfolgern (vgl. z.B. Culler, Jonathan, 1999) auszumachen. Um es zu betonen: Sprache tut der Wirklichkeit nichts an, sie kann unzureichend sein, in Einzelfällen, sogar in vielen, bezieht man umgangssprachliche Phrasen wie ‚Evolution‘, ‚Kultur‘ oder ‚Natur‘ ein, unangemessen, Sprache kann auch einen Einfluss darauf haben, was von Menschen überhaupt in Erwägung gezogen wird, dennoch wären sprachliche und soziale Relationen zu differenzieren. Eine Vermischung verweist auf eine mangelhafte Unterscheidung von Sprache und Sachen bzw. Sachverhalten. Ein sprachliches und ein soziales ‚Über‘ sind also auseinanderzuhalten, obgleich die Wortlaute identisch sind.Kai Pegehttp://www.blogger.com/profile/01301353386075423130noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7694804991996063925.post-25802562854172811612020-01-27T05:29:00.002-08:002020-02-01T03:44:50.429-08:00(1.3) Definite Beschreibungen und Bezüge (2. Aufl.)Namensgebungen unter Menschen, obgleich sie in kleinen Rahmen gesellschaftliche Ereignisse sind, auch soziologisch untersucht werden können, entziehen sich der gesellschaftlichen Sprache. Gerade weil Namensgebungen im Hinblick auf Menschen überwiegend private Angelegenheiten sind, auch wenn gesellschaftliche Ansprüche und Moden eine gewichtige Rolle spielen, sind sie sprachlich ohne empirische Relevanz.<br />
Dieses Engagement bei Namengebungen kann erläutern helfen, weshalb es schwierig sein kann, Eigennamen gesellschaftlich durchzusetzen, ihnen Geltung zu verschaffen: besonders in religiösen, politischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen. Es bedarf Kampagnen oder breiter medialer Unterstützung, damit einige Namen in aller Munde landen, ebenso das, womit sie jeweils assoziativ verbunden sein sollen. Sprache ist ein gesellschaftliches Unterfangen. Die Eigennamen fließen durch ein solches Engagement in die Sprache ein, obgleich sie nicht dazugehören. Vielen Eigennamen ist jedoch eine Abkunft aus der Sprache anzumerken, weil sie, historisch weit zurückliegend, aus beruflichen oder örtlichen Zusammenhängen entstanden sind: ‚Müller‘ z.B., oder ‚von der Mühlen‘. Diese jedoch in einen Zusammenhang mit Individuen zu stellen, waren lokale Hilfskonstrukte, die, je weiter die Zeit und Weitergabe fortschreitete, waghalsiger, durch ein Zusammenwachsen von Orten, Regionen und durch die Verfielfältigung bei der Weitergabe nichtssagender wurden. <br />
<br />
Einen weiteren Schritt auf der Suche, was sprachlicher Bezug bedeuten könnte, komme ich vielleicht mit Formulierungen, die aus der philosophischen Tradition als sogenannte Kennzeichnungen bekannt sind, Beschreibungen, die unbestimmt (einer, eine, ein …) oder bestimmt (der, die, das …) sein können: als Beispiele führt Russel u.a. „the present King of France “ an (vgl. Russel, 1905, S.479) und fügt hinzu, dass eine solche Phrase erst eine Bedeutung durch den Kontext erhält (vgl. ebd., S.480).<br />
Eine definite Beschreibung, auch wenn sie einem Individuum zugeordnet ist, lässt sich nicht leichter als ein Eigenname wie z.B. ‚Peter Müller‘ erfassen, doch sie enthält Worte, die zumindest einen Beginn ermöglichen können. Zwar ließe sich auch ‚Peter Müller‘ in einen Kontext stellen, der Eigenname würde selber jedoch kaum etwas zur Auffindung einer bezugsrelevanten Bedeutung beitragen können, weil er gesellschaftlich zu weit zurückreicht, zu unspezifisch, zu unauffällig ist und zusätzlich noch zu häufig vorkommt.<br />
Aber es gibt Eigennamen, die als definite Beschreibungen fungieren können, ‚das Ruhrgebiet‘ ist so eine. Doch es fehlt, um die Unvollständigkeit für einen Bezug hervorzuheben, in dieser sprachlichen Form eine Angabe der relevanten Zeit bzw. der Zeitspanne. Auch wird keine Existenz behauptet, noch eine örtliche Orientierung gegeben, noch eine Eigenschaft angeführt. ‚Das Ruhrgebiet‘ könnte, würde man es bei der Formulierung belassen, falls überhaupt, in einem düsteren Mondkrater liegen und von einer Gesellschaft bewohnt sein, die keinen Weg aus dem Krater findet, ja vielleicht von Seiten der dortigen Politiker und Bürger nicht einmal finden möchte. Soviel über einen möglichen Zusammenhang.<br />
Vom Kontext und Umfeld kann allerdings auch abhängen, wie exzessiv oder / und formalisiert man die Ansprüche an eine ein- und abgrenzende Beschreibung betreiben möchte. Sogar im Hinblick auf Eigennamen. Dass z.B. Bertrand Russel lebte, wann und wo, würde im vorliegenden Kontext allenfalls lustig klingen, nicht nur weil er relativ bekannt ist, sondern weil der vorliegende Kontext ein philosophischer ist, kein biografischer.<br />
Sprachliche Bezüge, ob zur Empirie oder zu empirisch oder logisch mögliche, ja sogar zu empirisch oder logisch unmögliche Welten, allesamt als Bestandteile von Wirklichkeit, sind nicht einfach da, sie müssen erst geschaffen werden. Aus Texten führt kein Fingerzeig hinaus; alles ist sprachlich zu leisten. Ein anfängliches Sprachlernen, das vergleichsweise behavioristisch geschieht, kann, wie Quine hervorhebt, nur demonstrieren, dass ein Kind Gegenstände unterscheidet, jedoch nicht, dass es auch Bezugnahmen versteht (vgl. Quine, Willard v. Orman, 1976, S.119). Quine ist freilich einseitig auf (Natur-)Wissenschaften ausgerichtet. Doch über Gegenstände zu sprechen, ich spreche im vorliegenden Kontext lieber über Sachen und Sachverhalte, ist weitaus komplizierter, als mit Lautfolgen und Fingerzeigen umzugehen. Bezüge sind entstanden, sobald deutlich geworden ist, worüber gesprochen wird. Dies gilt für die Wissenschaften und die Philosophie ebenso wie für Poetiken. Die Mittel differieren, eine poetisch imaginäre Welt kann sich von einer empirischen unterscheiden, z.B. wenn Worte in ungewöhnlicher Weise genutzt werden; eventuell wird durch den Einsatz von poetischen Mitteln zunächst nur eine Oberfläche erfahrbar, doch dass diese erfahrbar wird, ist Resultat der Sprache. Ein logisches Kalkül kann hingegen ganz in sich ruhen, völlig bezugslos. Erst im Fall einer Integration von mathematisch logischen Verfahren in einen bezugshaften Kontext, bereits die theoretische Physik nutzt ein solches Vorgehen, werden Aussagen über etwas getroffen, wie z.B. in der allgemeinen Relativitätstheorie.<br />
Der Weg von definiten Beschreibungen hin zu Kontexten, durch die erst Bezüge entstehen können, lässt die Frage aufwerfen, wie umfangreich diese sein müssen, damit derartiges geschehen kann. Eine Antwort auf die Frage hängt davon ab, was im jeweiligen Fall vorausgesetzt werden kann. Es eröffnet sich ein pragmatisches Problem, das allgemein gar nicht eingrenzbar und lösbar ist. Eine wissenschaftliche Hypothese kann das Wissen eines gesamten Fachs voraussetzen, Quine spricht in diesem Kontext von wissenschaftlichem Holismus (vgl. Quine, Willard v. Orman, 1995, S.18 ff.), doch damit nicht genug, manche Probleme lassen sich nur lösen, wenn man über Fächergrenzen hinausschaut. Dies geschieht ohnehin, doch nicht immer zum Vorteil: Die physikalisch orientierte Modellökonomie ist spätestens im Zuge der weltweiten Finanzkrisen ersichtlich an Grenzen gestoßen. Mit ihr lassen sich die Entwicklungen nicht erklären. Und eine pragmatisch durchaus verständliche Abschwächung der Krisen als Sonderfälle, um zu einer sogenannten Normalität zurückkehren zu können, macht fraglich, ob überhaupt ein Interesse an Wissenschaft besteht. Relevante Kontexte reichen aber noch viel weiter: Wissenschaften, Philosophie und Poetik setzen Sprache und ein sprachliches Differenzierungsvermögen voraus. Quine spricht über Gegenstände, weil die Worte der Sprache überwiegend von Gegenständen handeln. Dies ist leicht nachzuvollziehen, berücksichtigt man die Menge an alltäglichen Dingen, mit denen Menschen umgehen und auf die man sich beziehen kann (vgl. Quine, Willard v. Orman, 1980, S.17 ff.). Es wäre aber zu kurz gefasst, lediglich alltägliche Dinge wie Schreibtisch und Kühlschrank zu berücksichtigen. Auch Abstaktes wie Zahlen, Attribute und Klassen spielt eine Rolle. Deshalb spricht Quine allgemein von einem Sprechen über Gegenstände (vgl. Quine, Willard v. Orman, 1975, S. 7 ff.). Von menschlichen Sinnen erfasst werden biologischen Beobachtungen nach jedoch nicht Gegenstände, sondern Qualitäten wie Farben und Klänge (vgl. z.B. Maturana, Humberto R., 1985). Die menschliche Wahrnehmung entsteht erst im Gehirn.<br />
Sprachlich ändert sich dadurch jedoch wenig: dass die menschliche Wahrnehmung von Wahrnehmungsbedingungen abhängig ist, haben bereits Hume und nach ihm auch Kant formuliert. Was außerhalb solcher Bedingungen liegt, ist unzugänglich. Dass zu diesen Bedingungen gehört, neuronal eine äußere Welt in komplexer Weise entstehen zu lassen, ändert zunächst nicht viel, philosophisch betrachtet. Die physiologisch entstehende Innen-Außen-Relation ist ein Produkt des Gehirns, gehört zu den Wahrnehmungsbedingungen. Was außerhalb dieser Bedingungen geschieht, bleibt weiterhin unzugänglich. Doch der biologische als auch neurologische Gewinn ist kaum zu unterschätzen.<br />
<br />
Die philosophische Tradition bietet den Grund, weshalb ich eine Formulierung ‚Konstruktivismus‘ für die Philosophie ablehne, es sei denn man verfolgt eine solipsistische Ausrichtung, in der eine Existenz von Außenwelt bestritten wird oder als erfunden gilt. Mit solchen solipsistischen Einschätzungen würde man sich jedoch außerhalb der Wahrnehmungsbedingungen bewegen. Dass bei Menschen etwas hineingelangt, dass Sinnesreizungen zu beobachten sind, lässt sich kaum leugnen. Und wenn sich ‚Erfindung‘ nicht mehr abgrenzen lässt, weil alles erfunden ist, dann sagt dies Wort nichts mehr aus. Ein solcher Überschwang wäre nicht zu rechtfertigen. Auf eine Diskussion dieser „Kognitionswissenschaft“ (vgl. Schmidt, Siegried, J., 1987, S.13) verzichte ich im vorliegenden Kontext. Es ist philosophisch nicht unüblich, allgemein von Gegenständen der Wahrnehmung, der Erkenntnis oder der Erfahrung zu reden; Kant hatte dies in exzessiver Weise betrieben. Über Sachen und Sachverhalte zu sprechen, anstatt über Gegenstände, ist ein Resutat sprachlicher Erwägungen. Im Englischen, dessen bin ich mir bewusst, gibt es für diese Worte kaum adäquate Übersetzungen. ‚Sache‘ wird zumeist mit ‚thing‘ (Ding), ‚Sachverhalt‘ mit ‚facts‘ (Fakten,Tatbestand) übertragen. Der Grund ergab sich aus einer speziellen Einbeziehung der deutschen Umgangssprache: Worte ‚Sache‘ sind in dieser allgemeiner als Worte ‚Ding‘ oder ‚Gegenstand‘, die sich in der Regel auf abgrenzbare physikalische Gebilde wie Tisch und Stuhl beziehen können, weniger auf konzeptionelle Gegenstände, ob logische oder poetische. Darüberhinaus weist ‚Sachverhalt‘ auf eine, allerdings unbestimmte, komplexere Gestalt hin; dies kann bei Beschreibungen hilfreich sein. Ist man bereit, zu den biologischen Wahrnehmungsbedingungen von Menschen auch die neuronal aufwendig produzierte Innen-Außen-Relation zu zählen, ohne angeben zu können, was außerhalb dieser geschieht, sind Sachen als auch Sachverhalte nur innerhalb dieser Relation lokalisier- als auch erfassbar.<br />
<br />
Wie neuronale Prozesse in anderen Tieren vorgehen, ob dort Sinnesreize, wie sie die Biologen beobachten, anders verarbeitet werden, eventuell ohne Produktion einer aufwendigen Innen-Außen-Relation, die man scherzhaft als Heimkino beschreiben könnte, vermag ich nicht zu beurteilen, ist im Kontext dieser Studie jedoch auch nicht erforderlich. Wie aber wäre eine Reizbedeutung von Worten unter den angeführten physiologischen Bedingungen aufzufassen, die Quine wie eine empirische Absicherung sprachlicher Bedeutungen und Übersetzungen einführt und als eine „Klasse aller Reizeinflüsse“ fasst (vgl. Quine, Willard v. Orman, 1980, S.69)? Solange man Reizeinflüsse unter die physiologischen Wahrnehmungsbedingungen stellt, würde sich wenig ändern. Es wäre lediglich darauf hinzuweisen, dass zur Voraussetzung nicht nur Reize, sondern auch eine vergleichbare Reizverarbeitung verschiedener Menschen gehört, damit eine solche Absicherung überhaupt in Erwägung gezogen werden kann. Im experimentellen Beispiel, in dem der Reizbedeutung eine besondere Rolle zukommt, ein aufmerksamer Ethnologe herauszufinden sucht, worauf sich der Lautkomplex ‚Gavagai‘ von Einheimischen bezieht, dient letztlich dieselbe Reizbedeutung als Maßstab (vgl. ebd., S.70). Mit dieser formalen Fassung ist das Übersetzungsproblem jedoch nicht behoben. Quine führt Gründe an, weshalb dieser Behaviorismus scheitert: ob eine identische Reizbedeutung vorliegt, lässt sich im Kommunikationsprozess zwischen Ethnologe und Einheimischen nicht ermitteln, sogar eine Unbestimmtheit bleibt letztlich unzugänglich (vgl. ebd., S.137-147). Sein Urteil fällt in später entstandenen Schriften im Hinblick auf Übersetzungsvorgänge noch düsterer aus: „Es besteht noch nicht einmal Hoffnung, so etwas wie eine Kodifizierung der einschlägigen Prodzeduren erreichen zu können, um dann vielleicht durch Angabe eben dieser Manöver zu definieren, was als<br />
Übersetzung zu gelten habe.“ (Ders., 1995, S.67). Konkret hat ein Forscher bei relevanten Reizen die Möglichkeit, ‚Gavgai?‘ zu fragen, die Einheimischen haben die Möglichkeiten, bejahende oder verneinende Anworten zu geben. Fehlen relevante Reize, ist die Kommunikation gehemmt (vgl. ders., 1980, S.75). Ich sehe im Folgenden von Reizen als möglichen Hilfen ab, vor allem wegen ihrer allgemein mangelhaften Zugänglichkeit in sprachlichen Situationen, fragen lässt sich aber, wie Bedeutungen und Bezüge zusammenhängen.Kai Pegehttp://www.blogger.com/profile/01301353386075423130noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7694804991996063925.post-2295125847143446932020-01-26T01:03:00.000-08:002020-02-01T03:45:21.835-08:00(1.2) Wie voneinander abgrenzen? (2. Aufl.)Den Anreiz zu differenzieren, hoffe ich gegeben zu haben, unklar blieb bislang jedoch, ob und gegebenfalls wie Worte von andere Zeichen (und Symbolen) systematisch abgrenzbar sind. Goodmans Symboltheorie lasse ich im Fortgang unberücksichtigt, weil sie in vielerlei Hinsicht einen Sonderfall darstellt, der eventuell in einem Kontext über Künste interessieren könnte, doch sogar in diesem Zusammenhang separat zu erörtern wäre: Einige grundsätzliche Schwierigkeiten und Fragen habe ich in einem solchen Kontext formuliert (vgl. Pege, Kai, 2014 (2)), auf eine dezidierte Erörterung jedoch verzichtet. Als weiteres Problem kann hinzukommen, dass Zeichen, ob als Piktogramme oder abstrakte mathematisch logische Gebilde, sprachlich artikulierbare Bedeutungen haben, historisch aller Wahrscheinlichkeit nach aus einem Sprachverhalten entstanden sind, wie formalisierte Abkürzungen wirken können, als formale Zeichen jedoch der Sprache entzogen sind.<br />
Emoticons, um noch ein Beispiel zu integrieren, werden zwar innerhalb der Umgangssprache eingesetzt, sie haben Bedeutungen, die sich als emotionale Ausdrücke spezifizieren lassen könnten, verzichtete man darauf, Ausdruck zeichentheoretisch als Extension bzw. Bezug zu fassen, aber keinen Bezug. Ein Emoticon lässt nicht erkennen, weshalb es gesetzt wurde. Ohne sprachliche Erläuterung, die eventuell für sich schon ausreichen würde, den Zustand mitzuteilen, hinge ein Emoticon gleichsam in der Luft oder fungierte lediglich als außersprachlicher Gestenersatz.<br />
<br />
Ob und worauf sich sprachliche Äußerungen beziehen, ist abhängig von den Bedeutungen, nicht nur der Worte, sondern des jeweiligen sprachlichen Zusammenhangs. Diese Komplexität im Hinblick auf eine Ein- und Abgrenzung entfällt in der Regel bei außersprachlichen Zeichen. Im Fall mathematisch logischer Zeichen gibt es zwar funktionale Differenzierungen und Abhängkeiten, jedoch nicht im Hinblick auf einen Bezug, lediglich auf die nutzbaren bzw. vorliegenden Zeichenfunktionen. Ähnlich, wenn auch weniger abstrakt und viel loser gebunden, geht es bei Straßenschildern zu. Die Farbgestaltung ist z.B. nach Gefahren-, Verbots- und Gebotsschildern sortiert, doch auch bei ihnen spielt Bezug keine erkennbare Rolle, im Vordergrund stehen ebenfalls Funktionen, keine mathematisch logischen, sondern solche eines Verhaltens, die durch die Bedeutungen übermittelt werden. Um den Geltungsbereich - nicht den Bezugsumfang -, solcher Schilder einschätzen zu können, ist man jedoch auf zusätzliche Informationen angewiesen, die z.B. durch bauliche Gestaltungen gegeben werden. Doch auch bei sprachlichen Äußerungen kann eine Frage nach Bezügen berechtigt, eventuell offen bleiben oder bestritten werden. Im Umgang können außersprachliche Faktoren, sowohl hinsichtlich des Verhaltens als auch der Umstände behilflich und entlastend sein.<br />
<br />
Relativ hilflos kann man gegenüber Eigennamen bleiben, nicht nur sobald man Telefon- und Adressverzeichnisse oder das Internet einbezieht. Entwicklungen, ob landschaftlich historische, menschliche, tierische, oder Differenzierungen nach Tageszeit (Abend-, Morgenstern) erschwerten in der philosophischen Literatur einen Umgang. Kripe unternahm die Anstrengung, nach Bezügen, nach sogenannten ‚Referenten‘ Ausschau zu halten, um letztlich in einer Namensgebung (Taufe) als dem jeweiligen individuellen Beginn zu landen (vgl. z.B. Kripke, Saul, 2014, S.112), dem Beginn von Kausalketten, die sich aufgrund von Weitergaben eines Namens ergibt.<br />
Doch ließen sich Eigenschaftsänderungen bei Sachen und Individuen berücksichtigen? Wäre ein Kleinkind, das einen Namen zugesprochen bekommt, noch dasselbe Lebewesen in späteren Jahren? Wäre man darauf angewiesen, eine abstrakte Entität auszuweisen, die über die Zeit identisch bleibt? Das Modell gibt erstaunlicherweise keine Auskunft. Es ließe sich in Bezug auf Individuen aber eine Ereignisreihe (Lebenslauf) bilden, eine solche Vorgehensweise ist in der Praxis durchaus nicht unüblich, wenn z.B. auf verschiedene Schaffensphasen eines Philosophen Bezug genommen wird. Doch dann wird der Name als solcher relativ unrelevant: er reicht bei weitem nicht aus! Von einem frühen Wittgenstein ist z.B. die Rede, von einem späten.<br />
Fragen lässt sich, was eine Namensgebung (Taufe) mit einem Bezug des Namens zu tun hat. Ein solcher Akt, der eventuell einer Anheftung ähnlich ist, sagt noch gar nichts über einen Bezug aus, auch wenn ein Name durch soziale Umfelder weitergereicht wird. Innerhalb von sozialen Umfeldern handelt es sich zunächst nicht um Eigennamen, sondern um erteilte Rufnamen, die es ermöglichen können, ein Individuum anzusprechen, bei Menschen und Haustieren übrigens in ähnlicher Weise. Dass ein Hund bei der menschlichen Äußerung „Fritz“ aufhorcht, bemerkt, dass er gemeint ist, obgleich er die menschliche Sprache nicht versteht noch spricht, sich also angesprochen fühlt, weil man ihn zuvor über einen Zeitraum auf diesen Lautkomplex konditioniert hat, kann deutlich machen, dass ein praktisch angemessenes Verhalten auch ohne relevante konkrete Sprachkenntnisse möglich ist. Ein Angesprochenwerden und ein Ansprechen von Individuen überfordert Hunde keineswegs. Es handelt sich um rudimentäres Verhalten, das noch gar nichts mit Sprache zu tun haben muss und sich auch deutlich von der menschlichen Sprache abhebt: „Hund“, solange dieser Ausdruck nicht als Rufname etabliert wird, kann, je nach Kontext, ein allgemeines oder konkretes Wort sein. Rufnamen hingegen stehen ausschließlich mit Individuen in Verbindung. Wenn in einer Spielstraße z.B. „Peter“ oder „Mohammed“ erschallt, kann dieser Vorgang zu Verwirrung führen, weil solche Namen in Deutschland nicht selten sind. Quine hat von ‚singulären Termini‘ gesprochen (vgl. Quine, Willard v. Orman, 1974, S. 262); ich bleibe bei ‚Namen‘, halte aber eine Differenzierung von Ruf- und Eigennamen für empirisch relevant. <br />
In diesem Essay bezieht sich ‚Rufname(n)‘ auf Lautkomplexe oder Buchstabenfolgen, die es ermöglichen, Individuen anzusprechen und Bedingung für eine Konditionierung sind. ‚Eigennamen‘ sind hingegen das Resultat einer solchen Konditionierung, vielleicht nicht unähnlich einem Brandzeichen, sähe man davon ab, dass solche Zeichen primär massenhaft vergebene Eigentumsmarken anderer sind. Namen müssen sich erst einprägen, bevor sie Eigennamen werden können, für das jeweilige Individuum wie auch für andere, die einem Individuum einen Eigennamen zuerkennen.<br />
Etwas kokett fragt Kripke, ob überhaupt referiert wird (vgl. Kripke, Saul A., 2014., S.38/39). Kripke erhöht sogar die Namensgebung und Weiterreichung, indem der vergebene Ruf- bzw. Eigenname als starrer Bezeichnungsausdruck (‚regider Designator‘) in allen möglichen Welten Geltung habe (vgl. ebd., S.59). Doch eine Namensgebung ist ein empirischer Vorgang, der durch ein Belieben der Namensgeber geprägt wird und durchaus unterschiedlichen Konventionen und Moden unterworfen sein kann. Nicht Bezug, sondern soziale Geltung scheint mir der relevante Begriff im Hinblick auf Namen zu sein, und zwar in mehrfacher Hinsicht: für diejenigen, die Namen als Rufnamen nutzen und auch als Eigennamen anderer anerkennen, ebenso für die Angesprochenen und die mit oder gar unter einem Namen Agierenden.<br />
Eine Diskussion von Eigennamen verführt dazu, sich auf bekannte Namen zu konzentrieren und eine Gewichtung hineinzulegen, die ihnen gesellschaftlich zukommt. In der Literatur ist z.B. von Aristoteles und Gödel (wie bei Kripke) die Rede, von Beethoven und von Goethe. Wie würden jedoch Fälle zu interpretieren sein, die gesellschaftlich weniger auffällig und im Hinblick auf das Leben von Individuen, auf relativ ereignislose Leben bezeichnen? Möglicherweise ließen sich Weitergaben von Namen verwechseln? Zu solchen Fällen könnten gesellschaftlich bedingte Namenswechsel gehören: Übernimmt ein Ehepartner bei der Heirat den Namen des anderen, wie dies bei Frauen lange Zeit üblich war, würde sich die Frage nach einem ‚regiden Designator‘ kaum stellen, der über Zeiten und Welten gleich bliebe, es sei denn in satirischer Weise. Vorkommnisse können sogar noch vielfältiger ausfallen, wenn nicht nur zu verschiedene Lebensabschnitten eines Menschen verschiedene Namen treten, sondern auch verschiedene Funktionen einen solchen Namen erhalten. Pseudonyme werden in der Regel in dieser Weise gebraucht, ob unter Schriftstellern, Musikern oder … Die umgangssprachliche Phrase ‚Pseudo-‘ deutet eine gesellschaftlich ideologische Abhängigkeit in Bezug auf Namen an, die primär eine praktisch und emotional orientierte ist, in der es um eine, umgangsprachlich formuliert, Identifizierbarkeit von Menschen geht, was immer auch amtlich oder auf der Straße darunter konkret verstanden wird. Eine Konzentration auf bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens hilft nicht weiter, wenn es darum geht, Namen und ihre Verwendung zu erläutern, weil der Bezugsrahmen viel zu klein wäre. Ohne die gesellschaftlichen Vorgänge zu berücksichtigen, die alltäglich sind, blieben die Ansätze eventuell hübsch und nett, doch vor allem unrelevant. Ich halte es für aussichtlos, Ruf- und Eigennamen in allgemeiner Weise sprachliche Bezüge zukommen zu lassen. Man könnte über gesellschaftliche Relevanz und Bekannheit sprechen, der Namen als auch der assoziierten Personen oder Sachen, doch als Bezug würde ich diese möglichen Assoziationen und deren gesellschaftliche Vielheit nicht ausgeben wollen. Eine Frage nach Namen ist nach meinem Ermessen überhaupt keine sprachtheoretische, sondern eine soziologische und psychologische, die z.B. statistisch aufzubereiten wäre. Mir persönlich, dies sei eingestanden, bedeutet ‚Kai Pege‘ bezugsrelevant nichts. Mir kann lediglich deutlich werden, dass ich innerhalb eines konkreten Umfelds angesprochen werde, nicht ein anderer Mensch. Diese differenzierte Ansprechmöglichkeit, vergleichbar mit einem Stupser, ist jedoch primär einem Verhalten zuzuordnen, nicht Sprachlichem. Vielleicht hat Kripke dies ähnlich gesehen, deshalb den Akt einer Taufe, ein soziales Verhalten, in das Zentrum gestellt? Doch leider geschah durch ihn keine deutliche Abgrenzung von sprachlichem Verhalten. <br />
<br />
Mit dem Ausscheiden von Symbolen, einer Reihe von Zeichen und Namen als bezugsrelevante Parameter, gewinnt die Sprache hinzu. Der praktische Nutzen, eventuell auch ein theoretisch poetischer, der allerdings separat zu erläutern wäre, z.B. im Kontext einer Bedeutung abseits der Empirie, ebenso der theoretische im Fall mathematisch logischer Zeichen, schmälert sich dadurch nicht. Im Hinblick auf die Empirie sind die bislang diskutierten ‚Bezüge‘ von Symbolen, Zeichen und Namen ohne Relevanz.Kai Pegehttp://www.blogger.com/profile/01301353386075423130noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7694804991996063925.post-33256932803792342912020-01-25T02:57:00.002-08:002020-01-25T03:52:18.808-08:00Zweite Auflage: (1.1) Notengrafiken, Schilder, Symbole, Etiketten und WorteZu voreilig wird ein allgemeiner Ansatz betrieben, als ließen sich Vorkommnisse von nicht-sprachlichen Zeichen (de Saussure, Peirce), Symbolen (Goodman) und von Worten einer Sprache alle in gleicher Weise erfassen und behandeln. Es mag sein, dass man sich ernsthaft darum bemühte, all die fraglichen Fälle zu berücksichtigen, doch finden sich gerade deshalb erstaunliche Kuriositäten, die in das jeweilige Konzept nicht passen. Deshalb vollziehe ich zu Beginn eine graduelle Differenzierung zwischen nicht-sprachlichen Zeichen (bzw. Symbolen) und Worten, um mich im weiteren Verlauf der theoretischen Studie auf Worte und Sprache zu konzentieren. <br />
<br />
Ich greife ein nicht-sprachliches und zeichen- bzw. symboltheoretisches Beispiel auf, das die Schwierigkeit erläutern lässt, der man sich durch ein unangemessenes allgemeines Vorgehen aussetzt: Eine ausgearbeitete Komposition, worauf könnte sie sich beziehen?<br />
Notengrafiken haben durchaus Bedeutungen, sonst wären sie nicht von Musikern und Interessierten lesbar, doch was bezeichnen, symbolisieren sie, oder worauf beziehen sie sich? Faktisch handelt es sich um Anweisungen, die zudem der Interpretation, einer Lesart bedürfen. Würde man - wie Goodman dies z.B. tat -, eine ideale Aufführung als Symbolisiertes ausgeben, ließe man die einzubringende Lesart außer Acht, Helge Bol hat darauf hingewiesen (vgl. Bol, Helge, 2014). Und Notenschriften sind keineswegs derart präzise, dass ein Ideal einbeziehbar wäre. Lediglich eine romantische Fassung von Kompositionen kann dem Wunsch nach einem Ideal, jedoch nur im Hinblick auf eine Bedeutung, nachkommen (vgl. ebd.). <br />
Sogar wenn Notenschriften so präzise wären wie z.B. Anweisungen, Algorithmen für Computer, auch dann ließe sich fragen, ob ein Bezeichnetes, Symbolisiertes oder ein Bezug auf etwas überhaupt relevant wäre. Es würde nach meinem Ermessen vollkommen ausreichen, dass die Maschine die Bedeutungen der Anweisungen interpretieren und ausführen kann, ohne einen Bezug zu berücksichtigen.<br />
<br />
Nicht anders lassen sich mathematische und logische Zeichen fassen. Auch diese haben Bedeutungen, Bezüge sind jedoch nicht erforderlich. Erst wenn man z.B. eine vergleichsweise platonische Metaphysik generieren würde, ließen sich auch Bezüge veranschlagen, auf metaphysische Entitäten. Um jedoch verstehen zu können, um was es bei den Zeichen und ihren relationalen Zusammenhängen geht, kann auf eine Metaphysik leicht verzichtet werden.<br />
Durch eine Maßgabe, auch ein Bezeichnetes haben zu müssen, etwas, auf das Bezug genommen wird, ließe sich zwar die Motivation begreiflich machen, als Grund könnte sie jedoch nicht dienen, um die Annahme von Bezeichnetem zu rechtfertigen. Es gäbe freilich viele andere Möglichkeiten für eine Motivation, Metaphysik zu betreiben, sogar eine erwägbare Schönheit, doch dies ist nicht mein Thema.<br />
<br />
Ebenfalls wäre es überflüssig, Straßenschildern Bezüge zukommen zu lassen, die Anweisungen geben. Ein Stoppschild weist seiner Bedeutung nach lediglich darauf hin, dass anzuhalten sei, nicht auf ein ideales Vorgehen derjenigen, denen das Schild zugewandt ist. Die Anweisung verstehen zu können, reicht aus, auch wenn man diese unberücksichtigt lässt. <br />
In diesem Zusammenhang lässt sich aber auf allgemeinverständliche Weise ein weiter Fall integrieren, durch den nicht Anweisungen gegeben, sondern Möglichkeiten offeriert werden: Ein als Parkplatz ausgewiesener Bereich bietet Abstellmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge. Wird der fragliche Bereich eventuell durch das Schild bezeichnet, hat das Schild einen Bezug? Um diese Frage beantworten zu können, ist ein wichtiger Unterschied zu beachten: Es ist nicht das Schild, das den Bereich abgrenzt, sondern die bauliche Gestaltung des Terrains. Auf was sich das Schild beziehen könnte, ist von dieser Gestaltung abhängig, nicht von der erläuterbaren Bedeutung des Schildes. Diese Bedeutung eröffnet nicht mehr als eine Verhaltensmöglichkeit, ohne auch nur einen Hinweis auf einen Bezug zu enthalten. - Diese Komplexität lässt einen Seitenblick auf Sprache zu: Der Ausruf „Parkplatz! “ eines Beifahres sagt dem Fahrer eventuell wenig, provoziert unter Umständen die Rückfrage: „Wo?“ Auch sprachlich wäre ein Zusammenhang zu berücksichtigen; sprachlich ließe sich, dies macht den entscheidenden Unterschied aus, der Weg zum als auch die Gestalt und der Umfang des Bereichs beschreiben. Eventuell ist innerstädtisch sogar relevant, wie groß die aktuelle Freifläche für den PKW ist bzw. sein könnte. - Das Schild bezieht sich hingegen nicht, sondern bietet pauschal eine Verhaltensmöglichkeit, mehr nicht.<br />
<br />
Ein weiterer Fall betrifft Etiketten. Solche sind in der Regel relevanten Gegenständen und Produkten direkt angeheftet, z.B. in Supermärkten. Ein Anheftungsvorgang ließe sich vielleicht am ehesten als ‚Bezeichnung‘ anführen, doch ob auch ein Bezug möglich sein kann, ist separat zu klären. Wenn ein Schild, das ein Parken ermöglicht, keine Informationen darüber enthält, auf was es sich beziehen könnte, ein Bezug unrelevant wird, vielleicht werden Anheftungsvorgänge lediglich vollzogen, um eine Eingrenzung des Geltungsbereichs zu ermöglichen. Etiketten enthalten zwar Angaben, vielleicht sogar in sprachlicher Form, aber keine Informationen über den Geltungsbereich, allenfalls abstrakt durch eine Information über die Füllmenge. Auf was sich die sprachliche Angabe einer Füllmenge aber bezieht, bleibt offen. Anheftungsvorgänge sind zusätzliche praktische Maßnahmen, ähnlich wie die bauliche Gestaltung eines Parkplatzes, die den Etiketten den Geltungsbereich zuweisen. Die Etiketten geben, um Bezug haben zu können, zu wenig preis.<br />
<br />
Und wie sieht es mit Abbildungen aus, z.B. künstlerischen, unter der Voraussetzung, dass eine solche Relation im Einzelfall überhaupt relevant ist? Das Problem beginnt bereits mit diesem Begriff bzw. Wort. Etwas abzubilden beschreibt bereits eine Relation, eine, die sprachlich nicht, oder, berücksichtigt man konkrete Poesie, kaum vollzogen werden kann. Es ließe sich bestenfalls eine Metapher ‚Bezug‘ einbringen. Diese wird möglich, weil Zeichnungen, Fotografien und Gemälde einen Detailreichtum enthalten können, oder durch Reduktion eine Bedeutung einbringen, wie dies mit Sprache gleichfalls möglich<br />
ist, nur auf eine andere Art und Weise. <br />
Schließlich sei eine Metapher angeführt, die ich in einem anderen Kontext analysiert habe (vgl. Pege, Kai, 2014, S. 15 ff.) und die häufig in sprachlichen Zusammenhängen auftaucht: ‚Darstellung‘. Ein Theaterstück kann dargestellt werden, oder ein Dokumentarfilm stellt die Veränderung eines Terrains dar, z.B. die Entwicklung des Dortmunder Phoenix-Sees. Sprachlich lässt sich eine Theorie erläutern, am besten mit Bezug. ‚Darstellung‘ träfe den Sachverhalt hingegen nur indirekt. Auch ‚Darstellung‘ ist wie ‚Abbildung‘ bereits ein relationales Wort, das aus anderen Bereichen kommt und dort angemessener aufgehoben ist.<br />
<br />
Die gegebenen Erläuterungen, dies war mir besonders wichtig, verzichten darauf, Symbole und Zeichen durch eine sprachliche Vorentscheidung zu interpretieren. Legt man von Beginn an Sprache hinein, lassen sich Symbole und Zeichen lediglich missverstehen. Fraglos könnten z.B. Ausrufe wie „Parkplatz! “ mit einem Schild verglichen werden, doch Sprache vermag mehr, kann einen Bezug durch Präzisierung entstehen lassen. Eventuell würde praktisch auch ein Fingerzeig genügen, ein außersprachlicher Vorgang, doch dieses Umgangsverhalten änderte an den sprachlichen Möglichkeiten nichts, die Schildern und Etiketten in dieser Weise nicht zukommen.<br />
Gleichfalls habe ich es vermieden, Sprache lediglich aus symbol- oder zeichenähnlichen Worten bestehen zu lassen. Mit einzelnen Worten kann niemand etwas anfangen, es sei denn innerhalb konkreter praktischer Zusammenhänge und dies auch nur im Kontext eines relativ umfangreichen Wortschatzes. Sprache aber kann, dies macht den zentralen Unterschied zu nicht-sprachlichen Zeichen und Symbolen aus, Bezüge haben, über etwas Auskunft geben, und dies ohne weitere Hilfsmaßnahmen.Kai Pegehttp://www.blogger.com/profile/01301353386075423130noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7694804991996063925.post-64824313690684209412020-01-23T02:15:00.001-08:002020-11-26T04:44:25.855-08:00Einleitung der zweiten AuflageAuch Philosophen sind nicht davor geschützt, kognitive Irrwege zu beschreiten. Die zweite Auflage von „Eine Theorie des selektiven Bezugs“ bedarf einer umfangreichen Umgestaltung des Textes. Dies haben Diskussionen im sprachanalytischen Forum ergeben: Zeichen und Sprache werden nicht länger differenziert, aber Zeichen graduell hinsichtlich ihre Bezugsrelvanz unterschieden. Auch Sprache besteht ‚nur‘ aus Zeichen, jahrtausendelang lediglich aus lautlichen, erst viel später auch aus Schriften.<br />
Die textliche Umgestaltung hat Vorteile. Ein Problem, Zeichen von Sprache zu differenzieren, entfällt. In der zweiten Auflage kann detaillierter auf graduelle Differenzen eingegangen werden. Die Kritiken an analytischen Erörterungen als auch an umgangssprachlichem Verhalten bleiben aber größtenteils bestehen:<br />
Analytische Erörterungen führten häufig zu Stellvertreterfunktionen von Zeichen innerhalb naturwissenschaftlicher Modelle. Was dies mit Sprache zu tun hat, diese Frage wurde leider unterschlagen. Modelle lassen sich durchaus mit der Wirklichkeit vergleichen, doch liegt dabei kein Bezug vor, sondern möglicherweise eine eineindeutige Abbildung, deren Relevanz freilich davon abhängig ist, was berücksichtigt wurde. Und eine Stellvertreterfunktion von Zeichen würde eine Austauschbarkeit bzw. Ersetzbarkeit voraussetzen, die nicht möglich ist. Kein Zeichen könnte die relevante Wirklichkeit ersetzen. Es bliebe nicht mehr als eine unangemessene Metapher, naturwissenschaftliche Prosa, die staunen lassen könnte.<br />
Wenn Sprache eine analytische Relevanz erhalten soll, der vor Jahrzehnten beanspruchte „linguistic turn“ weist zumindest darauf hin, ist es erforderlich, sich auch mit Sprache zu beschäftigen. W.v.O. Quine hatte das Problem erkannt, hielt aber weiterhin an einer naturwissenschaftlichen Orientierung fest, auch wenn er sich nicht vereinnahmen lassen wollte. Ich gehe mit diesem Aufsatz einen Schritt weiter, stelle die Frage nach Sprache und Bezügen neu.<br />
Mein Ausgang für die eigene Entwicklung bildet ein Über-etwas-sprechen, so vage dies in Einzelfällen auch geraten mag. Um Bezüge ermöglichen zu können, wird ein analytisch differentielles Verfahren (keine Methode) eingeschlagen, das dazu dient, aus den vielen Möglichkeiten des Über-etwas tatsächlich etwas hervorgehen zu lassen, um was es gehen könnte bzw. geht. Ein möglicher Bezug ergibt sich, wenn durch einschränkende Maßnahmen etwas übrigbleibt.<br />
Ein sprachliches Zutreffen, das bereits Aristoteles anführte, ist in diesem Zusammenhang viel relevanter als Modelle, beruht jedoch auf einem separaten Verhalten, einer gegebenen Einschätzung. Zu Beurteilendes kann nicht mehr als Bezugsrelevanz und einen möglichen Bezug haben. Ob hingegen ein Bezug vorliegt, ist stets zu entscheiden.<br />Entscheidend für die Korrektur in der zweiten Auflage war, dass ich nicht mehr ein wissenschaftliches Bemühen um sprachlichen Bezug zur Grundlage einer Antwort auf die Frage machen wollte, ob Sprache durch möglichen Bezug über Zeichen hinausweist.<br />
<br />
Kai Pege, im November 2020Kai Pegehttp://www.blogger.com/profile/01301353386075423130noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7694804991996063925.post-73838490331965501942018-06-05T04:59:00.000-07:002018-06-05T07:17:32.004-07:00<h2>
Profil</h2>
Eine Beteiligung am sprachanalytischen Forum im <a href="https://www.autorenverlag-matern.de/" target="_blank">AutorenVerlag Matern</a> ist eine Herausforderung. Die Arbeit des Forums betrifft analytische Philosophie als auch analytische Belletristik. Das Besondere der Tätigkeiten liegt nicht im rekapitulieren bekannter Positionen, sondern in der Entwicklung von neuen Ansätzen, philosophischen und belletristischen, ausgehend von der (deutschen) Sprache.<br />
<br />
Mein vielleicht wertvollster Beitrag im Forum war / ist meine philosophische "Theorie des selektiven Bezugs", die in erster Auflage 2015 erschien, an deren Konkretisierung und Erweiterung ich immer noch arbeite. Eine zentrale Hypothese lautet, dass sich Zeichen, im Unterschied zu Worten / Texten, nicht auf Empirie beziehen können. Sie lassen Vergleiche mit der Empirie und ihrer Messung zu, aber keinen Bezug. Die Irrwege in der relevanten Literatur reichen sogar soweit, dass Mathematik entweder für die Empirie 'stehen könne', oder, ein sonderbares Extrem, dass Mathematik die 'Sprache der Natur' sei, was immer in diesem Kontext auch unter 'Sprache' und 'Natur' verstanden wird. Mehr als Metaphern hat man offenbar nicht zu bieten, Wissenschaftsprosa.<br />
<br />
Berücksichtigt man den traditionellen Stellenwert der Mathematik und ihres Formalismus in den Naturwissenschaften und der analytischen Philosophie, kommt meine Hypothese einem mutwilligen Anschlag gleich! Für mich handelt es sich jedoch um eine Rettung der Mathematik und ihrer Relevanz aus der weit verbeiteten wissenschaftlichen Prosa.<br />
<br />
Auch die analytische Philosophie ist zu befragen, damit neue Erkenntnisse veraltete Positionen ablösen können. <br />
<br />
<br />
<h2>
</h2>
Kai Pegehttp://www.blogger.com/profile/01301353386075423130noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7694804991996063925.post-79063631924416804232016-01-14T11:28:00.000-08:002016-01-17T12:35:11.891-08:00Was sind philosophische Essays?[Ein Essay über philosophische Essays aus einem neuen Publikationsprojekt]<br />
<br />
Sprache philosophisch zu thematisieren, lässt gleich zu Beginn einige Fragen aufkommen, die nicht leicht beantwortbar sind. Dazu gehört eine Einschätzung der anvisierten Tätigkeit: Einen philosophischen Essay zu verfassen, sich also innerhalb einer literarischen Gattung zu betätigen - mit Worten ‚Literatur‘ beziehe ich auch wissenschaftliche und philosophische Texte ein -, wird zwar der Sache nach betrieben, bleibt thematisch aber relativ häufig außen vor. Zwar ist ein Anlegen von Literaturverzeichnissen auch in wissenschaftlichen und philosophischen Kontexten üblich, in Fließtexten wurde und wird ‚Literatur‘ nicht selten mit ‚Fiktion‘ oder ‚Belletristik‘ gleichgesetzt. Diese verlautete Synonomie kann Leser nicht nur zu einem Staunen veranlassen, sondern wäre auch logisch widersprüchlich. <br />
Sähe man von der legitimen Möglichkeit ab, einen philosophischen Essay zu verfassen, bliebe z.B. die Hinwendung zu einer sprachlichen Bürokratie. An den Universitäten kursieren Leitfäden zum Verfassen von Essays, die jedoch - wie an der Universität München -, nicht als Veröffentlichung kenntlich gemacht wurden, aus denen sich zitieren ließe, obgleich sie öffentlich im Internet zugänglich sind. Diese Leitfäden präsentieren in der Regel reihenweise Normen und genormte Standards, die aufgrund ihrer formellen Gestaltung und psychologischen Orientierung kaum etwas Relevantes in Bezug auf essayistische Sprache aussagen. <br />
Zu beachten ist: die Leitfäden richten sich an Studierende, denen Wissenschaften und Philosophie noch relativ fremd sind. Mit einer allgemeinen Forderung nach Transparenz wird ihnen z.B. ein durchaus trübes Bild präsentiert, das fraglich werden lassen kann, ob es sich überhaupt auf Sprache bezieht, zumal auf eine wissenschaftliche oder philosophische. Die Forderung nach einer Nachvollziehbarkeit, obgleich sie sich kontextual auf Texte zu beziehen scheint, ist zentral auf eine psychische Disposition von möglichen Lesern, vermutlich primär von Dozenten gerichtet. Die sprachliche Relevanz bleibt ebenfalls undeutlich. <br />
Selbstverständlich bedürfen solche Normen der Erläuterung. Die Richtlinien dienen einem präferierten formalen Aufbau und Menschen, die entweder keine Zeit zum Lesen haben, oder beim Lesen leicht in Schwierigkeiten geraten können. Mit Sprache haben die niedergeschriebenen bürokratischen Präferenzen wenig zu tun, nichts mit einer ethischen Alternative, der Entfaltung von Möglichkeiten, empirischen als auch logischen. Voraussetzung zu einer angemesseneren Lehre wären allerdings Kenntnisse, die von Studierenden entweder erst zu erwerben wären, sprachliche, logische, eventuell auch ethische, oder in diesem Kontext zu thematisieren wären. Solange solche Kenntnisse nicht vorliegen, können ohnehin nur umgangssprachliche Resultate erwartet werden, gleichgültig in welcher Form.<br />
Sprachlich relevant, um ein Beispiel zu geben, sind in den Wissenschaften seit der Bologna-Reform vor allem verlautete Definitionen. Doch angegeben wird nicht selten eine Bedeutung, für die Bezüge und Probleme mit diesen relativ gleichgültig sind. Ein Wort ‚Kultur‘ wissenschaftlich alles bedeuten zu lassen, was von Menschen weitergegeben wurde und wird, wie es an nordrheinwestfälischen Universitäten, speziell im Ruhrgebiet erfolgte, lässt zwar einen typisch bürokratischen Formalismus erkennen, doch nicht nur werden dadurch Differenzierungen schwer, auch Auschwitz gehörte zur Kultur, könnte sogar zu einer Kulturinstitution werden, eine Weitergabe von Errungenschaften findet auch unter anderen Tieren statt, ob unter Walen oder Primaten. Sie ist keineswegs für spezielle Primaten, für Menschen spezifisch. <br />
Es mag sein, dass sich in der formellen Weise ein Themenbereich erweitern und umreißen lässt, der nach Möglichkeit in die eigene Zuständigkeit fällt, sachlich wäre diese Bereicherung jedoch fragwürdig. Unabhängig vom erweiterten Umfang fielen vor allem Traditionen in den Blick. Zudem wäre für Weitergaben unter Menschen eventuell eine Popularität des jeweils Weitergegebenen förderlich. Man beschäftigte sich, soweit man sich auf menschliche Tiere und ihre Erzeugnisse beschränken würde, primär historisch oder sozialwissenschaftlich. Die sogenannte Kulturwissenschaft wäre lediglich ein sozial- bzw. geschichtswissenschaftlicher Zweig. Mein Anliegen war, zu erläutern, wie und warum eine Frage nach Bezügen wissenschaftlich und philosophisch von Relevanz sein kann, nicht Worte ‚Kultur‘ und ihre Historie zu thematisieren, und dass ein bürokratischer Formalismus bei Analysen von Bezügen nicht hilft.<br />
<br />
Die gelehrten essayistischen Normen dienen dazu, Objektivität einzufordern. Soweit es sich um sprachbezogene Ideale handelt, denen man sich der Konzeption nach annähern könnte, wären sie als unwissenschaftlich zu verwerfen. Ideale haben in platonischer Tradition einmal die Metaphysik bereichert, konzeptionell wären sie immer noch etwas völlig anderes als zeitgenössische wissenschaftliche oder philosophische Texte. Eventuell beruhigen Ideale ein Bedürfnis, ob ein bürokratisches oder ästhetisches, mir würde es in Bezug auf Texte bereits ausreichen, erfahren zu können, worüber gesprochen wird. Um dies zu ermöglichen, ist kein Ideal erforderlich, lediglich eine sprachlich rudimentäre aber besondere Funktion zu beachten: mittels möglicher Bezüge über etwas zu sprechen oder zu schreiben.<br />
Etwas anderes als Ideale wären Kriterien. Diese ließen sich zumindest umgangssprachlich erfüllen. Zwei für mich sprachlich relevante Kriterien habe ich bereits angeführt: logische Widerspruchsfreiheit und ein möglicher sprachlicher Bezug. Viel mehr brauche ich nicht.<br />
Logische Kohärenz dient u.a. einem möglichen Bezug. Werden z.B. fünf oder acht unterschiedliche Worte ‚Kultur‘ in einem Text genutzt, ohne hinreichend zu differenzieren, was derzeit gesellschaftlich gar nicht schwer fallen muss, kann ungewiss bleiben, worüber gesprochen wird. Und würde eine hinreichende Abgrenzung fehlen, sogar dann, wenn man die Worte durchnummerieren würde, blieben Bezüge weiterhin unklar. <br />
Es gäbe ein einfaches Mittel, dem entgegenzuwirken: Bedeutungen nicht nach irgendwelchen formalen Hinsichten auszubilden, sondern als Erläuterungen von Bezügen, soweit Bezüge in Betracht kommen. Ob ein Textabschnitt einen Sachverhalt trifft, wäre jedoch nur möglich, weil Bezüge zu beurteilen sind, nicht einfach vorliegen. Auch eine große Anzahl von bereits erfolgten Einschätzen oder Prüfungen würde daran nichts ändern können, es sei denn, man befürwortete als Maßgabe eine soziale Popularität. <br />
Eine Frage nach den Bezügen des Satzes ‚Der Kot ist braun‘ erschöpft sich in der Regel nicht in der Angabe der kausalen Bedingung, wenn der Kot braun ist. Ein platzierter Kothaufen könnte z.B. ein Scherzartikel auf dem Tisch eines universitären Dozenten sein. Ebenso wäre zumindest zu klären, ob es sich bei dem Kot um Kot handelt. Der Satz wäre zu erweitern zu ‚Der Kot, vorausgesetzt es handelt sich um Kot, ist braun‘. Doch auch diese Erweiterung würde nicht ausreichen, um beurteilen zu können, was als ‚braun‘ beschreibar ist. Ein Farbspektrum wäre anzugeben. ‚Der Kot, vorausgesetzt es handelt sich um Kot, ist braun, vorausgesetzt die Farbe liegt im Farbspektrum XY‘. Ein messbares Farbspektrum könnte aber von Ort zu Ort variieren, je nach Lichteinfall, ebenso nach der Zeit der Begutachtung; Kot ist ein organisches Produkt, das einer zeitlichen Veränderung unterliegt. Es wären zahlreiche Bedingungen anführbar, die zur Beurteilung eines konkreten Bezugs relevant wären, sich philosophisch aber kaum prüfen ließen, allenfalls in einem wissenschaftlichen Labor, das selber Bedingungen bereithält und auch Bedingungen unterliegt. Ohne Daten, beim Verfassen eines philosophischen Essays liegen zumeist keine vor, es sei denn, man beschäftigte sich mit älteren wissenschaftlichen Forschungen, noch ließe sich eine Datenbeschaffung veranlassen, kann lediglich ein möglicher Bezug in Frage kommen, diesmal aus der Sicht eines möglichen Verfassers. Und ein sekundärer philosophischer Beitrag unterläge sogar der zweifachen Interpretation. Zitate reichten für die Gewährleistung eine Bezugnahme nicht aus. Ob über diese auch gesprochen wird, wäre eine völlig andere Frage, die von einer Interpretation der zuvor gegebenen Interpretation abhinge. Mehr als ein möglicher Bezug ließe sich auch in diesem Fall nicht veranschlagen. <br />
<br />
Um Kriterien nicht nur bildhaft, in Form von möglichen Erfüllungen relevant werden zu lassen, ist es erforderlich, eine andere sprachliche Lösung zu finden, die der Sache angemessen sein könnte. Kriterien dienen in der Regel als Maß für eine Ausrichtung als auch Beurteilung. Eine logische Vereinbarkeit ließe sich mit Bezug auf Texte tatsächlich prüfen, ein Bezug der philosophischen Texte hingegen nur in beschränkter Weise. Die Gründe habe ich dafür bereits angeführt. Beurteilen ließe sich nur ein möglicher Bezug. <br />
Doch eine Beurteilung der logischen Kohärenz eines Textes hat Voraussetzungen, die gar nicht stets gegeben sind. Um philosophieren zu können, sind Kenntnisse von Logik nicht stets erforderlich. Die Vorwürfe ‚Literatur‘, wie sie besonders in übersetzten Texten von analytisch ausgerichteten Philosophen gegenbenüber Vertretern anderer Richtungen geäußert wurden, ob gegenüber deutschen oder französischen Philosophen, fanden in diesem Umstand einen ungeeigneten Anlass. Nicht einmal ‚Fiction‘ wäre als Vorwurf angemessen gewesen, denn nicht nur ist ‚Literatur‘ ein Wort, das, wie erläutert wurde, auch wissenschaftliche und philosophische Texte umfasst, es ist auch aus analytischer Sicht möglich, sich auf Fiktionales, auf empirisch oder logisch Mögliches zu beziehen. Sogar in der Physik spielt es eine nicht unrelevante Rolle: die Annahme einer sogenannten dunklen Materie (dark matter) bietet nicht mehr als eine logische Möglichkeit; alternativ wäre das physikalische Standardmodell anzupassen.<br />
Inzwischen ist in der akademisch betriebenen Philosophie eine Aversion gegen alles entstanden, was auch nur entfernt außerwissenschaftliche ‚Literatur‘ assoziieren ließe. Die unzitierbaren Leitfäden können einen Eindruck der zeitgenössischen Scholastik vermitteln, deren Fundamente in einer beherzt angegangenen Bürokratie und jener älteren Polemik liegen könnten, die beide relativ sachfremd geblieben sind. <br />
<br />
Die Forschungsgemeinde ist alles andere als homogen. Bestenfalls ließen sich Gruppen unterschiedlicher Größe ausmachen, die mit unterscheidbaren Methoden und Kriterien arbeiten, auch sprachlich different vorgehen. Soziale Faktoren zu berücksichtigen, wäre aussichtslos, allenfalls innerhalb von Gruppierungen hilfreich, wie in jedem anderen Job auch. Doch die Konzeptionierung einer beliebigen Standesordnung interessiert mich nicht.<br />
Die hervorgehobene Heterogenität betrifft nicht nur relativ grundlegende Ausrichtungen. Auch innerhalb der jeweiligen Forschungsrichtungen wird unterschiedlich vorgegangen. Ich z.B. verwarf aus sprachlichen Gründen Worte ‚Wahrheit‘, weil sie meines Erachtens nichts Relevantes beitragen können (vgl. Pege, K., 2015 (eBook)). Innerhalb der Forschung bezogen sie sich, wie Puntel im Kontext von modernen Wahrheitstheorien erläuterte (vgl. Puntel, L.B., 1978), entweder auf Bezüge oder auf logische Kohärenz. Da ich mich nicht entscheiden wollte und konnte, Puntel gab logischer Kohärenz den Vorzug, eines der für mich grundlegenden Kriterien zu präferieren, beließ ich es bei den Kriterien und entledigte mich der Wahrheit, die mir überflüssig erschien. ‚Wahrheit‘, so lässt sich vermuten, ist überhaupt kein wissenschaftliches oder philosophisches Wort, lediglich eine umgangssprachliche Verlautung.<br />
Sprachlich für einen Essay relevant wäre aber eine Frage nach Angemessenheit, und weil eine soziale nicht in Betracht kommen kann, somit keine kommunikative, bliebe nur eine sprachliche übrig. Mit dieser Differenzierung, die Sprache, ihre innere Struktur und möglichen Bezüge ins Zentrum rückt, entfällt die alte Unterteilung in ‚subjektiv‘ und ‚objektiv‘. Sie ist unerheblich. Anhand des Beispiels ‚Wahrheit‘ lässt sich eine Frage nach Angemessenheit erläutern: Konkrete sprachliche Kriterien zu haben, die sich mit dem lautlichen Monismus nicht vereinbaren lassen, ist der zentrale logische Grund, ein weiterer betrifft den Bezug: Bliebe es unmöglich, zu erfahren, worüber Puntel geschrieben hat, ließen sich keine möglichen Bezüge ermitteln, wäre die logische Kohärenz seines Textes nicht beurteilbar. Sein eigenes Wahrheitskriterium wäre außer Kraft gesetzt.<br />
Ein anderes Beispiel lässt sich mit der Formulierung ‚dunkle Materie‘ (dark matter) anführen, einem prosaischen Bild. Die beschriebene Dunkelheit bezieht sich nicht auf eine Eigenschaft der Materie, sondern auf die mangelnde Erkennbarkeit. Ohne eine Projektion hätte es vermutlich nicht zu diesem Ausdruck kommen können. Es ist unsicher, ob es die Materie überhaupt gibt. Aber die Annahme ihrer Existenz hilft, das beobachtbare Universum zu erläutern, ohne das Standardmodell ändern zu müssen. Soviel Fantasie traut man Naturwissenschaftlern i.d.R. gar nicht zu. Leider wird nicht selten unterschlagen, dass es sich bloß um eine logisch mögliche Existenz handelt, von was auch immer, nicht mehr. Ebenso ließe sich von einer Krise der Physik sprechen, die seit den Dreißiger Jahren des 20. Jhds. andauert, weil das Standardmodell die erlangten Daten nicht erläutern kann. <br />
Ein drittes Beispiel ließe sich mit ‚Kultur‘ anführen, nach meiner Ansicht reicht das zuvor Geäußerte jedoch im vorliegenden Kontext aus. Auch möchte ich nicht in eine umfänglicher zu gestaltende Diskussion über die jeweiligen Sachbereiche abgleiten. Ich habe das Schreiben von Essays thematisiert, nicht eine zu verfassende Enzyklopädie über die Merkwürdigkeiten in der Forschung. <br />
<br />
Handlungsanweisungen, Normen zu geben, wie dies in der bürokratischen Scholastik üblich geworden ist, ohne sie wissenschaftlich oder philosophisch zu thematisieren, untergräbt den akademischen Tätigkeitsbereich, wäre typisch für Berufsausbildungen. Doch Weiterentwicklungen und Neues, soweit man diesen eine wissenschaftliche und eine philosophische Relevanz gibt, kommen ohne eingeräumte Autonomie nicht aus. Deshalb könnte eine zu erlangende Autonomie, menschlich als auch in Hinblick auf ein Verfassen von Essays, kaum genug Gewicht beigemessen werden. Eventuell ist die gegebene Perspektive nicht bolognakonform, aber es handelt sich um die einzige, die ich unter Berücksichtigung der angesprochen Tätigkeiten und ohne einer etwaigen Folter zu erliegen äußern kann.<br />
<br />
<br />
<u>Literatur:</u><br />
<br />
Pege, K., 2015 (eBook), Eine Theorie des selektiven Bezugs, Duisburg.<br />
Puntel, L.B., 1978, Wahrheitstheorien in der Neueren Philosophie, Darmstadt.Kai Pegehttp://www.blogger.com/profile/01301353386075423130noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7694804991996063925.post-17999799225172769662015-10-04T04:43:00.001-07:002015-10-04T04:43:10.774-07:00Das Sprachanalytische Forum: ein Video<iframe allowfullscreen="" frameborder="0" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/zy5qRpQK7Gs" width="560"></iframe>
Der AutorenVerlag Matern, bei dem auch ich publiziere, hat eine Erläuterung von Engine Hedda über das Sprachanalytische Forum online gestellt … Den gesamten Kanal des Verlags gibt es hier: https://www.youtube.com/channel/UChH00p7Sb4PqhFohMMSdmTQ/videosKai Pegehttp://www.blogger.com/profile/01301353386075423130noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7694804991996063925.post-68947311741628787192015-09-03T12:06:00.000-07:002016-12-29T06:48:05.356-08:00Über die Relevanz von Sprache in der politischen Philosophie[Der Beitrag entstand für <a href="http://blogs.philosophie.ch/politische-philosophie/2015/08/26/sprache/" target="_blank">philosophie.ch</a>.]<br />
<br />
Wendet man sich als Philosoph an ein nicht-fachliches Publikum, gerät
man umgehend in Schwierigkeiten, auch dann, wenn über praktische Themen
gesprochen wird. Das Problem beginnt mit der Sprache. Setzt man Worte
bzw. Begriffe voraus, gleichgültig ob z.B. ‚Gerechtigkeit‘ oder
‚Kultur‘, kann man davon ausgehen, dass sie von Lesern umgangssprachlich
aufgefasst werden. Eine solche Interpretation, die zumeist spontan und
mangels zugänglicher Alternativen wie selbstverständlich erfolgt, birgt
jedoch Gefahren: umgangssprachliche Fassungen könnten philosophisch
völlig unerheblich sein. Sogar fachintern kann es zu Missverständnissen
kommen: die Bandbreite an Differenzen ist schier unermesslich, sogar im
Hinblick auf eine konkrete Relevanz von Sprache.<br />
<br />
Fragt man, warum Sprache philosophisch, aber auch wissenschaftlich
zentral sein kann, lassen sich sprachliche Bezüge angeben: erst durch
zuerkannte Bezüge wird deutlich, worüber überhaupt gesprochen wird,
Hypothesen formuliert, Theorien entwickelt werden. Über dieses Problem
täuscht die Umgangssprache und ihre selbstverständliche Nutzung hinweg.
Im Alltag ließe sich hingegen auf die Umgangssprache nicht verzichten,
auch nicht von einem Philosophen. Ein Streit zwischen einem Philosophen
und einer Kassiererin darüber, was ausgesucht wurde, wäre wenig
hilfreich, könnte sogar zu Ausschreitungen wartender Kunden führen. In
der Philosophie ist die Sachlage eine andere. In einem Geschäft liegt
die Ware, der Gegenstand vor, der relevant ist. Es ist eindeutig, worum
es geht, gleichgültig wie man sprachlich interpretiert. Doch worüber
jemand spricht, wenn nichts als Formulierungen vorliegen, kann
zweifelhaft sein und bleiben.<br />
<br />
Bezüge können in Konkurrenz zu sprachlichen Bedeutungen geraten, wenn
sie nicht als Erläuterungen von Bezügen dienen. Sogar Definitionen sind
keineswegs stets tauglich, klären zu helfen, ob überhaupt über etwas
gesprochen wird. Dennoch wäre man nicht darauf angewiesen, sich auf
einen Empirismus zu beschränken: Bezüge lassen sich nicht nur auf
Empirisches, auch auf empirisch Mögliches oder logisch Mögliches
zuerkennen. Eine Science Fiction, die auf narrative Züge verzichtet,
wäre, um ein Beispiel anzuführen, nicht ausgeschlossen.<br />
<br />
Hier behandeln möchte ich jedoch einen anderen Fall: Worte ‚Kultur‘.
Ich spreche von Worten, weil es sehr viele davon gibt, mit
unterschiedlichen Bedeutungen und Bezügen, zumindest mit thesenhaften.
Nicht nur ist die Historie seit den alten Lateinern mit Worten Kultur
angefüllt, auch dort, wo das Latein zumindest oberflächlich weiter
gepflegt wurde. Inzwischen wird so gut wie alles, was gesellschaftlich
hervorgehoben werden soll, im deutschsprachigen Raum als Kultur
ausgeben. Speziell für die alten Lateiner waren ihre Äcker Kultur, und
diese erforderten ein religiöses Handeln, damit die angebauten Pflanzen
gedeihen konnten. Metaphorisch bezog man sich seit Cicero auch auf einen
besonderen Bildungsumfang der Eliten. Aus dem alten Griechenland ist
hingegen keine Kultur übermittelt, auch kein Wort, das dem lateinischen
ähnlich wäre. Um den alten Griechen Kultur zuschreiben zu können, wäre
zu projezieren, doch warum sollte man so etwas tun? Bereits der einfach
historische Vergleich kann in Frage stellen, ob es eine Sache Kultur
gibt, nicht lediglich regional geprägte Worte – und seit einigen
Jahrhunderten viel Geplapper, fachlich als auch umgangssprachlich.<br />
<br />
Da es mir im Rahmen dieses Beitrags nicht möglich ist, Worte ‚Kultur‘
historisch zu behandeln, besonders Samuel Pufendorfs Fassung, die im
Kontext von Hobbes’ Naturrechtslehre und unter dem Eindruck des
30jährigen Krieges entstand, wäre als eine entscheidende historische
Veränderung zu erörtern, möchte ich mich auf die aktuelle Umgangssprache
richten: Kultur steht, wie der redaktionell betreute DUDEN erörtert,
als von Menschen Gemachtes einer (mehr oder weniger unberührten) Natur
gegenüber. Eine solche Gegenüberstellung von Kultur und Natur ist aus
logischer Sicht jedoch nicht möglich. Kultur hätte, wenn sie nicht
natürlich wäre, etwas Metaphysisches zu sein, was durchaus nicht haltbar
wäre. Umgangssprachlich misslingt nicht nur ein Bezug auf Kultur,
sondern auch auf Natur. Eine zentrale Grundlage unserer Zivilisation
gerät aus sprachlichen Gründen in Zweifel.Kai Pegehttp://www.blogger.com/profile/01301353386075423130noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7694804991996063925.post-70628081188510430662015-03-15T12:01:00.000-07:002016-01-14T11:31:21.762-08:00Eine Theorie des selektiven Bezugs, Kap. 1 (1.1-1.5)<span style="font-weight: normal;">[Anbei</span> ist das erste Kapitel (1.1-1.5) von "Eine Theorie des selektiven Bezugs" zu finden, in dem es um einen geeigneten Einstieg in das Thema sprachliche Bezüge geht. Primär dient das erste Kapitel der Abgrenzung von Zeichen Symbolen und Namen, um einen Zugang zu Sprache zu erhalten. Ebenso erfährt die Frage nach Angemessenheit eine besondere Berücksichtigung. - Ein nicht geringes Gewicht hat in dem Essay die Auseinandersetzung mit Positionen von Tarski, Quine, Kripke, Putnam. Im weiteren Verlauf werden Fragen nach Wahrheit und Bezug, Bedeutung und Bezug als auch Bezug und Verhalten thematisiert. Selektive Bezüge werden möglich, weil Bezüge, kurz gefasst, nicht einfach gegeben sind, auch nicht in sprachlichen Kontexten. Das Buch ist am 29. Mai 2015 erschienen.]<br />
<h4>
</h4>
<h4>
(1.1) Zeichen, Symbole und Worte</h4>
<h3>
</h3>
<br />
Zu voreilig wird ein allgemeiner Ansatz betrieben, zeichen-, symbol- als auch sprachtheoretisch, als ließen sich Vorkommnisse von Zeichen (de Saussure, Peirce), Symbolen (Goodman) und von Worten einer Sprache alle in gleicher Weise erfassen und behandeln. Es mag sein, dass man sich ernsthaft darum bemüht, all die fraglichen Fälle zu berücksichtigen, doch finden sich gerade deshalb erstaunliche Kuriositäten, die in das jeweilige Konzept nicht passen. Deshalb vollziehe ich zu Beginn eine Differenzierung zwischen Zeichen (bzw. Symbolen) und Worten, um mich im weiteren Verlauf der theoretischen Studie auf Worte und Sprache zu konzentieren.<br />
<br />
Ich greife ein zeichen- bzw. symboltheoretisches Beispiel auf, das die Schwierigkeit erläutern lässt, der man sich durch ein unangemessenes allgemeines Vorgehen aussetzt: Eine ausgearbeitete Komposition, worauf könnte sie sich beziehen? <br />
Notengrafiken haben durchaus Bedeutungen, sonst wären sie nicht von Musikern und Interessierten lesbar, doch was bezeichnen, symbolisieren sie, oder worauf beziehen sie sich? Faktisch handelt es sich um Anweisungen, die zudem der Interpretation, einer Lesart bedürfen. Würde man - wie Goodman dies z.B. tat - eine ideale Aufführung als Symbolisiertes ausgeben, ließe man die einzubringende Lesart außer Acht, Helge Bol hat darauf hingewiesen (vgl. Bol. Helge, 2014). Und Notenschriften sind keineswegs derart präzise, dass ein Ideal einbeziehbar wäre. Lediglich eine romantische Fassung von Kompositionen kann dem Wunsch nach einem Ideal, jedoch nur im Hinblick auf eine Bedeutung, nachkommen (vgl. ebd.). Sogar wenn Notenschriften so präzise wären wie z.B. Anweisungen, Algorithmen für Computer, auch dann ließe sich fragen, ob ein Bezeichnetes, Symbolisiertes oder ein Bezug auf etwas überhaupt relevant wäre. Es würde nach meinem Ermessen vollkommen ausreichen, dass die Maschine die Bedeutungen der Anweisungen interpretieren und ausführen kann, ohne einen Bezug zu berücksichtigen. <br />
<br />
Nicht anders lassen sich mathematische und logische Zeichen fassen. Auch diese haben Bedeutungen, Bezüge sind jedoch nicht erforderlich. Erst wenn man z.B. eine vergleichsweise platonische Metaphysik generieren würde, ließen sich auch Bezüge veranschlagen, auf metaphysische Entitäten. Um jedoch verstehen zu können, um was es bei den Zeichen und ihren relationalen Zusammenhängen geht, kann auf eine Metaphysik leicht verzichtet werden. Durch eine Maßgabe, auch ein Bezeichnetes haben zu müssen, etwas, auf das Bezug genommen wird, ließe sich zwar die Motivation begreiflich machen, als Grund könnte sie jedoch nicht dienen, um die Annahme von Bezeichnetem zu rechtfertigen. Es gäbe freilich viele andere Möglichkeiten für eine Motivation, Metaphysik zu betreiben, sogar eine erwägbare Schönheit, doch dies ist nicht mein Thema.<br />
<br />
Ebenfalls wäre es überflüssig, Straßenschildern Bezüge zukommen zu lassen, die Anweisungen geben. Ein Stoppschild weist seiner Bedeutung nach lediglich darauf hin, dass anzuhalten sei, nicht auf ein ideales Vorgehen derjenigen, denen das Schild zugewandt ist. Die Anweisung verstehen zu können, reicht aus, auch wenn man diese unberücksichtigt lässt. In diesem Zusammenhang lässt sich aber auf allgemeinverständliche Weise ein weiter Fall integrieren, durch den nicht Anweisungen gegeben, sondern Möglichkeiten offeriert werden: Ein als Parkplatz ausgewiesener Bereich bietet Abstellmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge. Wird der fragliche Bereich eventuell durch das Schild bezeichnet, hat das Schild einen Bezug? Um diese Frage beantworten zu können, ist ein wichtiger Unterschied zu beachten:<br />
Es ist nicht das Schild, das den Bereich abgrenzt, sondern die bauliche Gestaltung des Terrains. Auf was sich das Schild beziehen könnte, ist von dieser Gestaltung abhängig, nicht von der erläuterbaren Bedeutung des Schildes. Diese Bedeutung eröffnet nicht mehr als eine Verhaltensmöglichkeit, ohne auch nur einen Hinweis auf einen Bezug zu enthalten. - Diese Komplexität lässt einen Seitenblick auf Sprache zu: Der Ausruf „Parkplatz!“ eines Beifahres sagt dem Fahrer eventuell wenig, provoziert unter Umständen die Rückfrage: „Wo?“ Auch sprachlich wäre ein Zusammenhang zu berücksichtigen; sprachlich ließe sich, dies macht den entscheidenden Unterschied aus, der Weg zum als auch die Gestalt und der Umfang des Bereichs beschreiben. Eventuell ist innerstädtisch sogar relevant, wie groß die aktuelle Freifläche für den PKW ist bzw. sein könnte. - Das Schild bezieht sich hingegen nicht, sondern bietet pauschal eine Verhaltensmöglichkeit, mehr nicht.<br />
<br />
Ein weiterer Fall betrifft Etiketten. Solche sind in der Regel relevanten Gegenständen und Produkten direkt angeheftet, z.B. in Supermärkten. Ein Anheftungsvorgang ließe sich vielleicht am ehesten als Bezeichnung anführen, doch ob auch ein Bezug möglich sein kann, ist separat zu klären. Wenn ein Schild, das ein Parken ermöglicht, keine Informationen darüber enthält, auf was es sich beziehen könnte, ein Bezug unrelevant wird, vielleicht werden Anheftungsvorgänge lediglich vollzogen, um eine Eingrenzung des Geltungsbereichs zu ermöglichen. Etiketten enthalten zwar Angaben, vielleicht sogar in sprachlicher Form, aber keine Informationen über den Geltungsbereich, allenfalls abstrakt durch eine Information über die Füllmenge. Auf was sich die sprachliche Angabe einer Füllmenge aber bezieht, bleibt offen. Anheftungsvorgänge sind zusätzliche praktische Maßnahmen, ähnlich wie die bauliche Gestaltung eines Parkplatzes, die den Etiketten den Geltungsbereich zuweisen. Die Etiketten geben, um Bezug haben zu können, zu wenig preis. <br />
<br />
Und wie sieht es mit Abbildungen aus, z.B. künstlerischen, unter der Voraussetzung, dass eine solche Relation im Einzelfall überhaupt relevant ist? Das Problem beginnt bereits mit diesem Begriff. Etwas abzubilden beschreibt bereits eine Relation, eine, die sprachlich nicht, oder, berücksichtigt man konkrete Poesie, kaum vollzogen werden kann. Es ließe sich bestenfalls eine Metapher ‚Bezug‘ einbringen. Diese wird möglich, weil Zeichnungen, Fotografien und Gemälde einen Detailreichtum enthalten können, oder durch Reduktion eine Bedeutung einbringen, wie dies mit Sprache gleichfalls möglich ist, nur auf eine andere Art und Weise. <br />
<br />
Schließlich sei eine Metapher angeführt, die ich in einem anderen Kontext analysiert habe (vgl. Pege, Kai, 2014, S. 15 ff.) und die häufig in sprachlichen Zusammenhängen auftaucht: ‚Darstellung‘. Ein Theaterstück kann dargestellt werden, oder ein Dokumentarfilm stellt die Veränderung eines Terrains dar, z.B. die Entwicklung des Dortmunder Phoenix-Sees. Sprachlich lässt sich eine Theorie erläutern, am besten mit Bezug. ‚Darstellung‘ träfe den Sachverhalt hingegen nur indirekt. Auch ‚Darstellung‘ ist wie ‚Abbildung‘ bereits ein relationaler Begriff, der aus anderen Bereichen kommt und dort angemessener aufgehoben ist.<br />
<br />
Die gegebenen Erläuterungen, dies war mir besonders wichtig, verzichten darauf, Symbole und Zeichen durch eine sprachliche Vorentscheidung zu interpretieren. Legt man von Beginn an Sprache hinein, lassen sich Symbole und Zeichen nur missverstehen. Fraglos könnten z.B. Ausrufe wie „Parkplatz!“ mit einem Schild verglichen werden, doch Sprache vermag mehr, kann einen Bezug durch Präzisierung entstehen lassen. Eventuell würde praktisch auch ein Fingerzeig genügen, ein außersprachlicher Vorgang, doch dieses Umgangsverhalten änderte an den sprachlichen Möglichkeiten nichts, die Schildern und Etiketten in dieser Weise nicht zukommen.<br />
Gleichfalls habe ich es vermieden, Sprache lediglich aus symbol- oder zeichenähnlichen Worten bestehen zu lassen. Mit einzelnen Worten kann niemand etwas anfangen, es sei denn innerhalb konkreter praktischer Zusammenhänge und dies auch nur im Kontext eines relativ umfangreichen Wortschatzes. Sprache aber kann, dies macht den zentralen Unterschied zu Zeichen und Symbolen aus, Bezüge haben, über etwas Auskunft geben, und dies ohne weitere Hilfsmaßnahmen.<br />
<br />
<br />
Literatur<br />
<br />
*Bol, Helge, 2014, Ein pragmatischer Beginn, in: Diabolus, Essays über Künste, hg. v. K. Talmi, Duisburg (eBook, ePub).<br />
*Pege, Kai, 2014, Analytische Philosophie? in: Analytische Philosophie?, hg. v. K. Pege, Duisburg, S.9-49 (eBook, PDF).<br />
<br />
-----------------------<br />
<br />
<h4>
(1.2) Wie voneinander abgrenzen? </h4>
<br />
Den Anreiz zu differenzieren, hoffe ich gegeben zu haben, unklar blieb bislang jedoch, ob und gegebenfalls wie Worte von Zeichen (bzw. Symbolen) systematisch abgrenzbar sind.<br />
Goodmans Symboltheorie lasse ich im Fortgang unberücksichtigt, weil sie in vielerlei Hinsicht einen Sonderfall darstellt, der eventuell in einem Kontext über Künste interessieren könnte, doch sogar in diesem Zusammenhang separat zu erörtern wäre: Einige grundsätzliche Schwierigkeiten und Fragen habe ich in einem solchen Kontext formuliert (vgl. Pege, Kai, 2014 (2)), auf eine dezidierte Erörterung jedoch verzichtet.<br />
Als weiteres Problem kann hinzukommen, dass Zeichen, ob als Piktogramme oder abstrakte mathematisch logische Gebilde, sprachlich artikulierbare Bedeutungen haben, historisch aller Wahrscheinlichkeit nach aus einem Sprachverhalten entstanden sind, wie formalisierte Abkürzungen wirken können, als formale Zeichen jedoch der Sprache entzogen sind.<br />
Emoticons, um noch ein Beispiel zu integrieren, werden zwar innerhalb der Umgangssprache eingesetzt, sie haben Bedeutungen, die sich als emotionale Ausdrücke spezifizieren lassen könnten, verzichtete man darauf, Ausdruck zeichentheoretisch als Extension bzw. Bezug zu fassen, aber keinen Bezug. Ein Emoticon lässt nicht erkennen, weshalb es gesetzt wurde. Ohne sprachliche Erläuterung, die eventuell für sich schon ausreichen würde, den Zustand mitzuteilen, hinge ein Emoticon gleichsam in der Luft oder fungierte lediglich als außersprachlicher Gestenersatz.<br />
<br />
Ob und worauf sich sprachliche Äußerungen beziehen, ist abhängig von den Bedeutungen, nicht nur der Worte, sondern des jeweiligen sprachlichen Zusammenhangs. Diese Komplexität im Hinblick auf eine Ein- und Abgrenzung entfällt in der Regel bei Zeichen. Im Fall mathematisch logischer Zeichen gibt es zwar funktionale Differenzierungen und Abhängkeiten, jedoch nicht im Hinblick auf einen Bezug, lediglich auf die nutzbaren bzw. vorliegenden Zeichenfunktionen. Ähnlich, wenn auch weniger abstrakt und viel loser gebunden, geht es bei Straßenschildern zu. Die Farbgestaltung ist z.B. nach Gefahren-, Verbots- und Gebotsschildern sortiert, doch auch bei ihnen spielt Bezug keine erkennbare Rolle, im Vordergrund stehen ebenfalls Funktionen, keine mathematisch logischen, sondern solche eines Verhaltens, die durch die Bedeutungen übermittelt werden. Um den Geltungsbereich - nicht den Bezugsumfang - solcher Schilder einschätzen zu können, ist man jedoch auf zusätzliche Informationen angewiesen, die z.B. durch bauliche Gestaltungen gegeben werden.<br />
<br />
Doch auch bei sprachlichen Äußerungen kann eine Frage nach Bezügen berechtigt, eventuell offen bleiben oder bestritten werden. Im Umgang können außersprachliche Faktoren, sowohl hinsichtlich des Verhaltens als auch der Umstände behilflich und entlastend sein.<br />
Relativ hilflos kann man gegenüber Eigennamen bleiben, nicht nur sobald man Telefon- und Adressverzeichnisse oder das Internet einbezieht. Entwicklungen, ob landschaftlich historische, menschliche, tierische, oder Differenzierungen nach Tageszeit (Abend-, Morgenstern) erschwerten in der philosophischen Literatur einen Umgang. Kripe unternahm die Anstrengung, nach Bezügen, nach sogenannten ‚Referenten‘ Ausschau zu halten, um letztlich in einer Namensgebung (Taufe) als dem jeweiligen individuellen Beginn zu landen (vgl. z.B. Kripke, Saul, 2014, S.112), dem Beginn von Kausalketten, die sich aufgrund von Weitergaben eines Namens ergibt. Doch ließen sich Eigenschaftsänderungen bei Sachen und Individuen berücksichtigen? Wäre ein Kleinkind, das einen Namen zugesprochen bekommt, noch dasselbe Lebewesen in späteren Jahren? Wäre man darauf angewiesen, eine abstrakte Entität auszuweisen, die über die Zeit identisch bleibt? Das Modell gibt erstaunlicherweise keine Auskunft. Es ließe sich in Bezug auf Individuen aber eine Ereignisreihe (Lebenslauf) bilden, eine solche Vorgehensweise ist in der Praxis durchaus nicht unüblich, wenn z.B. auf verschiedene Schaffensphasen eines Philosophen Bezug genommen wird. Doch dann wird der Name als solcher relativ unrelevant: er reicht bei weitem nicht aus! Von einem frühen Wittgenstein ist z.B. die Rede, von einem späten.<br />
<br />
Fragen lässt sich, was eine Namensgebung (Taufe) mit einem Bezug des Namens zu tun hat. Ein solcher Akt, der eventuell einer Anheftung ähnlich ist, sagt noch gar nichts über einen Bezug aus, auch wenn ein Name durch soziale Umfelder weitergereicht wird. Innerhalb von sozialen Umfeldern handelt es sich zunächst nicht um Eigennamen, sondern um erteilte Rufnamen, die es ermöglichen können, ein Individuum anzusprechen, bei Menschen und Haustieren übrigens in ähnlicher Weise. Dass ein Hund bei der menschlichen Äußerung „Fritz“ aufhorcht, bemerkt, dass er gemeint ist, obgleich er die menschliche Sprache nicht versteht noch spricht, sich also angesprochen fühlt, weil man ihn zuvor über einen Zeitraum auf diesen Lautkomplex konditioniert hat, kann deutlich machen, dass ein praktisch angemessenes Verhalten auch ohne relevante konkrete Sprachkenntnisse möglich ist. Ein Angesprochenwerden und ein Ansprechen von Individuen überfordert Hunde keineswegs. Es handelt sich um rudimentäres Verhalten, das noch gar nichts mit Sprache zu tun haben muss und sich auch deutlich von der menschlichen Sprache abhebt: „Hund“, solange dieser Ausdruck nicht als Rufname etabliert wird, kann, je nach Kontext, ein allgemeines oder konkretes Wort sein. Rufnamen hingegen stehen ausschließlich mit Individuen in Verbindung. Wenn in einer Spielstraße z.B. „Peter“ oder „Mohammed“ erschallt, kann dieser Vorgang zu Verwirrung führen, weil solche Namen in Deutschland nicht selten sind. Quine hat von ‚singulären Termini‘ gesprochen (vgl. Quine, Willard v. Orman, 1974, S. 262); ich bleibe bei ‚Namen‘, halte aber eine Differenzierung von Ruf- und Eigennamen für empirisch relevant. In diesem Essay bezieht sich ‚Rufnamen‘ auf Lautkomplexe oder Buchstabenfolgen, die es ermöglichen, Individuen anzusprechen und Bedingung für eine Konditionierung sind. ‚Eigennamen‘ sind hingegen das Resultat einer solchen Konditionierung, vielleicht nicht unähnlich einem Brandzeichen, sähe man davon ab, dass solche Zeichen primär massenhaft vergebene Eigentumsmarken anderer sind. Namen müssen sich erst einprägen, bevor sie Eigennamen werden können, für das jeweilige Individuum wie auch für andere, die einem Individuum einen Eigennamen zuerkennen.<br />
Dass Namen Bezug haben, zumindest in den meisten Fällen, wird von Kripke vorausgesetzt, obgleich er etwas kokett fragt, ob überhaupt referiert wird (vgl. Kripke, Saul A., 2014., S.38/39). Kripke erhöht sogar die Namensgebung und Weiterreichung, indem der vergebene Eigenname als starrer Bezeichnungsausdruck (‚regider Designator‘) in allen möglichen Welten Geltung habe (vgl. ebd., S.59). Doch eine Namensgebung ist ein empirischer Vorgang, der durch ein Belieben der Namensgeber geprägt wird und durchaus unterschiedlichen Konventionen und Moden unterworfen sein kann. Nicht Bezug, sondern soziale Geltung scheint mir der relevante Begriff im Hinblick auf Namen zu sein, und zwar in mehrfacher Hinsicht: für diejenigen, die Namen als Rufnamen nutzen und auch als Eigennamen anderer anerkennen, ebenso für die Angesprochenen und die mit oder gar unter einem Namen Agierenden.<br />
<br />
Eine Diskussion von Eigennamen verführt dazu, sich auf bekannte Namen zu konzentrieren und eine Gewichtung hineinzulegen, die ihnen gesellschaftlich zukommt. In der Literatur ist z.B. von Aristoteles und Gödel (wie bei Kripke) die Rede, von Beethoven und von Goethe. Wie würden jedoch Fälle zu interpretieren sein, die gesellschaftlich weniger auffällig und im Hinblick auf das Leben von Individuen relativ ereignislos geblieben sind? Möglicherweise ließen sich Weitergaben von Namen verwechseln?<br />
Zu solchen Fällen könnten gesellschaftlich bedingte Namenswechsel gehören: Übernimmt ein Ehepartner bei der Heirat den Namen des anderen, wie dies bei Frauen lange Zeit üblich war, würde sich die Frage nach einem ‚regiden Designator‘ kaum stellen, der über Zeiten und Welten gleich bliebe, es sei denn in satirischer Weise. Vorkommnisse können sogar noch vielfältiger ausfallen, wenn nicht nur zu verschiedene Lebensabschnitten eines Menschen verschiedene Eigennamen treten, sondern auch verschiedene Funktionen einen solchen Eigennamen erhalten. Pseudonyme werden in der Regel in dieser Weise gebraucht, ob unter Schriftstellern, Musikern oder … Die umgangssprachliche Phrase ‚Pseudo-‘ deutet eine gesellschaftlich ideologische Abhängigkeit in Bezug auf Namen an, die primär eine praktisch orientierte ist, in der es um eine, umgangssprachlich formuliert, Identifizierbarkeit von Menschen geht, was immer auch amtlich oder auf der Straße darunter konkret verstanden wird.<br />
Eine Konzentration auf bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens hilft nicht weiter, wenn es darum geht, Namen und ihre Verwendung zu erläutern, weil der Bezugsrahmen viel zu klein wäre. Ohne die gesellschaftlichen Vorgänge zu berücksichtigen, die alltäglich sind, blieben die Ansätze eventuell hübsch und nett, doch vor allem unrelevant.<br />
<br />
Ich halte es für aussichtlos, Ruf- und Eigennamen in allgemeiner Weise sprachliche Bedeutungen und Bezüge zukommen zu lassen. Man könnte über gesellschaftliche Relevanz und Bekannheit sprechen, der Namen als auch der assoziierten Personen oder Sachen, doch als Bezug würde ich diese möglichen Assoziationen und deren gesellschaftliche Vielheit nicht ausgeben wollen. Eine Frage nach Namen ist nach meinem Ermessen überhaupt keine sprachtheoretische, sondern eine soziologische und psychologische, die z.B. statistisch aufzubereiten wären.<br />
Mir persönlich, dies sei eingestanden, bedeutet ‚Kai Pege‘ bezugsrelevant nichts. Mir kann lediglich deutlich werden, dass ich innerhalb eines konkreten Umfelds angesprochen werde, nicht ein anderer Mensch. Diese differenzierte Ansprechmöglichkeit, vergleichbar mit einem Stupser, ist jedoch primär einem Verhalten zuzuordnen, nicht Sprachlichem.<br />
<br />
Mit dem Ausscheiden von Symbolen, Zeichen und Namen als bezugsrelevante Parameter gewinnt die Sprache hinzu. Der praktische Nutzen, eventuell ein poetischer, der allerdings separat zu erläutern wäre, ebenso der theoretische im Fall mathematisch logischer Zeichen, schmälert sich dadurch nicht. Im Hinblick auf sprachliche Bezüge sind Symbole, Zeichen und Namen in der Regel ohne Relevanz.<br />
<br />
<br />
Literatur<br />
<br />
*Kripke, Saul A., 2014, Name und Notwendigkeit, Frankfurt a.M.<br />
*Pege, Kai, 2014 (2), Über Kunst oder Künste, in: Diabolus. Essays über Künste, hg. v. Kathrina Talmi, Duisburg (eBook, ePub). <br />
*Quine, Willard v. Orman, 1974, Grundzüge der Logik, Frankfurt a.M.<br />
<br />
------------------<br />
<br />
<h4>
(1.3) Definite Beschreibungen und Bezüge</h4>
Namensgebungen unter Menschen, obgleich sie in kleinen Rahmen gesellschaftliche Ereignisse sind, auch soziologisch untersucht werden können, entziehen sich der gesellschaftlichen Sprache. Gerade weil Namensgebungen im Hinblick auf Menschen überwiegend private Angelegenheiten sind, auch wenn gesellschaftliche Ansprüche und Moden eine gewichtige Rolle spielen, sind sie sprachlich ohne Relevanz. <br />
<br />
Dieses Engagement bei Namengebungen kann erläutern helfen, weshalb es schwierig sein kann, Eigennamen gesellschaftlich durchzusetzen, ihnen Geltung zu verschaffen: besonders in religiösen, politischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen. Es bedarf Kampagnen oder breiter medialer Unterstützung, damit einige Namen in aller Munde landen, ebenso das, womit sie jeweils assoziativ verbunden sein sollen. Sprache ist ein gesellschaftliches Unterfangen. Die Eigennamen fließen durch ein solches Engagement in die Sprache ein, obgleich sie nicht dazugehören. <br />
Vielen Eigennamen ist jedoch eine Abkunft aus der Sprache anzumerken, weil sie, historisch weit zurückliegend, aus beruflichen oder örtlichen Zusammenhängen entstanden sind: ‚Müller‘ z.B., oder ‚von der Mühlen‘. Diese jedoch in einen Zusammenhang mit Individuen zu stellen, waren lokale Hilfskonstrukte, die, je weiter die Zeit und Weitergabe fortschreitete, waghalsiger, durch ein Zusammenwachsen von Orten, Regionen und durch die Verfielfältigung bei der Weitergabe nichtssagender wurden.<br />
<br />
Einen weiteren Schritt auf der Suche, was sprachlicher Bezug bedeuten könnte, komme ich vielleicht mit Formulierungen, die aus der philosophischen Tradition als sogenannte Kennzeichnungen bekannt sind, Beschreibungen, die unbestimmt (einer, eine, ein …) oder bestimmt (der, die, das …) sein können: als Beispiele führt Russel u.a. „the present King of France “ an (vgl. Russel, 1905, S.479) und fügt hinzu, dass eine solche Phrase erst eine Bedeutung durch den Kontext erhält (vgl. ebd., S.480). <br />
Eine definite Beschreibung, auch wenn sie einem Individuum zugeordnet ist, lässt sich nicht leichter als ein Eigenname wie z.B. ‚Peter Müller‘ erfassen, doch sie enthält Worte, die zumindest einen Beginn ermöglichen können. Zwar ließe sich auch ‚Peter Müller‘ in einen Kontext stellen, der Eigenname würde selber jedoch kaum etwas zur Auffindung einer bezugsrelevanten Bedeutung beitragen können, weil er gesellschaftlich zu weit zurückreicht, zu unspezifisch, zu unauffällig ist und zusätzlich noch zu häufig vorkommt. <br />
Aber es gibt Eigennamen, die als definite Beschreibungen fungieren können, ‚das Ruhrgebiet‘ ist so eine. Doch es fehlt, um die Unvollständigkeit für einen Bezug hervorzuheben, in dieser sprachlichen Form eine Angabe der relevanten Zeit bzw. der Zeitspanne. Auch wird keine Existenz behauptet, noch eine örtliche Orientierung gegeben, noch eine Eigenschaft angeführt. ‚Das Ruhrgebiet‘ könnte, würde man es bei der Formulierung belassen, falls überhaupt, in einem düsteren Mondkrater liegen und von einer Gesellschaft bewohnt sein, die keinen Weg aus dem Krater findet, ja vielleicht von Seiten der dortigen Politiker und Bürger nicht einmal finden möchte. Soviel über einen möglichen Zusammenhang.<br />
Vom Kontext und Umfeld kann allerdings auch abhängen, wie exzessiv oder / und formalisiert man die Ansprüche an eine ein- und abgrenzende Beschreibung betreiben möchte. Sogar im Hinblick auf Eigennamen. Dass z.B. Bertrand Russel lebte, wann und wo, würde im vorliegenden Kontext allenfalls lustig klingen, nicht nur weil er relativ bekannt ist, sondern weil der vorliegende Kontext ein philosophischer ist, kein biografischer.<br />
<br />
Sprachliche Bezüge, ob zur Empirie oder zu empirisch oder logisch mögliche, ja sogar zu empirisch oder logisch unmögliche Welten, allesamt als Bestandteile von Wirklichkeit, sind nicht einfach da, sie müssen erst geschaffen werden. Aus Texten führt kein Fingerzeig hinaus; alles ist sprachlich zu leisten. Ein anfängliches Sprachlernen, das vergleichsweise behavioristisch geschieht, kann, wie Quine hervorhebt, nur demonstrieren, dass ein Kind Gegenstände unterscheidet, jedoch nicht, dass es auch Bezugnahmen versteht (vgl. Quine, Willard v. Orman, 1976, S.119). Quine ist freilich einseitig auf (Natur-)Wissenschaften ausgerichtet. Doch über Gegenstände zu sprechen, ich spreche im vorliegenden Kontext lieber über Sachen und Sachverhalte, ist weitaus komplizierter, als mit Lautfolgen und Fingerzeigen umzugehen. <br />
Bezüge sind entstanden, sobald deutlich geworden ist, worüber gesprochen wird. Dies gilt für die Wissenschaften und die Philosophie ebenso wie für Poetiken. Die Mittel differieren, eine poetisch imaginäre Welt kann sich von einer empirischen unterscheiden, z.B. wenn Worte in ungewöhnlicher Weise genutzt werden; eventuell wird durch den Einsatz von poetischen Mitteln zunächst nur eine Oberfläche erfahrbar, doch dass diese erfahrbar wird, ist Resultat der Sprache. Ein logisches Kalkül kann hingegen ganz in sich ruhen, völlig bezugslos. Erst im Fall einer Integration von mathematisch logischen Verfahren in einen bezugshaften Kontext, bereits die theoretische Physik nutzt ein solches Vorgehen, werden Aussagen über etwas getroffen, wie z.B. in der allgemeinen Relativitätstheorie. <br />
<br />
Der Weg von definiten Beschreibungen hin zu Kontexten, durch die erst Bezüge entstehen können, lässt die Frage aufwerfen, wie umfangreich diese sein müssen, damit derartiges geschehen kann. Eine Antwort auf die Frage hängt davon ab, was im jeweiligen Fall vorausgesetzt werden kann. Es eröffnet sich ein pragmatisches Problem, das allgemein gar nicht eingrenzbar und lösbar ist. Eine wissenschaftliche Hypothese kann das Wissen eines gesamten Fachs voraussetzen, Quine spricht in diesem Kontext von wissenschaftlichem Holismus (vgl. Quine, Willard v. Orman, 1995, S.18 ff.), doch damit nicht genug, manche Probleme lassen sich nur lösen, wenn man über Fächergrenzen hinausschaut. Dies geschieht ohnehin, doch nicht immer zum Vorteil: Die physikalisch orientierte Modellökonomie ist spätestens im Zuge der weltweiten Finanzkrisen ersichtlich an Grenzen gestoßen. Mit ihr lassen sich die Entwicklungen nicht erklären. Und eine pragmatisch durchaus verständliche Abschwächung der Krisen als Sonderfälle, um zu einer sogenannten Normalität zurückkehren zu können, macht fraglich, ob überhaupt ein Interesse an Wissenschaft besteht. Relevante Kontexte reichen aber noch viel weiter: Wissenschaften, Philosophie und Poetik setzen Sprache und ein sprachliches Differenzierungsvermögen voraus.<br />
<br />
Quine spricht über Gegenstände, weil die Worte der Sprache überwiegend von Gegenständen handeln. Dies ist leicht nachzuvollziehen, berücksichtigt man die Menge an alltäglichen Dingen, mit denen Menschen umgehen und auf die man sich beziehen kann (vgl. Quine, Willard v. Orman, 1980, S. 17 ff.). <br />
Es wäre aber zu kurz gefasst, lediglich alltägliche Dinge wie Schreibtisch und Kühlschrank zu berücksichtigen. Auch Abstaktes wie Zahlen, Attribute und Klassen spielen eine Rolle. Deshalb spricht Quine allgemein von einem Sprechen über Gegenstände (vgl. Quine, Willard v. Orman, 1975, S. 7 ff.).<br />
Von menschlichen Sinnen erfasst werden biologischen Beobachtungen nach jedoch nicht Gegenstände, sondern Qualitäten wie Farben und Klänge (vgl. z.B. Maturana, Humberto R., 1985). Die menschliche Wahrnehmung entsteht erst im Gehirn. <br />
Sprachlich ändert sich dadurch jedoch wenig: dass die menschliche Wahrnehmung von Wahrnehmungsbedingungen abhängig ist, haben bereits Hume und nach ihm auch Kant formuliert. Was außerhalb solcher Bedingungen liegt, ist unzugänglich. Dass zu diesen Bedingungen gehört, neuronal eine äußere Welt in komplexer Weise entstehen zu lassen, ändert zunächst nicht viel, philosophisch betrachtet. Die physiologisch entstehende Innen-Außen-Relation ist ein Produkt des Gehirns, gehört zu den Wahrnehmungsbedingungen. Was außerhalb dieser Bedingungen geschieht, bleibt weiterhin unzugänglich. Doch der biologische als auch neurologische Gewinn ist kaum zu unterschätzen.<br />
Die philosophische Tradition bietet den Grund, weshalb ich eine Formulierung ‚Konstruktivismus‘ für die Philosophie ablehne, es sei denn, man verfolgt eine solipsistische Ausrichtung, in der eine Existenz von Außenwelt bestritten wird oder als erfunden gilt. Mit solchen solipsistischen Einschätzungen würde man sich jedoch außerhalb der Wahrnehmungsbedingungen bewegen. Dass bei Menschen etwas hineingelangt, dass Sinnesreizungen zu beobachten sind, lässt sich kaum leugnen. Und wenn sich ‚Erfindung‘ nicht mehr abgrenzen lässt, weil alles erfunden ist, dann sagt dies Wort nichts mehr aus. Ein solcher Überschwang wäre nicht zu rechtfertigen. Auf eine Diskussion dieser „Kognitionswissenschaft“ (vgl. Schmidt, Siegried, J., 1987, S.13) verzichte ich im vorliegenden Kontext. <br />
<br />
Es ist philosophisch nicht unüblich, allgemein von Gegenständen der Wahrnehmung, der Erkenntnis oder der Erfahrung zu reden; Kant hatte dies in exzessiver Weise betrieben. Über Sachen und Sachverhalte zu sprechen, anstatt über Gegenstände, ist ein Resutat sprachlicher Erwägungen. Im Englischen, dessen bin ich mir bewusst, gibt es für diese Worte kaum adäquate Übersetzungen. ‚Sache‘ wird zumeist mit ‚thing‘ (Ding), ‚Sachverhalt‘ mit ‚facts‘ (Fakten, Tatbestand) übertragen. Der Grund ergab sich aus einer speziellen Einbeziehung der deutschen Umgangssprache: Worte ‚Sache‘ sind in dieser allgemeiner als Worte ‚Ding‘ oder ‚Gegenstand‘, die sich in der Regel auf abgrenzbare physikalische Gebilde wie Tisch und Stuhl beziehen können, weniger auf konzeptionelle Gegenstände, ob logische oder poetische. Darüberhinaus weist ‚Sachverhalt‘ auf eine, allerdings unbestimmte, komplexere Gestalt hin; dies kann bei Beschreibungen hilfreich sein. <br />
Ist man bereit, zu den biologischen Wahrnehmungsbedingungen von Menschen auch die neuronal aufwendig produzierte Innen-Außen-Relation von zu zählen, ohne angeben zu können, was außerhalb dieser geschieht, sind Sachen als auch Sachverhalte nur innerhalb dieser Relation lokalisier- als auch erfassbar. Wie neuronale Prozesse in anderen Tieren vorgehen, ob dort Sinnesreize, wie sie die Biologen beobachten, anders verarbeitet werden, eventuell ohne Produktion einer aufwendigen Innen-Außen-Relation, die man scherzhaft als Heimkino beschreiben könnte, vermag ich nicht zu beurteilen, ist im Kontext dieser Studie jedoch auch nicht erforderlich.<br />
<br />
Wie aber wäre eine Reizbedeutung von Worten unter den angeführten physiologischen Bedingungen aufzufassen, die Quine wie eine empirische Absicherung sprachlicher Bedeutungen und Übersetzungen einführt und als eine „Klasse aller Reizeinflüsse“ fasst (vgl. Quine, Willard v. Orman, 1980, S. 69)? Solange man Reizeinflüsse unter die physiologischen Wahrnehmungsbedingungen stellt, würde sich wenig ändern. Es wäre lediglich darauf hinzuweisen, dass zur Voraussetzung nicht nur Reize, sondern auch eine vergleichbare Reizverarbeitung verschiedener Menschen gehört, damit eine solche Absicherung überhaupt in Erwägung gezogen werden kann. Im experimentellen Beispiel, in dem der Reizbedeutung eine besondere Rolle zukommt, ein aufmerksamer Ethnologe herauszufinden sucht, worauf sich der Lautkomplex ‚Gavagai‘ von Einheimischen bezieht, dient letztlich dieselbe Reizbedeutung als Maßstab (vgl. ebd., S.70). Mit dieser formalen Fassung ist das Übersetzungsproblem jedoch nicht behoben. Quine führt Gründe an, weshalb dieser Behaviorismus scheitert: ob eine identische Reizbedeutung vorliegt, lässt sich im Kommunikationsprozess zwischen Ethnologe und Einheimischen nicht ermitteln, sogar eine Unbestimmtheit bleibt letztlich unzugänglich (vgl. ebd., S.137-147). Sein Urteil fällt in später entstandenen Schriften im Hinblick auf Übersetzungsvorgänge noch düsterer aus: „Es besteht noch nicht einmal Hoffnung, so etwas wie eine Kodifizierung der einschlägigen Prodzeduren erreichen zu können, um dann vielleicht durch Angabe eben dieser Manöver zu definieren, was als Übersetzung zu gelten habe.“ (Ders., 1995, S.67).<br />
Konkret hat ein Forscher bei relevanten Reizen die Möglichkeit, ‚Gavgai?‘ zu fragen, die Einheimischen haben die Möglichkeiten, bejahendende oder verneindende Anworten zu geben. Fehlen relevante Reize, ist die Kommunikation gehemmt (vgl. ders., 1980, S.75). Ich sehe im Folgenden von Reizen als möglichen Hilfen ab, vor allem wegen ihrer allgemein mangelhaften Zugänglichkeit in sprachlichen Situationen, fragen lässt sich aber, wie Bedeutungen und Bezüge zusammenhängen.<br />
<br />
<br />
Literatur<br />
<br />
*Maturana, Humberto R., 1985, Erkennen. Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit, Braunschweig, Wiesbaden.<br />
*Quine, Willard v. Orman, 1975, Das Sprechen über Gegenstände, in: Ontologische Relativität und andere Schriften, Stuttgart, S.7-40.<br />
*Quine, Willard v. Orman, 1976, Die Wurzeln der Referenz, Frankfurt a.M.<br />
*Quine, Willard v. Orman, 1980, Wort und Gegenstand, Stuttgart.<br />
*Quine, Willard v. Orman, 1995, Unterwegs zur Wahrheit, Paderborn.<br />
*Russel, Bertrand, 1905, On Denoting, in: Mind 14, S.479-493.<br />
*Schmidt, Siegried, J., 1987, Der radikale Konstruktivismus: Ein neues Paradigma im interdisziplinären Diskurs, in: Der Diskurs des radikalen Konstruktivismus, hg. v. dems., Frankfurt a.M., S. 11-131.<br />
<br />
-------------------------------------------<br />
<br />
<h4>
(1.4) Über etwas sprechen</h4>
<br />
<br />
Kripke richtete sich mit seinem Tauf-Ansatz gegen Bündel-Theorien von Bedeutungen, in denen Namen als Bedeutungen die sprachlich erfassten Eigenschaften ihrer Träger erhalten. Ohne auf seine Kritik einzugehen: Dass ein zeitgenössischer Name wie ‚Peter Müller‘ der Lautgestalt nach nichts Relevantes preisgibt, nichts bedeutet, wird rasch einsichtig sein. Um überhaupt an Bedeutungen zu kommen, verweist innerhalb von Bündel-Theorien ein Tragen eines Namens auf das Vorliegen eines Bezugs. Erst über einen solchen konstruierten Bezug kommt man innerhalb einer Bündel-Theorie überhaupt an Bedeutungen heran. Dieses Vorgehen kann man als ein empirisches Nachhelfen erläutern, Bezüge und Bedeutungen werden hineininterpretiert, die Besonderheit von Namen nicht beachtet. <br />
Da aber Kripke im Rahmen seines Tauf-Ansatzes zumindest auf Bezüge angewiesen ist, kann auch sein Ansatz in Frage gestellt werden. Auch Kripke hätte, um zu erläutern, auf welchen Peter (oder welche Margaret, um ein Beispiel anzuführen, das Kripke nutzt) er sich bezieht, Eigenschaften, Umstände anzuführen, auch wenn er diese Erläuterungen nicht als Bedeutungen, sondern als Erläuterungen der Referenz, des Bezugs ausweist (vgl. Kripke, Saul, 2014, S.123). Würde man nun Fragen, was sprachliche Bedeutungen in relevanten konkreten Fällen anderes sein könnten als Erläuterungen von Bezügen, fiele mir nichts ein. Kripke fügt den Bündel-Theorien lediglich den Tauf-Ansatz hinzu, ohne dies explizit zu machen.<br />
Die Besonderheit von Namen wie ‚Peter Müller‘ ist, dass sie gar nicht der Sprache angehören, auch wenn die Ausdrücke aus der Sprache stammen, sondern einem Verhalten. Auch ein Hund könnte, würde man ihn darauf abrichten, auf ‚Peter Müller‘ hören, ohne Kenntnisse über menschliche Sprache zu haben. Ein menschliches Namengeben ist im Hinblick auf Lebewesen, die damit etwas anfangen können, derart rudimentär, dass sich eine Frage nach Sprache gar nicht stellt. Dennoch lassen sich Namen so nutzen, als hätten sie Bezug. In einem solchen Fall würde sich jedoch auch die Frage nach sprachlicher Bedeutung stellen, die der jeweilige Name als solcher nicht hat, auch wenn sich historisch linguistische Forschungen anstellen ließen. - Ob die Ergebnisse solcher Forschungen Auskünfte über einen Namensträger geben könnten, wäre jedoch allenfalls familiengeschichtlich nicht unerheblich, oder im Kontext von Belletristik, in der Namen mehr oder weniger indirekt als Beschreibungen der Träger fungieren können. -<br />
Erkennbar werden kann, dass sprachliche Bedeutungen und Bezüge voneinander abhängig sind. Für ein Namengeben im Hinblick auf Lebewesen reicht hingegen ein Abrichten vollkommen aus, es entstehen sogar Schwierigkeiten, wollte man Bedeutungen und / oder Bezüge ermitteln, Probleme, die erst aus der Sprache entstehen, sich innerhalb von bloßem Verhalten aber gar nicht stellen. <br />
Sprachliche Bedeutungen, darauf sei noch separat hingewiesen, haben mit umgangssprachlich veranschlagbaren Bedeutung von Sachen oder Sachverhalten, zu denen auch ein Verhalten zählen kann, nichts zu tun, für die man besser Worte wie ‚Relevanz‘ nutzen könnte. Ein Namengeben, um die spezielle Relevanz hervorzuheben, ermöglicht vor allem, jemanden anzusprechen.<br />
<br />
Die Abhängigkeit von Bedeutungen und Bezügen ist eine sprachliche Besonderheit, die es erlaubt, in Erfahrung zu bringen, worüber jemand spricht oder sprechen könnte. Den Ausgang bei einem Verstehen bilden häufig die Bedeutungen, würde dennoch unklar bleiben, worüber gesprochen wird, wären alle Anstrengungen umsonst gewesen. <br />
Die Sachen bzw. Sachverhalte, auf die Bezug genommen und über die etwas ausgesagt wird, sind sprachlich von Relevanz. Auf sie ließe sich nicht verzichten, auch wenn man der Ansicht ist, dass sie erkenntnistheoretisch nur Produkte des Gehirns sind. Niemand hat die Chance, außerhalb solcher präsentierten Wirklichkeitszeiträume zu stehen, es bliebe lediglich die Möglichkeit, sich auf diese einzulassen. Würde man sich hingegen weigern, wie dies z.B. Glasersfeld als radikaler Konstruktivist tat (vgl. Glasersfeld, v., Ernst, 1987), blieben lediglich Bedeutungen und Kommunikation übrig. Die wichtigste Funktion von Sprache würde verlorengehen: über etwas sprechen und gegebenenfalls über etwas schreiben, etwas erkennen zu können, auch wenn dies nur innerhalb der Erkenntnisbedingungen möglich ist. Alternativ ließe sich allenfalls über wahrgenommene Qualitäten (Farben, Klänge usw.) sprechen, doch dafür liegt (a) keine Sprache vor, (b) müsste das Hirn zumindest partiell abgeschaltet werden.<br />
Die Differenz von Sprache und dem, worauf Bezug genommen wird, lässt sich auch nicht einfach unterlaufen. Einige analytisch geschulte Theoretiker (wie z.B. Goodman, Kripke) erläutern ‚Bezug‘ mit Formulierungen wie ‚für etwas stehen‘. Doch genau dies ist unmöglich: Ob Zeichen, Symbole, Namen oder Worte, nichts davon kann für Sachen oder Sachverhalte stehen, sie gegebenfalls ersetzen. Dazu bedürfte es einer Zauberei, in der z.B. Stoffpuppen mit Nadeln bestochen werden, die für jemanden stehen, dem nicht nur alles Schlechte gewünscht wird, dieser Wunsch wird mit einer analogen Handlung nachdrücklich bestärkt! Die Formulierung ‚für etwas stehen‘ gehört zu den missverständlichsten Erläuterungen, die sich mit Bezug auf sprachliche Bezüge geben lassen. <br />
<br />
Alle möglichen Hindernisse sind aber längst nicht ausgeräumt, noch wären sie zu beseitigen: eine Sprache ist kein System, sondern ein Sammelsurium von Worten, semantischen und syntaktischen Konventionen als auch Kreationen; letztere verweisen z.B. auf Jugendsprachen, Fachsprachen, Belletristik oder Politik, in denen auch sprachbildende Prozesse zum Alltag gehören. Umgangssprachlich sind besonders Metaphernbildungen zu berücksichtigen, zu den neueren gehören z.B. ‚Evolution‘ (vgl. Matern, Reinhard, 2014). Ich kenne niemanden, dem ich einen Gesamtüberblick über das gesellschaftliche bzw. sprachgemeinschaftlich Tun auch nur in einer Sprache ansatzweise zutrauen würde. Auseinandersetzungen und Gruppenbildungen sind unausweichlich. Sie reichen bis zu Abschottungen, die speziell in der analytischen Philosophie dazu führten, sich primär mit wissenschaftsrelevanten Fragen auseinanderzusetzen, weil genau jene von Konstruktivisten in der Theorie präferierte Kommunikation allgemein fast nicht oder nur sehr, sehr eingeschränkt möglich ist. <br />
Innergesellschaftlich ist man darauf angewiesen, sich unterschiedliche sprachliche Ausprägungen anzueignen, um den verschiedenen Situationen gewachsen zu sein, in die man geraten kann, ob im Zusammenhang mit ‚Sprache‘, ‚Evolution‘, ‚Kultur‘ oder ‚Natur‘. Es wäre überhaupt nicht verwunderlich, gesellschaftliche Bereiche ausfindig zu machen, in denen Zuhörern kaum mehr als ein Kopfschütteln bleibt.<br />
<br />
Es hat innerhalb der vergangenen Jahrzehnte im deutschsprachigen Raum Wissenschaftler und Philosophen gegeben, die nicht über ein Thema sprachen, sondern etwas zu einem Thema zu sagen hatten. Der Unterschied lässt sich klarer erkennen, wenn man beispielhaft konkret wird: nicht über ein Klavier wurde gesprochen, sondern zu einem Klavier. Auf eine persönliche Ansprache („Mein liebes Klavier, wie du vielleicht ahnst …“) wurde zwar verzichtet, Ansprechpartner blieben in der Regel Kollegen, aber in die Sprache war eine Herrschaftsannahme geraten, die über Soziales durchaus diskutierbar wäre, im Hinblick auf sprachliche Eigenschaften jedoch unangemessen war und ist. Eine neuerliche Vermischung von sprachlichen und sozialen Relation ist in den Schriften von Derrida und seinen Nachfolgern (vgl. z.B. Culler, Jonathan, 1999) auszumachen. Um es zu betonen: Sprache tut der Wirklichkeit nichts an, sie kann unzureichend sein, in Einzelfällen, sogar in vielen, bezieht man umgangssprachliche Phrasen wie ‚Evolution‘, ‚Kultur‘ oder ‚Natur‘ ein, unangemessen, Sprache kann auch einen Einfluss darauf haben, was von Menschen überhaupt in Erwägung gezogen wird, dennoch wären sprachliche und soziale Relationen zu differenzieren. Eine Vermischung verweist auf eine mangelhafte Unterscheidung von Sprache und Sachen bzw. Sachverhalten. Ein sprachliches und ein soziales ‚Über‘ sind also auseinanderzuhalten, obgleich die Wortlaute identisch sind. <br />
<br />
<br />
<br />
Literatur<br />
<br />
*Culler, Jonathan, 1999, Dekonstruktion, Reinbek b. Hamburg.<br />
*Glasersfeld, v., Ernst, 1987, Wissen, Sprache und Wirklichkeit, Braunschweig / Wiesbaden.<br />
*Kripke, Saul, 2014, Name und Notwendigkeit, Frankfurt a.M.<br />
*Matern, Reinhard, 2014, Evolution und Vergeblichkeit, in: ders., Wie wärs mit einer Revolution? Duisburg (eBook, ePub).<br />
<br />
-------------------------------------<br />
<br />
<br />
<h4>
(1.5) Wirklichkeit und sprachliche Angemessenheit</h4>
<br />
Luhmann hatte einen allgemeinen Systembegriff entwickelt, der lediglich Sinn voraussetzt, Bedeutung, irgendeine Ordnung (vgl. Luhmann, 1987). In diesem Kontext wäre auch ein Sammelsurium eine Ordnung, die sich hinsichtlich von Funktionszusammenhängen analysieren ließe. <br />
Doch die Vokabeln ‚Sinn‘ und ‚Bedeutung‘ ließen sich allgemein gar nicht verstehen, berücksichtigte man den einfachen Unterschied von Sprache und Sachen bzw. Sachverhalten. Würde man sich hingegen auf Sachen und Sachverhalte beschränken, könnte allenfalls von ‚Relevanz‘ die Rede sein, ohne dass klar werden könnte, in welcher Weise. ‚Ordnung‘ wird (a) zunächst derart weit gefasst, dass der Begriff nichts aussagt, (b) dann aber spezifisch, im Kontext von zu ermittelnden Funktionszusammenhängen. Der von Luhmann präsentierte Systembegriff bietet nicht mehr als eine umgangssprachliche Herangehensweise, die alles andere als hilfreich ist, aber im Hinblick auf den Begriff ‚Ordnung‘ ein primär bürokratisches Anliegen kenntlich machen könnte. Das von mir anführte Sammelsurium ist hingegen ein Resultat historischer Prozesse, von Prozessen, die von unterschiedlichen Gruppen und Individuen geprägt wurden. Diese historische Perspektive vermeidet eine quasi-ontologische Fundierung, die aus ahistorischer Sicht erforderlich zu sein scheint, um überhaupt einen Anfang der Diskussion setzen zu können. Es bleibt nach meinem Ermessen kaum anderes übrig, als sich auf ein Abenteuer einzulassen, das ein historisch entstandenes Sammelsurium bieten kann.<br />
<br />
Sprachlich macht es kaum einen Unterschied, ob ein historisch entstandenes Sammelsurium einer Wirklichkeit - im Rahmen menschlicher Erkenntnisbedingungen -, oder einer unabhängigen Realität zugerechnet wird. Die nutzbaren Worte für Beschreibung, Differenzierung und Analyse wären gleich. Erst im Kontext einiger methodischer Begriffe wie ‚Objektivität‘ und einer erkenntnistheoretischen Interpretation von historischen Ergebnissen würde der Unterschied auffallen können.<br />
Weil methodische Erwägungen auch in dieser Arbeit von Relevanz sind, gebe ich einige Anmerkungen: Mir, so muss ich gestehen, bleibt eine Realität, die außerhalb meiner Erkenntnisbedingungen liegt, unzugänglich. Diese Bedingungen umfassen mehr als lediglich biologische, auch sprachliche und soziale, die historisch eingebettet sind. Die alte Frage nach Objektivität, in Abgrenzung zu Subjektivität, würde sich mir gar nicht stellen können, weil sie besonders auf historische Bedingungen keine hinreichende Rücksicht nimmt. Ich kann im vorliegenden Kontext lediglich nach sprachlicher Angemessenheit fragen, im Hinblick auf Bedeutung und Bezug - und, davon war bislang noch nicht die Rede, dies wird innerhalb der Studie aber erforderlich sein, auf sprachliches Verhalten. Eine allgemein reproduzierbare Methode lässt sich auf diese Weise nicht entwickeln, es lassen sich nur konkrete Fälle kontextabhängig behandeln. <br />
<br />
Die Grenzen menschlicher Erkenntnis lassen sich erweitern, z.B. durch Messinstrumente und -verfahren, oder / und durch sprachliche Differenzierungen, die Unterschiede merklich machen können, einen größeren Detailreichtum erfassen helfen, oder Differenzierungen als unangemessene verwerfen. Doch Grenzen bleiben, sie lassen sich allenfalls verschieben. Ein Beispiel der Begrenztheit bietet aktuell die Physik. Die hypothetisch angenommene, im Kosmos nur indirekt bemerkbare dunkle Materie, ist etwas völlig Unbekanntes. Sie wurde als ‚dunkel‘ beschrieben, nicht weil sie dunkel wäre, entfernt vergleichbar mit einer düsteren Gewitterwolke, sondern aus Verlegenheit. Die dunkle Materie reflektiert kein Licht, es scheint durch sie hindurch, bleibt für menschliche Sinne und von Menschen gefertigte Instrumente unsichtbar. Eine Annahme einer solchen Materie wurde gemacht, weil sich messbare Gravitationskräfte im Rahmen des kosmologischen Standardmodells nicht erläutern ließen; das Standardmodell umfasst u.a. die allgemeinen Relativitätstheorie, die Annahmen über Gravitation enthält. Unzureichend kann allerdings auch das bisherige Standardmodell sein. (Vgl. Bührke, Thomas, 2012.) Unabhängig davon, wie sich die entstandenen Irritationen auflösen lassen, falls sie sich auflösen lassen, welche Annahmen und Bezüge nicht bloß mögliche bleiben, die physikalische Sicht auf den Kosmos wird sich verändern. Berücksichtigt man jedoch, wie lange über die sonderbaren Gravitationskräfte geforscht wird, bereits in den Dreißiger Jahren des 20. Jhds. fielen dem Schweizer Astronom Fritz Zwicky unerklärbare Bewegungen im Kosmos auf (vgl. Lindner, Manfred; Marrodán Undagoitia, Teresa; Schwetz-Mangold, Thomas; Simgen, Hardy, 2014), wird ersichtlich, welche historischen Ausmaße eine Ungewissheit erlangen kann, die bis in die Grundlagen reicht.<br />
<br />
Vielleicht klingt es manchem verrückt, mich sprachlich auf Erzeugnisse meines Gehirns beziehen zu müsse, die als solche anderen nicht zugänglich sind, und nach Angemessenheit zu fragen. Dieser vergleichsweise autistische Vorgang kann jedoch in jedem Menschen geschehen. Hinzukommt, dass ich diese Erzeugnisse nicht konstruiere, nur wenig direkten Einfluss darauf habe, was mir mein Gehirn präsentiert. Dieses Gehirn nutzt vor allem entstandene Routinen, die sich im Hinblick auf neue Sitationen auch als angesammelte Vorurteile interpretieren ließen. Nach sprachlicher Angemessenheit zu fragen, gönnt dem Automatismus eine Pause. Doch auch diese Frage und die bisherigen Antworten können in einen Automatismus gelangen, der auf relevante Bedingungen und Details keine Rücksicht mehr nimmt. Sicherheit in Erkenntnisprozessen zu erlangen, wäre etwas anderes. Es würde auch nicht ausreichen, auf Zustimmung zu hoffen. Die beschriebene Unsicherheit gälte für alle Ansprechbaren gleichermaßen. Doch obwohl keine Sicherheit erlangbar, meine Freiheit unter Einbezug aktiver Hirnroutinen beschränkt ist, eröffnet sich eine Möglichkeit zur Autonomie (vgl. Roth, Gerhard, 2001, S. 427 ff.).<br />
<br />
<br />
Literatur<br />
<br />
*Bührke, Thomas, 2012, Die Jagd nach dem Unsichtbaren, in: Max Plank Forschung, 4/2012, S. 34-41.<br />
*Lindner, Manfred; Marrodán Undagoitia, Teresa; Schwetz-Mangold, Thomas; Simgen, Hardy, 2014, Dunkle Materie - Dark matter, Forschungsbericht 2014 - Max-Planck-Institut für Kernphysik, Heidelberg. <br />
*Luhmann, Niklas, 1987, Soziale Systeme: Grundriss einer allgemeinen Theorie, Frankfurt am Main.<br />
*Roth, Gerhard, 2001, Denken, Fühlen, Handeln, Frankfurt a.M.<br />
<br />Kai Pegehttp://www.blogger.com/profile/01301353386075423130noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7694804991996063925.post-29294393551050618662014-09-21T14:37:00.001-07:002020-01-23T01:55:37.151-08:00Über Kunst oder Künste?I<br />
<br />
Die Frage des Essays lautet, ob allgemein über Kunst gesprochen werden kann, oder ob man sich mit einer Sammlung, mit Künsten zufriedengeben muss, die ein einheitliches Vorgehen nicht erlauben. Einbezogen werden Theorien, die von Bense, von Gustaffson und von Goodman stammen. Die ersten beiden Theorien sind explizit zeichentheoretisch ausgerichtet, die ditte symboltheoretisch. Eine Lösung des Problems bietet keine der aufgegriffenen Erläuterungen, aber die Schwierigkeiten verfolgen zu können, ist eventuell schon ein Gewinn.<br />
<br />
Bense hat in den Sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts einen kommunikationswissenschaftlichen Ansatz über Kunst vorgelegt. Sein Beitrag ist ein Dokument einer theoretischen Umorientierung. Adornos oft diskutierte „Ästhetische Theorie“ (Adorno, Th. W., 1973) ist der hegelschen Philosophie verpflichtet; Bense findet einen Ansatz unter Berücksichtigung der mathematischen Informationstheorie (vgl. Bense, M., 1979, S.332). Die knappe Anführung von Adornos Theorie hat einen weiteren Grund. Benses Theorie wird ebenfalls als ästhetische ausgegeben, ist betitelt mit „Ästhetische Kommunikation“.<br />
<br />
Grundlage von Benses Ansatz sind seine Aussagen über Zeichen, aus denen Informationen gebildet werden: „Alle zur Herstellung eines Kunstwerks verwendeten Elemente wie Töne, Farben, Wörter, Kontraste, Linien, Formen, Modulationen usw. sind als ‚Zeichen‘ zu verstehen.“ (Ebd., S.335.) Es handelt sich um die physikalischen Zustände von Kunstwerken (vgl. ebd., S.334).<br />
Als zweite Klasse von Zuständen führt Bense konventionelle semantische an; diese werden von den physikalischen realisiert (vgl. ebd.). In dem Fall sprachlicher Kunstwerke bedeuten Laute Wörter, letztere beziehen sich auf Dinge (vgl. ebd.), wobei unklar bleibt, was unter Bezug verstanden wird. Allgemein differenziert Bense in drei Realisierungsfunktionen: der „repräsentierenden (abbildenden), präsentierenden (zeigenden) und konstruktiven (aufbauenden)“ (vgl. ebd., S.336).<br />
Drittens führt er ästhetische Zustände an, die sich sowohl auf physikalische als auch auf semantische beziehen können (vgl. ebd., S.334). Bense kreiert weitere Diktionen: ästhetische Zustände werden durch physikalische und semantische getragen oder durch diese konstituiert; physikalische Zustände liegen stets vor, nicht immer relevante semantische wie bei einigen modernen Kunstwerken (vgl. ebd., S.333, 334). Ein möglicher ästhetischer Zustand wäre beispielsweise die Schönheit eines Kunstwerkes (vgl. ebd., S.333).<br />
<br />
Es kann die Frage aufkommen, ob einige moderne Kunstwerke, die keine Bedeutungen, keine semantischen Zustände haben, dennoch aus physikalischen Zeichen bestehen? Der allgemein kommunikationswissenschaftliche Ansatz steht oder fällt mit der Antwort. Bense lässt die „gesamte kommunikative Seite der Kunst (...) durch die semiotische Möglichkeit ihrer Elemente“ garantieren (vgl. ebd., S.336). Das Wort Möglichkeit ist jedoch unangemessen gewählt: entweder gibt es Kunstwerke, bei denen semantische Zustände ohne Relevanz sind, dann ist auch die Möglichkeit, semantische Zustände zu bilden, ohne allgemeine Relevanz, oder es gibt Kunstwerke, die zwar den Künstlern nach keine, aber dem Kunsttheoretiker nach semantische Zustände haben. Wendet man sich den semiotischen Möglichkeiten zu, Bense differenziert in die Funktionen Repräsentation, Präsentation und Konstruktion, dann ist nicht erkennbar, dass z.B. Sprache miterfasst wird. Bense erläutert das Wort Repräsentation mit dem Wort Abbildung. Worte bilden aber, allgemein gesehen, nichts ab. Zwar können Worte z.B. in Form eines Kreuzes angeordnet werden, eventuell ist auch eindeutig, um was für einen konkreten Gegenstand es sich handelt, damit von Abbildung die Rede sein kann, doch in Bezug auf Sprache ist diese grafische Funktion unerheblich. Es gibt eine zweite Möglichkeit von Abbildungen. Auf die grafische Funktion kann verzichtet werden, allein die Frage, ob Isomorphie vorliege, Ein-Eindeutigkeit, wäre dann noch von Relevanz. Ist in Bezug auf Kunstwerke eine ein-eindeutige Relation von Worten zu Gegenständen gegeben, gleichgültig ob es sich um empirische, imaginäre, traumatische oder metaphysische Gegenstände handelt? Eine inständige Beteuerung dessen würde nicht ausreichen, auch nicht eine mehr oder weniger wahrscheinliche Einschätzung eines Kritikers. Wer könnte z.B. in Bezug auf Gedichte von Trakl isomorphe Strukturen belegen?<br />
Sieht man von der Erläuterung ‚Abbildung‘ ab, ist zu fragen, was vom Wort Repräsentation zu halten ist. Kann ein Wort einen Gegenstand repräsentieren, für diesen stehen, kann ein Wort z.B. eine Person, in welcher Weise auch immer, ersetzten? Worte präsentieren auch nichts Außersprachliches, zeigen nichts, stellen nichts dar, was jenseits von Sprache liegt. Nur ein verschwindend kleiner Prozentsatz von Formulierungen könnte eventuell aufgrund von Lautstrukturen als nachahmende Darstellungen von Gegenständlichem dienen. Dass besonders Gedichte zu relevanten Äußerungen verleiten können, ließe sich mit der Angabe von Stimulationen aufgrund der Wortwahl und mit Imaginationen von Lesern erklären. Worte stehen zu Gegenständen in keinem relevanten Verhältnis, es sei denn man versteht unter der Bezeichnung Semantik Bildliches, das Lesern innerlich erscheint bzw. hochkommt. Die konstruktive Funktion ließe sich in ähnlicher Weise interpretieren.<br />
Bense öffnet tatsächlich die Erlebniswelt und führt sogar eine veränderte Diktion ein: „Die Entstehung dessen, was wir in der künstlerischen Produktion ein ‚Bild‘ oder einen ‚Text’ (...) nennen, ist in jedem Fall an die Möglichkeit gebunden, physikalische Ordnungen materialer ‚Signale‘ als ästhetische Ordnungen immaterieller ‚Zeichen‘ einzuführen.“ (Ebd.) Dieser Formulierung nach besteht die Semantik aus mentalen Zeichen; Worte, Farben, Töne usw., also die Bestandteile von Kunstwerken, fungieren als Signale. Nicht mehr die Kunstwerke sind, das innere Erleben vor diesen steht jetzt Zentrum der kommunikativen Funktion von Kunst. Die Kunstwerke dienen nur noch der Artikulation von innerlich Erlebtem.<br />
Kunstwissenschaftlich ist das private Erleben des Forschers freilich ohne Belang. Eine allgemeine Theorie über Erleben vor, eventuell Erleben von Kunst dürfte in den Bereich kunstpsychologischer Erörterungen fallen. Anhand seiner kommunikativ semantischen Realisierungsfunktionen, der Repräsentation (Abbildung), der Präsentation (Zeigen), der Konstruktion (Aufbau) ist bemerkenswert, dass besonders Sprache keinerlei relevante Berücksichtigung erfährt. Ausdehnen ließe sich die Kritik mit der Erörterung des fehlenden Bezugs auf Musik. Was wäre, sieht man von Programmusik ab, als Abgebildetes, als Gezeigtes, als Konstruiertes semantisch in den Musikwissenschaften von Belang, was nicht die Musik selber wäre? Hat z.B. eine musikalische Reihe und ihr Krebs eine Reihe und ihr Krebs zu bedeuten, damit klar wird, sie eine Reihe und ihr Krebs ist? In Bezug auf darstellende Künste wären Worte wie abbilden, zeigen und konstruieren vielleicht eher angebracht, wenngleich äußerst selektiv, zudem: kaum in der kommunikativ mentalistischen Variante von Bense.<br />
<br />
An dieser Stelle ist es möglich den Begriff ‚ästhetische Information‘ anzuführen, der die Grundlage für die Probleme bildet. Die Abbildungsfunktion ist eine ästhetische Information und zwar eine Information eines Kunstwerkes wie auch eine über ein Kunstwerk, also die eines Betrachters. Von hier aus lassen sich innere Erlebniswelt und äußere Gegenstandswelt, soweit es sich um ästhetische Informationen handelt, nicht mehr differenzieren. Ähnliches trifft auf Gegenstand und Wort zu: als Information des Gegenstandes und als eine des Erlebenden bleibt eine Differenzierung weitgehend unberücksichtigt.<br />
<br />
II<br />
<br />
Gustafsson, schwedischer Schriftsteller, hat in seiner Habilitation einen analytischen Ansatz vorgelegt, der zugleich ein allgemein zeichentheoretischer ist. Doch gibt dieser ihm die Möglichkeit, auch auf Kunstgegenstände Bezug zu nehmen? Wenn Gustafssons Ansatz, er selber spricht von „Vorarbeiten“ (Gustaffson, L., 1980, S. 241ff.), die Grundlage für eine allgemeine Zeichentheorie bildet, dann hätte man eventuell auch eine theoretische Basis, um allgemein über Kunst sprechen zu können.<br />
Konträr zu Bense, der seine Theorie im Rahmen einer Kommunikationswissenschaft vorstellt, seine Theorie als wissenschaftliche verstanden wissen will, nimmt der Schriftsteller Gustafsson seine Resultate zurück: seine Aussagen liegen zwar im Bereich wissenschaftlicher Philosophie, sind als Vorarbeiten jedoch mit Vorsicht zu genießen. Für diese müssen freilich die selben Kriterien gelten, wie für eine ausführlich entwickelte Theorie.<br />
<br />
Gustafsson untersucht verschiedene Repräsentationen, Abbildungen, so die eingesteckten Steinchen eines Jungen in Relation zu passierten Fahrzeugen, den Streckenfahrplan einer U-Bahn in Relation zum Streckennetz, Bilder von Rembrandt und Delacroix. Er kommt zu dem Resultat, dass es verschiedene Abbildungen geben kann, isomorphe (ein-eindeutige) wie im Fall der Steinchen und Fahrzeuge und im Fall des Streckenfahrplans, oder, wie im Fall der Kunstwerke, eine komplexere Regel. Wichtig sei, dass man die jeweilige Regel finde, mit der abgebildet werde. Generell ist Gustafsson der Ansicht, dass Elemente der Wirklichkeit abgebildet werden (vgl. ebd., S.241-243). In Bezug auf Steinchen/Fahrzeuge und Plan/Strecke ließe sich eine solche Auffassung vertreten, wie sieht es aber in den Fällen von Kunstwerken aus?<br />
<br />
Im Fall eines Bildes von Delacroix fällt das Wort „nachahmen“ (vgl. ebd., S.243). Es wird vorausgesetzt, dass etwas sei, etwas Bestimmtes, das abgebildet wird. Nichts wird hinzugefügt, was keine Entsprechung hätte. Der Hilfsgegenstand dient nicht zur Inspiration, lediglich als Vorlage. Freilich nur dann, wenn die Regel von dem Nachahmer konsequent verfolgt wird, wie Gustafsson voraussetzt (vgl. ebd., S.242). Wäre es im Hinblick auf eine Nachahmung angemessen, wenn man z.B. erläuterte, dass zwar alle Gesichtsteile eines bestimmten Mannes in einem Bild dargestellt würden, die gemalte Warze aber eine Darstellung eines Gegenstandes ist, der einer Frau zugehört, die während des Malvorganges nicht anwesend war? Wie verhielte es sich, wenn eine Zuordnung der gemalten Warze konkret nicht möglich wäre, wenn nicht klar wäre, dass ein Gegenstand der Empirie zur Darstellung gelangt ist?<br />
Die Steinchen, die Zeichen des Jungen bilden situationsbedingt ein-eindeutig passierte Fahrzeuge ab: ein Fahrzeug / ein Steinchen, eine der Taschen / vormittags. Gustafsson beschreibt mit dieser Abbildungsregel zugleich eine Relation der Zeichen zur Wirklichkeit. In den Fällen der Kunstwerke sei es komplexer, würden seiner allgemeinen Fassung nach Elemente in eine andere hinein abgebildet (vgl. ebd., S.242/ 243). Diese allgemeine Beschreibung von Malvorgängen mit verschiedenen Farb- und Materialschichten ist als Beschreibung einer Relation zur Wirklichkeit jedoch unerheblich, weil diese Schichten kaum differenzierbar sind, im Unterschied zu den verschiedenen Taschen; aus diesem Kontext ließe sich aber indirekt entnehmen, dass auch bei Gemälden grundsätzlich eine ein-eindeutige Abbildung vorausgesetzt wird. Gustafsson übersieht, dass Gemälde vielfach auf die Verschmelzung von verschiedenen Schichten ausgerichtet sind, nicht auf deren Betonung.<br />
Die Erörterungen von nicht-sprachlichen Abbildungen nehmen in Gustafssons Untersuchung jedoch einen geringen Umfang ein, diese bleiben zudem relativ oberflächlich. Primär analysiert er sprachliche Vorkommnisse. Für die Beurteilung seiner Theorie ist die Diskussion über nicht sprachliche Abbildungen, die oben geführt wurde, allerdings erforderlich.<br />
<br />
Die folgende Beschäftigung mit seinen Aussagen über Sprache betrifft sowohl verschiedene Ausrichtungen innerhalb der Philosophie, wissenschaftlich orientierte und andere, als auch Belletristik. Inwieweit auf Umgangssprachen Bezug genommen wird, bleibt offen. Gustafsson greift auf die Sprachphilosophie vom jungen Wittgenstein, auf den „Tractatus logico-philosophicus“ zurück, allerdings nur in einem äußerst begrenzten Umfang (vgl. Gustafsson, L., 1980, S.248ff.). Zum Verständnis der hier relevanten Aussagen muss auf Wittgensteins Theorie nicht dezidiert eingegangen werden. Die Annahme isomorpher Strukturen in Bezug auf Sprache und Empirie ist dann möglich, wenn es sich um Sprachen handelt, die eindeutig sind. So kann es beispielsweise in deskriptiven Statistiken Ein-Eindeutigkeit geben. Die erste Frage, die sich stellt, ist: wie verhält es sich mit nicht exakten, wenngleich hoch differenzierten belletristischen Sprachen? Gustafsson führt in Bezug auf Schriften von Nietzsche eine heranziehbare Diskussion.<br />
<br />
Von ihm angeführte Argumente sprechen gegen isomorphe Strukturen. „Wenn man mit Unbestimmtheit die normale Unbestimmtheit meint (...), dann dürfte man bei Nietzsche keine Schwierigkeit haben, unbestimmte Sätze zu finden.“ (Ebd., S.41.) Für seine Theorie findet er hingegen nur Ausflüchte, ohne diese angemessen zu bezeichnen. So rettet er sich vordergründig mit der Ansicht, dass die Situation auch auf die übrigen Philosophen des 19. Jahrhunderts zuträfe (vgl. ebd.). Was würde sich ändern, wenn seine Einschätzung richtig wäre? Auch wenn man, wie er in einem Extremfall vorschlägt, Dichtungen von Mallarmé Realdefinitionen zur Seite stellt (vgl. ebd.), was wäre durch solche Hypothesen gewonnen?<br />
Im Kontext von Gedichten des Spätromantikers fällt auf, dass Gustafssons Wort Wirklichkeit einen umfangreicheren Bezug haben muss, als zunächst angenommen wurde. Eventuell führt die folgende Diskussion noch zu einer Klärung. Kunstwerke von Nachahmern, wie z.B. die Bilder von Rembrandt und Delacroix innerhalb Gustafssons Theorie, decken nur einen kleinen Bereich ab. Für eine Theorie, die z.B. auch Kandinskys informelle Malerei erfasst, werden andere Angaben benötigt. Relevante Aussagen findet man im Rahmen der Sprachphilosophie. Die Frage lautet: was wird abgebildet? Gustafsson antwortet mit den Worten Struktur, Ordnung und Relationen (vgl. ebd., S.247/248). Doch welche könnten als Abgebildete in Frage kommen?<br />
<br />
So als ob Gustaffson ein Rückzugsgefecht einleitet, wechselt er von Abbildungen hin zu Konstruktionen. Sätze werden nicht als Abbildungen in Relation zur Wirklichkeit gestellt, sondern sie werden konstruiert. Als Grundlage dient: „die Struktur des Satzes und die Struktur der Welt ist immer dieselbe.“ (Ebd., S.261.) Im Hinblick auf Konstruktionen geht er noch einen Schritt weiter. Nicht nur Sätze werden konstruiert, sondern auch die Welt: „Wir selber strukturieren die Welt, wenn wir verschiedenfarbige Steine in unserer rechten oder linken Hosentasche sammeln“ (ebd.) Doch genau dies ist unmöglich: so können Gegenstände eines Zimmers, die man umräumt, relational strukturiert, auch umstrukturiert werden, nicht aber Fahrzeuge durch Zeichen, z.B. durch Steine wie im Fall des Jungen. Die Welt würde bleiben wie sie war.<br />
Das krampfhafte Festhalten an Isomorphie hängt vielleicht damit zusammen, dass die Struktur unabhängig von Sprache und Welt vorkommt, als Substanz: „die Struktur des Satzes und die Struktur der Welt ist immer dieselbe. Nie existiert mehr als ein Exemplar von einer Struktur; das, wovon mehrere Exemplare existieren, sind ihre Erscheinungsformen“ (Ebd.) Die Substanz wäre ein metaphysisches Etwas, das sich Gustafsson in Sprache und Welt.<br />
<br />
III<br />
<br />
In Goodmans Ansatz ist über Zeichen kaum etwas zu erfahren. Er spricht über Symbole, die für etwas stehen und auf diese Weise Bezug nehmen. Die Schwierigkeit ist, rauszubekommen, was damit ausgesagt wird, denn dieses ‘Für-etwas-stehen’, das ein Symbolisieren ausmache, verbindet zwei völlig verschiedene Bereiche auf geheimnisvolle Weise miteinander. Der Präsident einer menschlichen Gemeinschaft, sei es auch nur der eines lokalen Kunstvereins, kann aufgrund seines Amtes für die Mitglieder sprechen, auch wenn er ausgepfiffen wird, doch Svmbole einerseits und Symbolisiertes andererseits gehören zu unterschiedlichen Bereichen. Es wäre z.B. lächerlich, anstatt den Präsidenten auftreten zu lassen, ein Bild von ihm auf der Bühne zu platzieren. Dass Talmi im Eingangsessay Goodmans symboltheoretisches Hauptwerk (vgl. Goodmann, N., 1998) erst gar nicht einbezieht, ist vielleicht diesem besonderen Umstand zu verdanken.<br />
<br />
Die Lösungen, die Goodman anbietet, sind nicht weniger kurios als die bisher behandelten. Worte Symbol geben ihm – im Vergleich – mehr Möglichkeiten an die Hand, Bezüge zu beanspruchen. Der Bauplan eines Gebäudes würde das Gebäude symbolisieren, eine Notation eine Aufführung. In beiden Fällen handelt es sich jedoch um konzeptionelle Gestaltungen. Bei der Anfertigung eines Konzeptes auf etwas als Bezug zu verweisen, das eventuell in der Zukunft liegt, unter Umständen gar nicht eintreten wird, weitet Bezugnahmen unangemessen aus. Immerhin gibt Goodman aber die Möglichkeit frei, dass kein Bezug vorliegt, wie bei einem Bild, das ein Einhorn zeigt.<br />
<br />
Er bleibt jedoch keineswegs eindeutig: „Wer (...) nach einer Kunst ohne Symbol Ausschau hält, wird keine finden“ (ders., 1990, S.86). Auch ein emotionaler Audruck kann Symbol sein. Ein Kunstwerk enthält den Ausdruck von Trauer durch eine symbolische Metapher, die sich auf etwas bezieht, auf das auch ein Wort traurig verweisen würde (vgl. ders., 1998, S.87f.). Die Schwierigkeit, die sich eröffnet, ist leicht beschrieben: ein künstlerischer Audruck ist i.d.R. viel präziser, als es ein kontextloses Wort traurig sein kann. Die Bezugsmöglichkeiten eines Wort traurig wären zu umfangreich, um als Hilfe oder Erläuterung zu dienen. Und wenn schließlich ein Symbol in der Not, weil es einen Bezug aufzuweisen hat, sogar auf sich selber verweisen muss (vgl. ders., 1998, S.65), wirkt das ganze Unternehmen doch sehr erkünstelt. Ich sehe im vorliegenden Kontext davon ab, Goodmans Symboltheorie in aller Breite vorzustellen.<br />
<br />
<br />
<br />
IV<br />
<br />
Die zentrale Frage des Essays lautete: ist eine allgemeine Kunsttheorie möglich? Fasst man Worte, Farben, Töne, Klänge usw. als Zeichen oder Symbole, dann ergeben sich Unvereinbarkeiten und Künstlichkeiten, die aus funktionalen Differenzen resultieren. Vergleichsweise junge Künste, für manchen eventuell absonderliche, müssen erst gar nicht einbezogen werden; bereits die traditionellen, gleichsam klassischen Bereiche Belletristik, Malerei und Musik lassen sich kaum allgemein behandeln.<br />
<br />
<br />
<br />
Literatur<br />
<br />
Adorno, Th.W., 1973, Ästhetische Theorie, Frankfurt a.M.<br />
<br />
Arnauld, A., 1972, Die Logik oder die Kunst des Denkens, Darmstadt (Wiss. Buchgesellschaft).<br />
<br />
Bense, M., 1979, Ästhetische Kommunikation, in: Ästhetik, hrg. v. W. Henckmann, Darmstadt (Wiss. Buchgesellschaft), S.332-338.<br />
<br />
Goodman, N., 1990, Weisen der Welterzeugung, Frankfurt a.M.<br />
<br />
Goodman, N., 1998, Sprachen der Kunst: Entwurf einer Symboltheorie, Frankfurt a.M.<br />
<br />
Gustafsson, L., 1980, Sprache und Lüge, München.<br />
<br />
Wittgenstein, L., 1984, Tractatus logico-philosophicus, in: Werkausgabe Bd.1, Frankfurt a.M., S.7-85.<br />
<br />
------------------<br />
<br />
Mein Beitrag zum Band: „Diabolus. Essays über Künste“, hg. v. K. Talmi, der diesen Herbst erscheinen wird (<a href="http://www.autorenverlag-matern.de/" target="_blank">AutorenVerlag Matern</a>). Kai Pegehttp://www.blogger.com/profile/01301353386075423130noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7694804991996063925.post-29167054138574581282014-02-26T04:15:00.001-08:002015-02-12T03:49:50.067-08:00Über das neue eBook „Analytische Belletristik“Aktuell streiten sich in ZEIT, FAZ, und SZ Schriftsteller über den Buchmarkt, über konventionell gewordene Literatur und ihre Gründe, führen behütete Milieus junger Schriftsteller an, die Beharrung auf deutschen Lesegewohnheiten durch den Literaturbetrieb gegenüber Migranten, auf einen mysteriös belassenen gesellschaftlichen Zusammenhang … Doch all dies bleibt weit zurück hinter einer grundlegenden Kritik, die Mark Ammern einleitend in der von ihm herausgegebenen „Analytischen Belletristik“ formuliert: in Kritik gerät der Literaturbetrieb als industrieller Komplex, der an Literatur zunehmend das Interesse verloren hat, Marktgängigkeit und Konsum in das Zentrum stellt, weit davon entfernt, literarische Kunst anbieten zu wollen. Dem gegenüber wird auf „individuelle Zugänge“ von Schriftstellern zur Literatur samt einiger Ausnahmen verwiesen. <br />
Bei den Texten des Bandes handelt es sich nicht um wissenschaftliche oder philosophische, sondern um literarische Essays, denen gleichwohl eine analytische Haltung zugrunde liegt. Deshalb finde ich die Publikation besonders interessant.<br />
<br />
<br />
<h4 style="text-align: center;">
… mit Bezug auf Sprache</h4>
<br />
Wenn der Literaturbetrieb im großen Umfang betroffen ist, dann auch Kritik und Literaturwissenschaft. Ich folge nicht dem Aufbau des Buches, nach Ammerns Einleitung ist Kathrina Talmis Essay „Jenseits des Absoluten“ zu finden, in dem künstlerische Autonomie und Angemessenheit als Kriterien vorgeschlagen werden, sondern aus der Position eines Rezipienten, der mit sprachlichen Produkten konfrontiert wird. Reinhard Matern macht in „Deformation, Dekonstruktion und Analyse“ darauf aufmerksam, dass es Rezipienten schwerfallen kann, überhaupt auf Literatur Bezug zu nehmen, weil dies ihre sprachtheoretischen Annahmen gar nicht ermöglichen! Dies fällt besonders bei Derrida auf, der im Rahmen seiner Zeichentheorie lediglich Worte und Bedeutungen anführt. Dieser besondere Mangel, so Matern, mache es leicht, Worte und Gegenständlichkeiten, ob wirkliche oder imaginäre, zu verwechseln, der Sprache Eigenschaften zukommen zu lassen, die einer sozialen Welt des Handelns entlehnt sind, aber mit Sprache nichts zu tun haben. Eine unzureichende Differenzierung von Sprache und Gegenständlichkeiten sieht er auch in Friedrichs Erörterung spätromantischer Lyrik, die er zuvor thematisiert hatte. Wirklichkeit wird nach Friedrichs deformiert, obgleich eine dichterische Sprache Gegenständlichkeiten überhaupt nichts anhaben kann. Matern plädiert dafür, sich zunächst die Möglichkeit zu schaffen, überhaupt als Rezipient auftreten zu können und schlägt die analytische Sprachphilosophie als geeigneten Kontext vor.<br />
<br />
<br />
<h4 style="text-align: center;">
Schönheit versus Angemessenheit</h4>
<br />
Kant hatte in seiner „Kritik der Urteilskraft“ auch Geschmacksurteile thematisiert. Weil im Literaturbetrieb als auch unter Rezipienten immer mal wieder von Geschmack die Rede ist, Ammern hebt dies in seiner Einleitung hervor, ist es unumgänglich, die Möglichkeiten für solche Phrasen auszuloten. Nach Kathrina Talmi („Jenseits vom Absoluten“) verliert sich das Gerede empirisch in unzählige Worte schön, denen allenfalls psychologisch nachzukommen wäre, Ammern wendet sich Kant direkt zu und erläutert im Rahmen einer geschaffenen experimentellen Laborsituation, dass durch begrifflos Schönes nicht einmal Form berücksichtigt werden könnte, lediglich ein glucksendes Wonnegefühl, das dem von Babys ähneln könnte.<br />
Um diesem desolaten Mangel zu entgehen, schlägt Talmi die bislang primär durch Wissenschaft und Philosophie bekannte Frage nach Angemessenheit vor und führt in diesem Kontext vorhandene als mögliche Relationen an, die für ein Kunstwerk relevant sein können, innere als auch äußere. Das Wort Angessenheit wird in der gesamten Publiktion jedoch nicht definiert. Beurteilungen bleiben persönliche Einschätzungen, jedoch innerhalb von Zusammenhängen und Kontexten. Talmi setzt einen besonderen Akzent auf die Offenheit von Angemessenheit, weil die jeweiligen Produkte als Ausgang dienen, um Relationen beurteilen zu können. Eine Frage nach Angemessenheit kann sich vielen künstlerischen Richtungen gebenüber bewähren, weil sie diese ernst nimmt. Um jedoch ein „hermeneutisches Geschwätz“ zu vermeiden, hebt Matern die Möglichkeit zu Vergleichen hervor, zu „analytisch bedingte(n)“. <br />
<br />
<br />
<h4 style="text-align: center;">
Künstlerische Autonomie und Angemessenheit</h4>
<br />
Künste können sich nur entwicklen, wenn Neues gewagt wird. Dazu bedarf es jedoch künstlerischer Autonomie. Ohne eine solche Freiheit verfällt eine Kunst in Kunsthandwerk, das sich hervorragend industieller Produktionsweisen bedienen kann. Talmi als auch Ammern fordern zu künstlerischer Autonomie heraus, um einem gesellschaftlich entstandenen Einerlei zu entkommen. Talmi betont den künstlerischen Preis, „Schweiß und Tränen“, Ammern verweist historisch auf Dada, Pop-Art und Aktionskunst, um die Tragweite von autonomem Handeln und möglicher Angemessenheit anzuführen. <br />
<br />
Literarische Angemessenheit wird in zwei Gesprächen und Ammerns Essay „Wer erzählt - warum - und für wen?“ thematisiert. Ammerns Anliegen ist es, einen gottgleichen Erzähler der Theologie zuzuschieben, gleichwohl sieht er die Möglichkeit für einen erzählenden Konstrukteur, der allerdings, wenn er nicht literarisch ausgebildet ist, nur mit dem Autor zusammenfallen kann! Alles andere würde von außen eine Fantasie überstülpen, die mit dem Text nichts zu tun hat. Über eine Stärkung des Erzählers hinaus verweist Ammern sogar auf die Schaffung eines Micro-Umfelds, wie es literarisch in alten Sammlungen oder in Novellen ausgebildet wurde, das mögliche Hörer / Leser integriert. Wie dies in zeitgenössischer Weise machbar ist, muss freilich den jeweiligen Schriftstellern überlassen bleiben.<br />
Das Gespräch „Das Dilemma der Literaturkritik“, an dem Matern und sein Erzähler, Talmi als auch Ammern beteiligt sind, nimmt den Bachmannpreis 2013 zum Anlass, um sich über die Rolle von Kritikern, über Literatur und ein letztlich zentrales Problem auszutauschen: Gegen Ende des Gesprächs gerät eine schriftstellerische Wirklichkeit in Gegensatz zu Formansprüchen der Kritik. Es handelt sich um eine Unverhältnismäßigkeit der Kritik.<br />
Fast zum Abschluss des Bandes, im zweiten Gespräch (Talmi, Matern, Ammern), betitelt mit „Literarische Angemessenheit“, wird Bernhards Kritik eines traditionellen Kunstbegriffes aufgegriffen und weitergetrieben: Talmi bezeichnet ihn als „platonische Idee“ und verwirft die Ansprüche an Vollkommenheit, Vollständigkeit usw., um der Literatur wieder Leben einzuhauchen. Dies kann auch dazu führen, dass Ammerns Hang zur schreibenden Improvisation Geltung erhält, auch wenn sie betont, dass sie eine von Ammern gebaute Brücke nicht betreten würde.<br />
<br />
Analytische Belletristik.<br />
Essays und Gespräche.<br />
Hg.: Mark Ammern<br />
ISBN 9783929899115 (ePub)<br />
ISBN 9783929899153 (Kindle KF8)<br />
€ 4,99<br />
Erscheinungsdatum: 28.02.2014<br />
<a href="http://www.autorenverlag-matern.de/index.php/buecher/belletristik.html" target="_blank">AutorenVerlag Matern</a> Kai Pegehttp://www.blogger.com/profile/01301353386075423130noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7694804991996063925.post-55662624821994376422014-01-22T03:58:00.001-08:002014-01-22T03:58:28.274-08:00EBook: "Analytische Philosophie?"Der Essay "Analytische Philosophie?", den ich online gestellt habe, ist der Titelessay eines gleichnamigen eBooks, das in Kürze erscheinen wird: als ePub, Mobi-KF8 und als PDF. Der Verlag schreibt:<br /><br />
"Der Titel des Bandes greift eine Frage auf, die im alltäglichen
Umgang aufkam: die Frage nach analytischer Philosophie, vom Rücksitz
eines Autos gestellt. Dieser Kontext bot den Anlass, eine
Herangehensweise zu wählen, die bislang nicht üblich war:
auszuprobieren, was eine Einbeziehung des Alltags und Umgangs erbringen
könnte, ohne auf Komplexität zu verzichten.<br />
<br />
Diese Öffnung hat zu überraschenden Ergebnissen geführt, die eine
Weiterentwicklung der analytischen Philosophie erlauben, auch und in
besonderer Weise theoretisch: Die Beachtung von umgangsprachlichem
Verhalten kann dabei behilflich sein, Sprache besser zu verstehen, als
dies eine traditionelle wissenschaftsphilosophische Ausrichtung
ermöglichen würde.<br />
<br />
Die Beiträge zu diesem Band haben Kathrina Talmi, Reinhard Matern und Kai Pege eingebracht." (Vgl. <a href="http://autorenverlag-matern.de/index.php/buecher/philosophie.html" target="_blank">AutorenVerlag Matern</a>)<br />
<br />
Online ist dort ein Preview-PDF zu finden, das auch die Inhaltsübersicht und die Einleitung enthält. Ich freue mich, dass der Titel bald lieferbar sein wird!<br />
<br />Kai Pegehttp://www.blogger.com/profile/01301353386075423130noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7694804991996063925.post-48715745655359213902014-01-04T04:02:00.001-08:002014-01-09T14:52:52.982-08:00Analytische Philosophie?- Der Titelessay von “Analytische Philosophie?”, hg. v. Kai Pege, AutorenVerlag Matern, Januar 2014 -<br />
<br />
Die Frage nach analytischer Philosophie, die dem vorliegenden Band den
Titel gab, wurde vom Rücksitz eines Autos gestellt, nachdem ich eine
Zuordnung meines philosophischen Interesses bekundete. Im weiteren
Gesprächsverlauf wurde mir deutlich, dass der Person, die um eine
Erläuterung gebeten hatte, primär einige Philosophen namentlich bekannt
waren, die der Frühzeit der analytischen Philosophie angehörten, dem
Wiener Kreis. Die an mich herangetragenen Assoziationen waren zunächst
verhalten, beruhten auf marginalen Texterfahrungen, die noch aus der
Schulzeit stammten, im Fortgang Polemiken erinnern ließen, die speziell
in Deutschland entstanden waren, vor allem innerhalb der ‘Kritischen
Theorie’. <br />
<br />
Diese Alltagssituation ermunterte mich, eine
Herangehensweise zu entwickeln, die es mir erlaubt, zu erläutern, worin
das Besondere der analytischen Philosophie liegen kann, unter
Einbeziehung des Alltags. Die Möglichkeitsform weist darauf hin, dass es
‘die analytische Philosophie’ nicht gibt, sondern relativ viele
verschiedene Autoren und Ansichten. Mir liegt wenig daran, einen
Überblick bieten zu wollen. Es gibt einige Publikationen auf dem Markt,
die einem solchen Anliegen gewidmet sind, spannender sind jedoch Bücher,
in denen vom jeweiligen Autor ein eigener Zugang gesucht wird (vgl.
z.B. Tugendhat, E., 1976). Ein gemeinsames Programm, zu dem sich
zumindest eine Reihe von Autoren bekennen, gibt es schon lange nicht
mehr. Gemeinsam ist vielen Philosophen aus der analytischen Richtung
allerdings immer noch, den Ansatz ihrer Arbeit in der Sprache und in
hinreichenden Differenzierungen zu nehmen. Dabei muss Sprachphilosophie
jedoch nicht im Zentrum stehen. Nicht wenige der Akteure sind praktisch
ausgerichtet, an Handlungen und / oder Ethik interessiert. Hervorgehoben
sei William K. Frankenas “Analytische Ethik” (vgl. Frankena, W.K.,
1972), eine knappe und dennoch gründliche Einführung. <br />
<br />
In diesem
Band werden Ergebnisse des verbliebenen Sprachanalytischen Forums
vorgelegt, das einst in den Neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts
entstanden war, nunmehr als privater Kreis von Autoren fortbesteht, von
Autoren, die auch den AutorenVerlag gegründet hatten. Es wird keine
langen historischen Abhandlungen oder Exkurse geben, erst Recht keine,
die bis zu Sokrates zurückführen, um vermeintliche Grundfragen zu
stellen, die unter Athenischen Bürgern entstanden waren. Es gibt keine
‘ewigen’ Fragen. Wer hätte sie bilden und stellen sollen, in Vorzeiten,
als nur Bakterien die Erde bevölkerten, wer könnte sich um diese
bemühen, wenn die Phase der Menschheit beendet ist, durch Geschehnisse
aus dem Universum oder durch menschliches Versagen. Ob die interessanten
Fragen in der menschlichen Geschichte stets die gleichen geblieben
sind, ist ebenfalls bezweifelbar. Konkret änderte sich innerhalb der
Menscheitsgeschichte viel, auch die Voraussetzungen und Bedingungen,
unter denen Fragen gestellt wurden. Um so erschreckender können
Handlungs- und Verhaltensmuster im Wirtschaftsleben zeitgenössischer
Gesellschaften sein, die an hypostasierte ‘Naturzustände’ erinnern
lassen (vgl. z.B. Hobbes, Th., 1983). Mein Anliegen ist nicht, fiktional
und möglichst naiv in eine altgriechische Polis oder in andere
Gesellschaften zu flüchten, sondern zeitgenössischen Lesern zu
erläutern, wie heute philosophische Fragen aus dem Alltage heraus
entstehen können.<br />
<br />
Mein Vorgehen ist systematisch, nicht
historisch, aber weit davon entfernt, einen Systementwurf zu bieten, der
deduktiv bei einigen Grundannahmen und allgemeinen Aussagen beginnt, um
sich dann Schritt für Schritt in die Niederungen der Städte und
Gemeinden zu begeben. Solche Systeme können durchaus imposant sein, wie
eine alte Kathedrale oder ein modern gestaltetes Opernhaus, doch
Vergleiche dieser Art sind oberflächig: nicht nur werden solche Gebäude
von unten errichtet, in luftiger Höhe ist schwer Halt zu finden, nein,
Architektur und Philosophie trennt etwas Spezifisches. Nicht
Raumkonzepte, Beton, Glas und Stahl müssen auf einander abgestimmt
werden, die Philosophie ‘baut’ Sprache. Das kann nicht funktionieren,
wird man eventuell einwenden: Man hätte Recht! Dennoch bietet der
Vergleich einen geeigneten Ansatz, zu fragen, was geschähe, wenn ich den
Anfang mit einer Definition von Philosophie nehmen würde: <br />
<br />
Man
steckte einen Rahmen ab, ohne zu explizieren, was er umfasst, ohne
abschätzen zu können, ob er zu weit oder zu eng ausfällt. Man säße an
einem Reißbrett und würde ein Opernhaus skizzieren, ohne Informationen
über konkrete Erfordernisse im Hinblick auf Empfang, Publikumsbereich,
Orchestergraben, Bühne, Umkleide und Kantine. Wäre dieses Vorgehen für
einen Architekten nicht ziemlich unprofessionell? Es ließe sich
vielleicht von einer ‘Studie’ sprechen, doch wofür könnte diese dienen?
Zum Marketing, wäre anmerkbar, um eine Metropole zu einem Auftrag zu
animieren. Doch was könnte diese überraschende Entwicklung noch mit der
Arbeit von Philosophen zu tun haben? <br />
<br />
Konkrete Informationen über
architektonische und bauliche Erfordernisse erhält ein Architekt von
seinen Auftraggebern. In der Philosophie wäre so etwas kaum möglich, es
sei denn ein Auftrag beschränkte sich auf eine Erläuterung oder
Zusammenfassung von Ansichten, die bereits geäußert oder publiziert
wurden. Eine Vorabdefinition von Philosophie würde den Prozess des Philosophierens auf eine Fleißarbeit reduzieren, die letztlich die
eigenen Vorgaben erfüllt. Manch einer, soweit er bürokratisch gesinnt
ist, wird sich damit anfreunden können. Um jedoch Philosophie betreiben
zu können, bedarf es einer ungestillten Neugierde.<br />
<br />
Ein solcher
Drang kann auch in ein Verhängnis führen, mit dem unter Umständen nicht
leicht umzugehen ist. Ich war von deutscher Bewusstseinphilosophie
geprägt, bevor mich im Studium analytische Philosophie ins Straucheln
brachte. Mit einem Schlag verlor ich meine bis dahin ausgeübte Sprache,
die um ‘Denken’ kreiste, ohne mir begreiflich machen zu können, wie ich
an die ‘Gedanken’ anderer herankommen soll, ja von richtigem und
falschem ‘Denken’ war in der Bewusstseinsphilosophie die Rede, bisweilen
sogar von ‘Denkgesetzen’. Zwar hatte mir der juristische Ton überhaupt
nicht gefallen, der penetrante Widerwille erzeugte Sympathien mit
anarchischen Bestrebungen in Philosophie, Wissenschaft, der Universität,
der Politik! Dennoch fehlte mir ein geeigneter Ansatz, den deutschen
Psycho-Terror loszuwerden. <br />
<br />
Die Rettung bot mir Quine, das spürte
ich sofort, als mir “Wort und Gegenstand” (vgl. Quine, W.v.O., 1980)
bekannt wurde, dennoch geriet ich in höchste Gefahr: Ich wusste nicht
mehr zu sprechen! Nicht ‘Denken’, sondern Sprache stand plötzlich im
Zentrum, keine Spekulationen über psychische Prozesse, sondern lesbare
Texte, Worte und ihre Bezüge. Die Tür öffnete sich mit einem Schlag,
doch der betretene Raum war fremd, musste erst schrittweise entdeckt
werden. Von dort öffneten sich viele weitere Räume, in denen ich mir wie
ein Kind vorkam, das die Erlaubnis erhielt, sprechen zu lernen. Es ist
mir immer noch schleierhaft, wie sich die Bewusstseinsphilosphie in
Deutschland so lange halten konnte. Mehr als ein knapper Hinweis auf
bürokratische Tradition fällt mir dazu nicht ein.<br />
<br />
<br />
<h3 style="text-align: center;">
II</h3>
<br />
Bleiben Deduktion und Definition verwehrt, aus sachlichen Gründen, werde
ich mich ins Getümmel stürzen können. Handelte es sich bei der
Philosophie um Formales, wie bei der Mathematik und der Logik, ließe
sich über Deduktionen ausgiebiger diskutieren. Da formale Systeme aber
nur partielle Bereiche innerhalb der Philosophie sein können, wäre eine
allgemeine Herangehensweise ohnehin unangemessen. Mein Interesse ist im
vorliegenden Kontext hingegen in anderer Hinsicht speziell: Wie kann
Philosophie heute aus dem Alltag entstehen?<br />
<br />
Noch ist Sprache das
primäre Verständigungsmittel unter Menschen. Zwar sind Images stärker in
den Vordergrund gerückt, besonders im Zuge entstandener und inzwischen
etablierter multimedialer Techniken, dennoch ist Sprache im Umgang nicht
weniger relevant geworden. Auch Icons und Bilderwelten werden im Alltag
zum Thema, sei es als Frage und Bestätigung, dies oder das gesehen zu
haben, oder um etwas zu erläutern, Kindern zum Beispiel. In den Social
Media entwickeln sich Ausdrücke emotionaler Befindlichkeiten unter
Umständen zu Gesprächen. Inner- und außerhalb dieser Medien sind private
Vorhaben unter Freuden abzusprechen. Die Politik fordert zu
Diskussionen, Artikeln, zu Büchern heraus. Ohne Sprache wäre die
Kommunikation im Alltag unzureichend. Und die gesellschaftlich
beobachtbaren Icons und Bilder der Betriebssysteme von Mobiltelefonen,
Tablet- und Desktop-Computern folgen Konventionen und Regeln, die auf
sprachlichen Differenzierungen und Abstraktionen beruhen, mit welchem
Erfolg auch immer. Sie sind konzeptionell entworfen worden, bieten die
käuflich erwerbbare Grundlage für eine aufgehübschte private Bürokratie.<br />
<br />
Sprache
und physische Ereignisse, die kommunikativ auf Sprache beruhen, wie zum
Beispiel viele Bilder, Töne aus einem Mobiltelefon oder ein
Produktdesign, sind gleichwohl unterscheidbar. Icons und Tonfolgen geben
funktionale Hinweise, ein Design fällt primär durch ästhetische
Differenz auf, eröffnet durch diesen Verweis möglicherweise eine
soziale. Bilderwelten können etwas darstellen. Zur Erläuterung und
argumentativen Kritik bedarf es jedoch der Sprache. Funktionale Hinweise
sind durch den hohen Abstraktionsgrad für eine detaillierte
Kommunikation ungeeignet. Bilderwelten können hingegen eine hohe
Differenzierung erreichen, zum Beispiel in Filmen. Die Darstellungen
erfolgen jedoch nach anderen als nach sprachlichen Kriterien, sieht man
von Abschnitten ab, in denen auch Sprache eine wichtige Funktion
einnimmt. Die Bilder präsentieren das im Studio oder anderswo
angesiedelte Dargestellte, mit der empirischen oder empirisch möglichen
Welt treten kausale Abläufe hervor, während Sprache sich auf etwas
bezieht und logische Strukturen entwickeln kann. Ein Bildaufbau wird
nach anderen Kriterien vollzogen als eine sprachliche Mitteilung oder
ein Textaufbau. Wenn man bildhaft von einer Grammatik und einer
logischen Struktur in Bezug auf Bilderwelten sprechen wollte, wären sie
im Fall der Bilderwelten etwas anderes als in der Sprache. Die
geleistete Übertragung würde den Unterschied lediglich übergehen,
eventuell sogar verschleiern, jedoch nicht tilgen können. Es wäre nicht
hilfreich, die Besonderheiten der Sprache aufzuheben, wie Derrida dies
in einem Interview vollzog: “Das, was ich Text nenne, ist alles, ist
praktisch alles” (vgl. Engelmann, P., 1987, S.105). Das Wort ‘Text’ wird
zu einer Metapher, die alles mit Deutungszauber verschlingt. In der
Umgangsprache kann alles etwas bedeuten, Worte, Handlungen, Gegenstände,
und dennoch bleiben Unterschiede gewahrt: Wortbedeutungen erläutern in
der Regel den Bezug oder die grammatische Funktion, Bedeutungen von
Handlungen und Gegenständen betreffen häufig die Relevanz, ob für
jemanden persönlich oder in weiteren Zusammenhängen.<br />
<br />
Wenn in
Bezug auf Sprache von Darstellung gesprochen wird, dann in einer anderen
Weise als im Zusammenhang mit Bildern, es sei denn, bei dem
Dargestellten handelt es sich um einen Redebeitrag, ein Theaterstück
oder ein Drehbuch, das zur Aufführung gelangt. Im ersten Fall wird das
Wort Darstellung häufig konträr zu Äußerungen oder Texten genutzt, die
(zusätzliche) Wertungen enthalten, ohne jedoch, wie im Film, das
Dargestellte aufführen oder präsentieren zu können. Mehr als Bezüge
herzustellen, bleibt kaum, sieht man vom Zitieren ab. Eine wortbildhafte
Sprache kann zwar Assoziationen wecken, die abstrakte Relation Bezug
verliert dadurch jedoch nicht an Relevanz. Was in den Zuhörern oder
Lesern assoziativ vorgeht, ist ohne weiteres nicht von außen erfahrbar.
Der sprachliche Bezug bleibt im Zentrum, es sei denn für Personen, die
sich durch ihre eigenen Assoziationen überwältigen lassen. Im zweiten
Fall, bei einer Aufführung, kommt aber etwas zur Darstellung, wie es bei
einem Film geschieht, Wort für Wort, ob dramaturgisch verändert oder
nicht. Sprache, so wäre zu konstatieren, kann allenfalls Sprache zur
Darstellung bringen, präsentieren. Die Besonderheit des abstrakten
Bezugs in der Sprache schließt in den meisten Fällen eine darstellende
Funktion aus. Die Formulierung, über etwas zu sprechen, nimmt diesen
speziellen Sachverhalt, die Distanz auf, dennoch scheint es kein
verbürgtes Wort zu geben, das eine Alternative zum missverständlichen
Wort ‘Darstellung’ bietet. Üblicherweise stellt man nicht, wie im
sprachlichen Kontext angemessen wäre, über etwas dar, sondern etwas. <br />
<br />
Die
Alltagskommunikation findet in situativen Zusammenhängen statt. Um eine
Artikulation verstehen zu können, sind außer der Sprache weitere Reize
vorhanden, die Einordnungen ermöglichen, ob an der Kasse eines
Supermarktes, im Streit mit einem der Nachbarn oder während einer Fahrt.
Autoren und Lesern haben jedoch nichts weiter als die Texte. Dies macht
die Ausgangslage schwieriger. Deshalb ist es im speziellen Kontext der
Philosophie aus pragmatischer Sicht vorteilhaft, differenziert
vorzugehen, auch wenn der Text dadurch komplexer wird. Was gemeinhin als
sprachliche Darstellung ausgewiesen wird, übrigens nicht nur im Alltag,
sondern auch in Wissenschaft und Philosophie, kann gar keine sein,
nicht einmal, wenn man auf (zusätzliche) Wertungen verzichtet, weil in
beiden Fällen die Distanz unberücksichtigt bleibt, die durch Bezugnahmen
erzeugt wird. <br />
<br />
Die Umgangsprache ist angefüllt mit
Übertragungen, die aus sprachlicher Sicht unpassend sein können. Wenn
ein Konzept umgesetzt werden soll, etwa wie ein Möbelstück, das für
einen anderen Platz vorgesehen war oder sich an einem anderen als den
vorgesehenen, aus welchen Gründen auch immer, besser macht, lässt sich
zweifeln, ob dies gelingen kann. Dem Konzept soll, im Unterschied zu
jenem Möbelstück, nichts geschehen, es soll lediglich als
Handlungsanweisung dienen. Man würde ein Konzept allenfalls ausführen,
wenn es Anweisungen enthält, nicht jedoch umsetzten. Ähnlich verhält es
sich mit dem Wort ‘verwirklichen’. Ein Konzept, das es bereits gibt,
also wirklich ist, kann nicht zusätzlich noch verwirklicht werden. Dabei
ist es egal, ob es sich bei dem Konzept um eine Idee oder ein
beschriebenes Stück Papier handelt. Eine Idee ist nicht weniger
wirklich, nur weil sie etwas Psychisches, Kognitives ist. Schließlich
noch ein Beispiel, das historische Veränderungen berücksichtigt und das
Setzen einer besonderen Pointe erlaubt: Banken treiben seit einigen
Jahren derart risikofreudige Geschäfte, dass sich diese mit der
Sicherheit und Ruhe, die man mit einer Gartenbank assoziieren vermag,
nicht in Einklang zu bringen sind. Nicht mehr eine assoziative
Übertragung, sondern eine Differenz ist festzustellen. Man müsste das
Möbelstück schon auf eine Autobahn stellen, um wenigstens einer vagen
Vorstellung nach ein ähnliches Risikoniveau zu erreichen. <br />
<br />
An den
angeführten Beispielen ist ein Unterschied zu bemerken: im letzten Fall
geht es um Gegenstandsbezeichnungen, die aufgrund der Bezüge
verschiedene gleichlautende Worte sind und assoziative Verknüpfungen
oder Divergenzen hervorrufen können, beim umzusetzenden Konzept handelt
es sich hingegen um Sprachliches, das mit der Übertragung
sonderbarerweise nicht-sprachlich behandelt wird. Es lohnt sich, diese
beiden Beispiele näher zu betrachten. Bei den Gegenstandsbezeichnungen
sind nicht nur die Bezüge different, es gibt längst eingebürgerte
lexikalische Bedeutungen, die ebenfalls differieren. Würde man
nachschlagen, erhielte man (a) Erläuterungen über Sitzmöbel, würde
eventuell auf eine althochdeutsche “banc” (‘Erhöhung’) stoßen, auf
andere Bedeutungen anderer Sprachen, in denen sehr ähnliche Lautkomplexe
vorkommen; (b) über Geld- bzw. Kreditinstitute und deren Funktionen.
Man erhielte, sähe man von historischen und fremdsprachlichen Exkursen
ab, Erläuterungen über die Gegenstände, auf die Bezug genommen wird. Die
Bedeutungen erläutern die Bezugnahme: man erfährt, worüber gesprochen
wird. Von Assoziationen ist nicht die Rede. Die Möglichkeit für
Assoziationen eröffnet die historische Veränderung im Hinblick auf die
betroffenen Gegenständen. Assoziationen bleiben das Vergnügen von
Sprechern und Hörern, Schreibern und Lesern. Wären sie deshalb
sprachlich unrelevant? <br />
<br />
Nähme man außer Bezug und lexikalischer
Bedeutung noch eine weitere Funktion hinzu, ließe sich das Problem
eventuell elegant lösen: eine hypothetische Ausdrucksbedeutung. Diese
spielte nicht in jedem sprachlichen Fall eine Rolle, fiele bloß auf,
wenn sie emotional stark besetzt ist, wie bei identifizierenden
Beleidigungen oder Schwärmereien, könnte durch Gewohnheit im Alltag
untergehen, oder durch eine aufkommende Differenz hervortreten. Und sie
ist keineswegs so bestimmbar wie eine lexikalische, eine eingebürgerte
Bedeutung, ließe unterscheidbare Varianten zu, die auf den Assoziationen
unterschiedlicher Menschen beruhen. Das Bank- bzw. Bänke-Beispiel
demonstriert, wie man sich interpretativ versteigen kann, rhetorisch,
doch keineswegs nur als Winkelzug, sondern aus Interesse an
gesellschaftlichen Entwicklungen. Dagegen ist jenes Umsetzen eines
Konzeptes vergleichsweise abstrakt, wäre nicht mit der Handhabe von
Gegenständen zu vergleichen: Sprache wird unzureichend erfasst. Um
Ausdrucksbedeutungen von Übertragungen der Umgangssprache erfassen zu
können, wäre man auf empirische Untersuchungen angewiesen - und erhielte
so etwas wie Top-Listen, die sich im Laufe der Zeit ändern können, im
Grunde nicht mehr als einen zeitbezogenen Spaß einbrächten.<br />
<br />
Davidson
ist der Ansicht, dass zusätzliche Bedeutungen zur Erfassung von
Metaphern überflüssig seien: Metaphern könnten wörtlich, als eine neue
Bedeutung genommen werden. In Bezug auf sein Beispiel ‘das Kind
Tolstoi’, das im Kontext einer literaturwissenschaftlichen Einschätzung
angeführt wird, “Tolstoi sei ein ‘moralsierendes großes Kind’ gewesen”
(vgl. Davidson, D., 1994, S.347), ließe sich dies eventuell annehmen,
obgleich man im Hinblick auf ‘neu’ mehr erwarten könnte. Schwieriger
wird es, wenn man nach einer wörtlichen Bedeutung von ‘verwirklichen’
fragt. Ich wüsste darauf ohne weiteres nicht zu antworten!<br />
<br />
Alltagssprachlich
werden nicht nur Konzepte umgesetzt und verwirklicht, auch Träume
werden wahr. Wenn ein Konsumartikel als Traum bezeichnet wird, ein
Börsencrash hingegen als Albtraum, dann sind die psychischen Zustände,
auf die mit Worten ‘Nacht-’ und ‘Tagtraum’ Bezug genommen wird, eher
unrelevant. Idealisiertes und Bedrohliches stehen in Frage, die zwar
erträumt werden können, dem sprachlichen Verhalten nach aber anders in
Rede stehen. Es findet wie in vorhergegangenen Fällen eine Übertragung
statt. Ein Wort ‘Traum’ oder ‘Albtraum’ dient als Metapher. <br />
<br />
Steht
kein Zusammenhang oder Kontext zur Verfügung, bleibt offen, um was es
sich jeweils handelt, wenn der Artikulation nach ein Traum für jemanden
wahr wird. Vielleicht kann dennoch stärker differenziert werden. Die
Wahrscheinlichkeit, dass eine Metapher ‘Traum’ genutzt wird, die
Erwünschtes und / oder Idealisiertes bezeichnet, ist relativ groß.
Nacht- als auch Tagträume wären in der Regel zu umfangreich, vielleicht
nicht einmal bewusst, um ihnen so etwas wie ‘wahr werden’ zuordnen zu
können. Und ‘wahr werden’, sieht man mal von Metamorphosen ab, in denen
aus einem erwünschten ein wirklicher Gegenstand wird oder geworden ist,
die nur in esoterischen Ausnahmefällen eine Rolle spielen könnten, würde
darauf Bezug nehmen, dass nun ein physischer Gegenstand, nicht nur ein
erwünschter verfügbar ist. Auch ‘wahr’ wäre eine Metapher, aber eine
vergleichsweise abstrakte. Sie betonte das Physische des Gegenstandes,
in Differenz zu bloß Imaginärem.<br />
<br />
Die Metaphern der Umgangssprache
haben etwas Anachisches. Nicht einmal die Annahme einer wörtlichen
Bedeutung könnte sie in ein rational erträgliches Gefüge bringen. Eine
allgemeine philosophische Theorie über Metaphern hätte die
Umgangssprache aber zu berücksichtigen, nicht bloß ausgesuchte Beispiele
aus Dichtung, Wissenschaft und Philosophie. Der Begriff
Ausdrucksbedeutung bezeichnet eine Variable, die als solche zwar
ansetzbar ist, sich jedoch nicht allgemein weiter bestimmen lässt, weil
sie lediglich eventuelle und verschiedenen Assoziationen umfasst, samt
ihrem anarchischen Potential. Dieses anarchische Potential schließt
nicht aus, dass sich funktionale Listen anlegen ließen, um Metaphern,
auch solche der Umgangssprache, linguistisch sortieren zu helfen. Ein
solches Vorgehen führte im vorliegenden Kontext jedoch zu weit, die
philosophische Relevanz wäre fraglich.<br />
<br />
<br />
<h3 style="text-align: center;">
III</h3>
<br />
Welche Relevanz hat aber die ‘hypothetische Ausdruckbedeutung’ für die
Theorie? Immerhin werden, wenn auch nur als blinde Variable, also ohne
nähere Angaben machen zu können, propositionale Einstellungen
berücksichtigt. Und als sei dies nicht schon problematisch genug (vgl.
Davidson, D., 1994, S.9), lässt sich daran zweifeln, ob die betroffene
Sprache lernbar sein kann, weil diese Offenheit für Neues keine
Abgeschlossenheit und Endlichkeit garantiert (vgl. Davidson, D., 1994,
S.33)? Dazu später mehr.<br />
<br />
Was bislang als Alltags- bzw.
Umgangssprache bezeichnet wurde, gilt in Bereichen der
Sprachwissenschaften und der Philosophie als ‘natürliche Sprache’, in
Differenz zu formalen, künstlichen oder zu Plansprachen. Ein Wort
‘Natur’ kann, muss in diesem Kontext keine Metapher sein, wenn man einen
wissenschaftlichen Naturbegriff präferiert, der auch Menschen und ihre
Kulturen einschließt. Ein solcher Begriff würde jedoch auch speziell
angefertigte Sprachen umfassen, wollte man vermeiden, sie abseits der
Natur einer Metaphysik zuzuschieben. Die beanspruchte Differenz von
‘natürlichen’ und ‘künstlichen’ Sprachen wäre dahin.<br />
<br />
Tja, wie
sprechen, ließe sich fragen. Wenn die Sprache, die in Rede steht,
gesellschaftlich geformt ist, dann erhalte ich die Möglichkeit, sie als
gesellschaftliche zu bezeichnen, unabhängig von den angeführten
klassifikatorischen Schwierigkeiten. Ich werde diese Möglichkeit nutzen,
doch auch weiterhin vom Alltag und Umgang der Menschen sprechen, weil
die explizite Berücksichtung das besondere Anliegen der vorliegenden
Arbeit von Beginn an war und weiterhin sein wird.<br />
<br />
Die bisherigen
Beispiele betrafen die gesellschaftliche Sprache, die in Deutschland
gesprochen wird. Es ist nicht selbstverständlich, dass diese sich in
andere Sprachen adäquat übersetzen lassen. Ich scheue jedoch davor
zurück, länder- und sprachübergreifend nach Beispielen zu suchen,
obleich mir klar ist, dass die deutsche Sprache nur von vergleichsweise
regionaler Relevanz ist. Ein unabsehbarer Umfang multilingualer
Forschung würde das Projekt überfordern. Eine Begrenzung auf die
indo-europäische Sprachfamilie wäre nicht zu rechtfertigen. Beispiele
aus einer gesellschaftlichen Sprache reichen aber aus, um theoretisch
von Belang zu sein.<br />
<br />
Davidson verknüpft die Frage nach einem
Spracherwerb mit der nach einer Überschaubarkeit, einer Endlichkeit
semantischer Ausdrücke, allerdings in einem anderen Kontext, im
Zusammenhang mit Zitaten. “Jedes Zitat ist ein semantischer einfacher
Ausdruck, und da es unendlich viele verschiedene Zitate gibt, ist eine
Sprache, die Zitate enthält, unlernbar.” (Vgl. Davidson, D., 1994,
S.33.) Würde man anstatt von Zitaten von Sätzen sprechen, die Metaphern
enthalten, unabhängig davon, ob man diese als ‘einfach’ bezeichnen
würde, ergäbe sich ein ähnliches Problem: unendlich viele verschiedene
Metaphern dieser Sprache würden einen Lernprozess nicht zum Abschluss
bringen können. <br />
<br />
Doch wie ist es möglich, weshalb relevant, eine
Sprache vollständig zu beherrschen? Davidson stellt eine Anforderung an
die Theorie: “Mit der richtigen psychologischen Einkleidung versehen,
sollte unsere Theorie uns in den Stand setzen, mit Bezug auf einen
beliebigen Satz anzugeben, was ein Sprecher der betreffenden Sprache mit
diesem Satz meint (bzw. was dieser nach seiner Meinung bedeutet).”
(Vgl. Davidson, D., 1994, S.30.) Die Interpretation von Zitaten kann im
vorliegenden Kontext außen vorbleiben, die von Metaphern ist hingegen
schon angeführt worden: Metaphern seien wörtlich zu verstehen (vgl.
Davidson, D., 1994, S.343). Mit dieser Angabe ist geklärt, wie sich man
sich eventuell nicht enden wollende Prozesse vom Leib halten kann.<br />
<br />
Mein
Vorgehen, muss ich eingestehen, ist nicht ganz unähnlich, doch ich
bezweifle, dass stets eine wörtliche Bedeutung fassbar ist. Meine
Erläuterungen über einige alltägliche Metaphern, darunter Worte wie
‘Darstellung’, ‘umsetzen’ und ‘verwirklichen’, wären mit einer
schlichten Angabe von Bedeutungen nicht explizierbar gewesen. Eine
wörtliche Bedeutung ließ sich am einfachsten beim Wort ‘umsetzen’
angeben, unter Berücksichtigung von Möbelstücken, verständlich ist die
Metapher dadurch aber nicht geworden. Eine Forderung, mit der Theorie seien Metaphern wörtlich aufzufassen, die Bedeutungen beliebiger
Metapher von Sprechern erfassen zu können, ist äußerst fragwürdig.<br />
<br />
Mit
der ‘hypothetischen Ausdrucksbedeutung’ habe ich der Pandora eine
Pforte geöffnet, ohne sie wirklich reinzulassen. Die Variable zeigt,
dass es unzählige Assoziationen in Bezug auf Metaphern geben kann, sie
ließen sich sogar empirisch schätzen, bleiben aber außen vor, weil sie
theoretisch auf keinen anderen Nenner zu bringen wären. Man könnte der
Ansicht sein, dies käme einer Kapitulation gleich. Ich würde betonen,
dass es davon abhängt, ob man das anarchische Potential zu nutzen weiß,
das in die analytische Theorie integriert wurde. Vielleicht ist ein
Umgang damit nicht von jedem lernbar, auf den Umgang mit Logik träfe
jedoch Gleiches zu.<br />
<br />
<br />
<h3 style="text-align: center;">
IV </h3>
<br />
Die sprachtheoretische Schwierigkeit im Umgang mit Metaphern resultiert
aus einem gesellschaftlichen Sprachverhalten, das auch außerhalb von
üblichen Konventionen und Regeln, abseits von sachlich angemessenen
Differenzierungen erfolgt. Man kann darüber verzweifeln oder es mit
einem Lächeln billigen. Es findet statt. Praktisch bleibt nichts anderes
übrig, als jeweilige Resultate zu prüfen, zu analysieren, ohne
spezielle Vorgaben darüber zu machen, was Metaphern konkret seien, wie
sie gebildet sind, was sie bedeuten. Es ist diese Offenheit, die es
erlaubt, verschiedene Übertragungen zu erkennen als auch zu
interpretieren, in meinem Fall unter sprachanalytischen Kriterien. Erst
diese Offenheit garantiert eine Vollständigkeit der Theorie. Und nur sie
reicht aus, um mit dem anarchischen Potential, das bei
Metaphernbildungen zum Tragen kam und kommt, angemessen umgehen zu
können.<br />
<br />
Aber nicht nur geäußerte Metaphern können im Umgang
besonders auffallen, ebenso Auseinandersetzungen darüber, was als wahr
gelten kann. Im Umgang mit Metaphern steht weniger eine Frage nach
Wahrheit im Zentrum, eher nach Angemessenheit, die sich auf die konkrete
sprachliche Verwendung oder Erzeugung bezieht. Bei einer üblen
Beschimpfung ist es egal, ob sie wahr ist oder nicht, relevant ist, ob
sie passt, also angemessen ist, und ob sich andererseits ein
Beschimpfter angegriffen, soziale herabgesetzung fühlt. ‘Wahrheit’ wird
hingegen relevant, sobald sprachliche Bezüge in Frage gestellt werden,
zum Beispiel gegenüber politischen Äußerungen, mit denen eine
entstandene Armut in westlichen Gesellschaften übergangen wird: Bürger
beginnen zu fragen, worüber, über welche Gesellschaften überhaupt
gesprochen wird.<br />
<br />
Der Begriff Geltung ist diesem Zusammenhang
wichtig, weil der Entscheid über Wahrheit intersubjektiv getroffen wird,
von den Beteiligten. Zu einer Auseinandersetzung kommt es, wenn die
einbezogenen Ansichten darüber differieren, was wahr ist. Es könnte
durchaus sein, dass aus einer nicht einbezogenen Sichtweise alle an
einem Streit beteiligten Personen oder Parteien falsch liegen, dies
jedoch nicht auffällt. Eine Frage nach Geltung könnte sich eventuell
erübrigen, wenn die Kriterien für Entscheide, ob eine Aussage wahr oder
falsch ist, gleich sind. In der deutschen Politik ist man dazu
übergegangen, selber sprachbildend tätig zu werden, um zu vermeiden, von
Wissenschaftlern oder wissenschaftlich gebildeten Journalisten mit
statistischen Mitteln bloßgestellt zu werden. Speziell angepasste
Diktionen von ‘sozial’ und ‘arm’ verhindern dies, bürgern sich sogar
graduell ein.<br />
<br />
Solche sprachlichen Neufassungen verändern die
Bedingungen der Kommunikation, ohne die politisch vorherrschende Geltung
im Hinblick auf ‘wahr’ und ‘falsch’ in Frage zu stellen. ‘Wahrheit’
betrifft das Vorliegen oder Nicht-Vorliegen von Bezügen, nicht hingegen
die Wortbedeutungen. Würde man ‘arm’, um ein extremes Beispiel zu geben,
nicht den Lebensbedingungen westlicher Großstädte anpassen, sondern
solchen wie in Bangladesch, wäre Armut mit einem Schlag in Deutschland
überwunden. Tipps von Politikern, die Heizung im Winter auszulassen, man
könne alternativ zu Pullovern greifen, zudem Strom zu sparen, der
Betrieb eines Kühlschranks wäre in der zu erwartenden Umgebung nicht
erforderlich, können erläutern, dass im Kontext von Bedeutungen nicht
‘Wahrheit’, sondern Angemessenheit in Frage steht. ‘Wahrheit’ kommt erst
ins Spiel, wenn mit Hilfe der Bedeutungen die Bezüge thematisiert
werden. Innerhalb des extremen Beispiels lägen keine des Wortes ‘Armut’
in Deutschland vor. Pointiert, wenngleich zynisch, ließe sich sogar über
einen erstaunlichen Reichtum sprechen. <br />
<br />
Das soziale Gerangel,
das politisch betrieben wird, auch vor einer Missachtung von
gesellschaftlichen Gruppen nicht zurückschreckt, ließe sich dies durch
Appelle an eine Vernunft unterbinden helfen? Die Ausrichtung der
Diskussion würde sich ändern. Ein Erfolg wäre, nach Habermas, an die
Überwindung “egozentrischer Nutzenkalküle” gebunden; es bedürfte mehr
als einer kommunikativen Verständigung (vgl. Habermas, J., Bd. 1, S.
151). Doch unter den Bedingungen, die Habermas für eine ideale soziale
Kommunikation entwickelt, wie relevant oder unrelevant sie für eine
konkrete Praxis auch sein mögen, werden “Verständlichkeit” als
Voraussetzung, Ansprüche auf “Wahrhaftigkeit”, “propositionale
Wahrheit” und “normative Richtigkeit” angeführt (vgl. Habermas, J., Bd.,
1, S.416), von sprachlicher Angemessenheit ist nicht die Rede. Das
pragmatischen Kommunikationsmodell umfasst Sprache nur unzureichend. Im
Rahmen einer Konsenstheorie der Wahrheit, in der es letztlich um die
Zustimmung der Beteiligten geht, nicht um Sprache, sondern um Geltung,
mag dies kaum auffallen.<br />
<br />
Sieht man von jenem sozialen Gerangel
ab, das von der Politik betrieben wird und dem auch das pragmatische
Kommunikationsmodell Tribut zollt, lässt sich um der Sache willen
diskutieren. Sprachtheoretische Fragen nach Wahrheit können zumindest
in zwei Richtungen gestellt werden: im Hinblick auf die Bedeutung des
Wortes ‘wahr’, oder durch eine Klärung dessen, was ein sprachlicher
Bezug ist. <br />
<br />
Mit einer semantischen Theorie der Wahrheit steht
Angemessenheit zur Diskussion, nicht deren Wahrheit. Tarski hat eine in
der Philosophie viel beachtete relevante Theorie entwickelt. Zur
Angemessenheit kommt als weiteres Kriterium noch die formale Richtigkeit
hinzu (vgl. Tarski, A., 1972, S.55). Ein Problem seines Konzeptes ist,
dass ‘wahr’ im Kontext der ‘Äquivalenzform T’ (bzw. dt. ‘W’), sein
Beispiel sei angeführt, ‘>Schnee ist weiß< ist wahr genau dann,
wenn Schnee weiß ist’, durch ‘erfüllen’ erläutert wird. Seiner Ansicht
nach hätte ‘Erfüllung’ einen grundlegenderen Charakter als ‘Wahrheit’,
und er beschreibt sie als “eine Beziehung zwischen beliebigen
Gegenständen und bestimmten Ausdrücken, genannt Aussagefunktionen.”
(Vgl. Tarski, A., 1972, S.71.) Eine Aussage sei wahr, wenn sie von allen
Gegenständen erfüllt werde, sonst falsch. Nun wäre freilich zu klären,
was unter jener Beziehung, die als ‘Erfüllung’ bezeichnet wird, zu
verstehen ist. Ein Seitenschwenk zur Logik würde nicht helfen, weil es
lediglich um ein Einsetzen ginge. Was immer in der Logik geschehen mag,
Gegenstände werden nicht eingesetzt. Handelt es sich bei ‘Erfüllung’
überhaupt um eine Beziehung, und könnte ‘Erfüllung’ eine solche
angemessen bezeichnen? Bereits Field hat auf solche Undurchsichtigkeit
hingewiesen (vgl. Field, H., 1976, S.124). Einen Überblick, besonders
über formale Einwände, gibt Puntel (vgl. Puntel, L.B., 1978, S.41-69).<br />
<br />
Davidson
erweitert die Form lediglich um Sprache, Sprecher und Zeit (vgl.
Davidson, 1994, S.77), um sie für natürliche, also gesellschaftliche
Sprachen nutzbar zu machen. Dies ist durchaus ein wichtiger Schritt,
reicht aber nicht aus, um verstehen zu können, was mit jener Beziehung
gemeint ist. Erfüllungen können mit propositionalen Ansprüchen, Wünschen
und Erwartungen in einem Zusammenhang stehen, wie jedoch mit beliebigen
sprachlichen Ausdrücken? ‘Erfüllung’ wäre eine Metapher, die alles
andere als klar und verständlich ist. Es kann aber aus dem zuvor
angeführten Beispiel deutlich werden, um was es letztlich geht: um einen
vorliegenden oder nicht vorliegenden sprachlichen Bezug.<br />
<br />
Was
aber ist das, ein sprachlicher Bezug? Ich habe bislang von einer
abstrakten Funktion gesprochen, nun lässt sich hinzufügen, die vorliegen
kann, eventuell aber auch nicht. Dies macht die Sache keineswegs
einfacher. Man könnte untersuchen, wie Bezugnahmen psychogenetisch
geschehen, wie dies zum Beispiel Quine unternommen hat (vgl. Quine,
W.v.O., 1976). Was aber ‘Bezug’ ausmacht, ist aus dieser Prosa nicht zu
erfahren. In “Ontologische Relativität” hatte er zuvor eine
“Unerforschlichkeit der Referenz” hypostasiert und diese u.a. mit einer
Zweideutigkeit von Worten begründet: Das Wort ‘grün’ könne als konkreter
allgemeiner Term (das Gras sei grün) fungieren, ebenso als abstrakter
singulärer Term (Grün sei eine Farbe) (vgl. Quine, W.v.O., 1975, S.57).
Sieht man davon, ob es sich um die selben Worte handeln kann, ist der
angeführte Fall trivial. Ohne Kontexte oder situative Zusammenhänge, in
denen die relevanten Äußerungen erfolgen, bleibt offen, worüber
gesprochen wird. Nicht trivial wäre hingegen eine Antwort auf die Frage,
was Bezüge aus theoretischer Sicht sind. Handelt es sich bei den
relevanten Worten ‘Bezug’, ‘Bezüge’ ebenfalls nur um Metaphern, die
völlig undurchsichtig sind?<br />
<br />
Davidson stört nicht die sprachliche
Übertragung, die mittels ‘Bezug’ vorgenommen wird und die sich längst
eingebürgert hat. Er präferiert die Möglichkeit, sprachtheoretische
Begriffe auf einfachere zurückzuführen. “Alles an der Sprache kann
rätselhaft erscheinen, und wir würden sie besser verstehen, wenn wir die
semantischen Begriffe auf andere Begriffe zurückführen könnten.” (Vgl.
Davidson, 1994, S.311.) Diese Möglichkeit werde im Hinblick ‘Bezugnahme’
jedoch verwehrt (vgl. Davidson, 1994, S.306.). Damit ist man auf
‘Erfüllung’ angewiesen. <br />
<br />
Und nun? Weiß jemand was geschieht, wenn
gesprochen wird? Oder hat man es mit einem Mysterium zu tun, das seit
der frühen Steinzeit entweder nur Plappern oder Schweigen lässt?<br />
<br />
<br />
<h3 style="text-align: center;">
V </h3>
<br />
<br />
Angemessenheit von Worten wie ‘Wahrheit’, ‘Bedeutung’ und ‘Bezug’ wird
relevant, wenn Bedeutungen zu formen sind. Würde man nach der Wahrheit
der Worte fragen, dann nach dem Vorliegen ausgesagter Bezüge. In dieser
Weise ließe sich beispielsweise über eine erarbeitete Fassung des
Aristotelischen Wahrheitsbegriffs urteilen, der selber nur an- oder
unangemessen sein kann. An einer solchen historischen Erörterung habe
ich im vorliegenden Kontext aber kein Interesse.<br />
<br />
Die bisherige
philosophische Diskussion über die relevanten Worte hat in eine
Sackgasse geführt, weil, so lässt sich vermuten, Sprache unzureichend
erfasst wurde. Dem sprachlichen Bezug wie einem Mysterium
gegenüberzustehen, kann nicht das letzte Wort in dieser Sache sein. Über
die auszuarbeitenden Bedeutungen der Begriffe kommen jedoch auch
Wahrheitsfragen in die Diskussion, weil Sprache etwas Gesellschaftliches
ist, mithin Bezüge relevant werden. <br />
<br />
Man könnte es als einen
Missstand innerhalb der analytischen Sprachphilosophie bezeichnen, den
Blick nicht viel weiter geöffnet zu haben, als es aus
wissenschaftsphilosophischer Sicht erforderlich war. Es ließe sich sogar
in vielen Fällen fragen, ob es überhaupt um Theorie gegangen ist, nicht
bloß um Konzepte ohne nennenswerte empirische Relevanz. Quine antwortet
auf solche Vorwürfe mit dem Verweis auf die Entstehung eines Fachs, der
wissenschaftlichen Philosophie. Schriftstellerische Ambitionen schließe
er aus: professionelle Philosophen seien dazu nicht geeignet. (Vgl.
Quine, W.v.O., 1991, S.233). Die Frage nach einer Angemessenheit
<b></b>wissenschaftsphilosophischer Begriffe ließe sich jedoch nicht abwehren,
indem man sie schriftstellerischen Tätigkeiten zuordnet. Zudem wäre es
zweierlei, wissenschaftliche Philosophie zu betreiben, ohne sich
thematisch fixieren zu lassen, oder ob man sich als professioneller
Zuträger der Wissenschaften versteht. Letzteres hätte Ähnlichkeiten mit
der Relevanz von Philosophie im Mittelalter, als professionelle
Küchenhilfe der Theologie.<br />
<br />
Auch Wittgenstein sieht einen
unangemessenen Umgang mit Worten, doch in einer anderen Hinsicht: Er
konfiguriert eine Situation, in der ein Philosoph einem okkulten Vorgang
nachgeht, in dem eine Beziehung, es ließe sich hinzufügen, eine
wesenshafte Beziehung, zwischen Name und Benanntem herauszubringen sei.
In diesem Fall geschehe Außergewöhnliches (vgl. Wittgenstein, L., 1984,
S.260). Die gesuchte Beziehung wird - ohne Rückgriff auf Autoren und
relevante Schriften - in viele unterschiedliche Beziehungen aufgelöst:
“Diese Beziehung kann, unter vielem anderen, auch darin bestehen, daß
das Hören des Namens uns das Bild des Benannten vor die Seele ruft, und
sie besteht unter anderem auch darin, daß der Name auf das Benannte
beschrieben ist, oder daß er beim Zeigen auf das Benannte ausgesprochen
wird.” (Vgl. Wittgenstein, L., 1984, S.259.) Er belustigt sich. <br />
<br />
Auch
solche Ereignisse gehören zu sogenannten Sprachspielen. Um erfassen zu
können, was solche Spiele seien, wird der Gebrauch der Worte angeführt.
Auf die rhetorische Frage, was mit Worten eines spezifischen Spiels
bezeichnet wird, gibt er die Auskunft: “Was sie bezeichnen, wie soll ich
das zeigen, es sei denn in der Art ihres Gebrauchs” (vgl. Wittgenstein,
L., 1984, S.242.) Auffallend ist, dass in jenem okkulten Spiel nicht
nur sprachliche Vorkommnisse einbezogen sind, sondern auch psychische
Erlebnisse. Eine Differenzierung unterbleibt. Als typischer Rat ist zu
lesen: “Schau auf das Sprachspiel …, oder ein anderes!” (vgl.
Wittgenstein, L., 1984, S.259). Dieser Hinweis steht unter anderem im
Kontrast zur traditionellen Methode des Abrichtens von Kindern, das
seinerseits als Sprachspiel bezeichnet wird (vgl. Wittgenstein, L.,
1984, S.239-241) und im Rahmen der Konditionierung auch Handlungen
umfasst. ‘Gebrauch’ ist innerhalb seiner Spätphilosophie ein reichliches
undifferenziertes Wort, das mit diesem Bezugsumfang durchaus nicht dem
Alltag entlehnt ist. Er räumt die Undifferenziertheit sogar ein und
spricht von “unzählige(n) verschiedene(n) Arten der Verwendung dessen,
was wir ‘Zeichen’, ‘Worte’, ‘Sätze’ nennen.” (Vgl. Wittgenstein, L.,
1984, S.250.) Sein Spiel der Spiele, das man auch als “Lebensform” (vgl.
Wittgenstein, L., 1984, S.246, 250) auffassen kann, ähnelt in dieser
speziellen Hinsicht dem Gepansche eines Alchemisten. <br />
<br />
Betont
werden muss, dass die “Philosophischen Untersuchungen” aus dem Nachlass
veröffentlich wurden, nicht als abgeschlossen gelten können. Das
Vorhaben war ambitioniert: Ein Aufzeigen, ich würde entgegen seiner
Absicht von einer Konzeption sprechen, der Sprachspiele, diene dem
Vergleich, insgesamt sollte eine von vielen möglichen Ordnung entstehen.
(Vgl. Wittgenstein, L., 1984, S.304).<br />
<br />
Auf der Suche nach
Angemessenheit bin ich jedoch keinen Schritt weiter gekommen. Zwar lässt
sich mit Bezug auf Wittgensteins Spätphilosophie hervorheben, “daß
bezugnehmende Verwendungsweisen kein >Wesen< besitzen; es gibt
nicht ein bestimmtes Etwas, das als Bezugnahme bezeichnet werden kann.”
(Vgl. Putnam, H., 1997, 212.) Berücksichtigt man jedoch, den ominösen
Begriff ‘Gebrauch’, sagt dies wenig aus.<br />
<br />
<br />
<h3 style="text-align: center;">
VI</h3>
<br />
Wittgensteins Abgrenzung von Fragen über Wesen, u.a. auch des Bezugs - in diesem Kontext wird von ihm angeführt, die Sprache <i>feiere</i>
(vgl. Wittgenstein, L., 1984, S.242) -, kann eventuell Heidegger als
Adressat gemeint sein, festlegen möchte ich mich jedoch nicht. Im Rahmen
von Wittgensteins Konzept wird eine Parallelwelt anvisiert, eine
mögliche Ordnung, die dem Vergleich dienen kann, deshalb spielt Bezug
und Wirklichkeit für ihn ohnehin eine untergeordnete Rolle, ähnlich wie
innerhalb der Belletristik. Wesensbegriffe interessieren mich ebenfalls
nicht, ob ontologische oder metaphysische, Fragen nach
Wirklichkeitsbezügen hingegen schon. <br />
<br />
Obwohl im Hinblick auf
Wirklichkeit differente Ausrichtungen bestehen, eignet sich
Wittgensteins Spätphilosophie besser als die zuvor angeführten formalen
Erörterungen, einen von mir bereits skizzierten Ansatz in geeigneter
Weise aufzugreifen. Wittgenstein ist der Überzeugung, dass er
Sprachspiele beschreibt, den Gebrauch zeigt, also darstellend vorgeht.
Eine darstellende Funktion wird innerhalb der “Philosophischen
Untersuchungen” jedoch nur in ganz wenigen Passagen ausgeübt: durch ein
rhetorisches Fragen, um den Textfluss in Gang zu halten. Mit diesen
Fragen wird eine fiktive Sprechsituation dargestellt, freilich äußerst
knapp, im Grunde kaum einer Rede wert. Alles andere dient der
Entwicklung von Bedeutungen, besonders der von Worten ‘Sprachspiel’ und
‘Gebrauch’, durch Erläuterungen möglicher Gebräuche. <br />
<br />
Es gibt
einen sprachlichen Unterschied zwischen der Präsentation, die
beispielsweise durch Schauspieler vollzogen wird, und einer Erörterung,
die über einen Text, eine Sache oder einen Gegenstandsbereich erfolgt.
Im ersten Fall ist eine Darstellung eines Textes, auch die eines
fiktiven Streits, durchaus möglich, im zweiten Fall wird eine solche
Darstellung normalerweise vermieden, ist gar nicht erwünscht. Sogar eine
studentische Seminararbeit, die ausschließlich aus einer Reihung von
Zitaten besteht, würde kaum als Darstellung durchgehen, weil nichts über
die Ursprungstexte gesagt wird. Und im Unterschied zur rezitierenden
Arbeit, sieht man von speziellen schauspielerischen Leistungen ab, wird
durch den Studenten eine gewichtende Auswahl getroffen. Dieser arme Kerl
bietet dennoch praktisch nichts.<br />
<br />
Es gehört zum Alltag, ich nahm es kürzlich erneut auf einer
Zugfahrt wahr, Menschen beobachten zu können, die von einem Sprechmodus
zum anderen wechseln. Von einem knappen Erfahrungbericht schaltete einer
junger Mann plötzlich in den Darstellungsmodus um: “Ich: …; er: …; und
ich: …” - “Hihihi!” war anschließend aus der Gruppe zu hören, in der
sich die Szene abspielte. Ein solches Ereignis wird Personen geläufig
sein, die das Leben der städtischen Massen noch nicht hinter sich
gelassen haben. <br />
<br />
Der Darstellungsmodus wird im Fortgang nicht
weiter beachtet. Im vorliegenden Kontext interessiert, was in dem
anderen, dem primären Modus geschieht, während über etwas gesprochen
oder geschrieben wird. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um einen
knappen oder ausführlichen Bericht, um ein Gespräch, um eine Diskussion,
eine Erläuterung oder Erörterung handelt, ob in jedem Fall ein Wort
‘über’ sprachlich üblich ist. Systematisch relevant ist die sachliche
Differenz zwischen den beiden Modi. Und ich hoffe, dass ich ohne eine
verquere Bezeichnung des primären sprachlichen Modus auskomme. Ich werde
ihn nicht einmal fortlaufend anführen, sondern schlicht voraussetzen.
Anzumerken ist allerdings, dass dem gesellschaftlichen Sprachverhalten
nach auch über etwas gelacht und geweint werden kann. Das Wort ‘über’
ist nicht auf Zusammenhänge mit Sprache begrenzt. Die Distanz, die im
Gegensatz zu Darstellungen zum Ausdruck kommt, bei denen etwas, nicht
über etwas zur Präsentation gelangt, muss keineswegs eine emotionale
sein.<br />
<br />
<br />
<h3 style="text-align: center;">
VII</h3>
<br />
Metaphern lassen jenes ‘über’, das speziell bei Äußerungen zum Tragen
kommt, außer Acht, überwinden es im vorgenommenen Vergleich geradezu,
wie beispielsweise durch Wittgenstein: Wenn seine Eröterung Sprachspiele
darlegt, mögliche Gebräuche, Muster, als werde ein Bild skizziert, das
dem Vergleich mit der Wirklichkeit dienen soll, dann wird die
sprachliche Tätigkeit, mit der Sprache erläutert wird, umgedeutet, ja
als spezielle ausgeblendet. Das Bemühen, Sprache durch ein ‘Sprache ist
wie’ zu fassen, kann nur scheitern, weil es gar nicht mehr um Sprache
ginge. Wenn Sprache etwas nicht ist, dann ‘wie’. <br />
<br />
Das Wort
‘fassen’, das ich im vorausgehenden Absatz nutzte, ist ebenfalls
metaphorisch. Ein solches metaphorisches Sprechen oder Schreiben über
sprachliche Akte ist sogar relativ weit verbreitet, weil kaum
Alternativen bestehen. Einige Beispiele sind bereits angeführt worden:
‘darstellen’, ‘erfüllen’, ‘zeigen’, ja sogar ‘anführen‘ gehört dazu.
Würde man alle relevanten metaphorischen Äußerungen tilgen, blieben kaum
Worte übrig. Eine Reduktion würde eine Diskussion über Sprache und
sprachliche Tätigkeiten fast unmöglich machen. Vermeiden lässt sich
aber, den Metaphern auf den Leim zu gehen.<br />
<br />
Ich möchte die
Möglichkeit nutzen, einen eigenen Ansatz zu entwickeln. Mehr als eine
Richtungsentscheidung soll sich dabei aber nicht ergeben. Vorausgesetzt
wird, dass die im vorliegenden Kontext relevante Sprache
gesellschaftlich geformt wird. Wissenschaften und die Philosophie sind
abhängig von dieser Sprache, unternehmen jedoch auch eigene
Anstrengungen, um die Präzision von Aussagen zu erhöhen. Dieses Vorgehen
ist besonders wichtig, ich halte es für die zentrale Aufgabe, mit
diesen Tätigkeiten deutlicher als im gesellschaftlichen Alltag zu
machen, um was es jeweils geht und die Entwicklung dessen, was gemeinhin
Wissen genannt wird, voranzutreiben. <br />
<br />
Sieht man von
Metaphern ab, bleibt für sprachlichen ‘Bezug’ kaum mehr als eine
abstrakte Funktion. Mit diesem Akt reduziere ich jedoch nur
Ungeschicklichkeiten - und erhalte möglicherweise eine neue, vielleicht
sogar eine hervorragende Grundlage für eine andere Form von
Unangemessenheit. Abstrakta (und Allgemeinbegriffe) boten und bieten
seit Platon immer wieder den Ausgang für Spekulationen über ihr Sein,
als handele es sich um Gegenstände, die mit physikalischen vergleichbar
wären. Dass Abstrakta hilfreich sein können, beim Rechnen, Sortieren und
Putzen, will ich gar nicht bestreiten, aber muss es deshalb auch um ein
metaphysisches oder ontologisches Sein gehen, nur weil das Zeug nicht
so einfach kaputtzukriegen ist? <br />
<br />
Wenn ich der Ansicht wäre, dass
sprachliche Äußerungen stets Bezüge hätten, würde ich Kriterien
benötigen, besonders solche, die über ‘wahr’ und ‘falsch’ entscheiden
lassen. Bezüge wären eine Eigenschaft der Sprache, jedoch nur formal,
weil nur in jeweiligen Zusammenhängen geklärt werden könnte, welche. Ein
isolierter Satz wie ‘Die Bank ist grün’ würde offen lassen, auf was
sich die Äußerung bezieht. Nun könnte man einwenden, dass die
Eigenschaft, Bezug zu haben, nicht einfach formal ist, sondern sich im
Rahmen von vorgegebenen Möglichkeiten bewegt. Dem ließe sich entgegnen,
dass es sein mag, dass sich relativ viele Menschen an übliche
Bedeutungen und Bezüge halten, Neuerungen wären dann aber nicht möglich.
Sprache würde sich nicht mehr entwickeln können. Jüngere
gesellschaftliche Vorkommnisse wie ‘geil’ und ‘cool’ wären einfach nur
absurd.<br />
<br />
Würde man akzeptieren, dass Spache nur formal Bezüge als
Eigenschaften haben kann, sich letztlich die äußernden Menschen
entscheiden, welche konkret, durch die Kontexte oder durch die
Situationen im Umgang, weshalb sollten Menschen nicht darüber
entscheiden können, ob ihre Äußerungen überhaupt Bezug haben, oder
nicht. Nein, nein, dies ginge zu weit? Wäre es angebrachter, auch Zahlen
und Götterbezeichnungen Bezüge zuzuschreiben, unabhängig davon, ob man
an einen lichten Himmel oder eine düstere Unterwelt voller abstrakter
Entitäten und Götter aller Schattierungen glaubt? Ist Sprache zentral
ein metaphysisches Unterfangen, zu dem auch jene formale Eigenschaft
gehört? In religiösen Kontexten ließen sich vielleicht diskursiv
eingebrachte Götterbezeichnungen als Zitate interpretieren, eventuell
sogar selektiv, bei der Verwendung von Zahlen und anderen Abstrakta
auch? Wäre der interpretative Aufwand letztlich nicht zu hoch, der
erforderlich wäre, um eine Formalie zu erhalten, die man gar nicht
braucht? <br />
<br />
Man bräuchte sie, um die Frage nach Wahrheit
aufrechtzuerhalten. Diese Frage wäre belanglos, würde es nunmehr um
Bezüge gehen, die vorliegen können. Es wäre (a) ungewiss, welche
geäußerten Ansichten Bezüge haben, zumal worauf, unabhängig davon, ob
sie wahr oder falsch sind. Damit wäre (b) unklar, in Bezug auf was die
Frage nach Wahrheit gestellt werden kann. Sprache würde der Beliebigkeit
anheimgestellt. Die Menschen könnten geradezu machen, was sie wollten.
Dieser unberechtigten Angst - die Leute machen ohnehin, was sie wollen,
fragen nicht erst einen Sprachmetaphyiker oder -priester -, ließen sich
die verschiedenen Kontexte entgegenhalten, in denen es um empirische
oder religiöse beziehungsweise metaphysische Gegenstände und
Sachverhalte geht. Wenn man mir abends in einem Laden zu verstehen gäbe,
dass Milch ausverkauft sei, könnte ich die Äußerung mit relativ großer
Sicherheit als empiriebezogene auffassen, nicht als Aussage über ein
eingebrochenes mythisches Verhängnis, das häufig abends eintritt, auch
wenn mich dieser Umstand nicht trösten könnte.<br />
<br />
Es ließe sich,
speziell um religiösen und metaphysischen Scheinproblemen zu entgehen,
ein Rahmen abstecken, der durch Bedeutungen gegeben wird, die
Verifikationshinweise umfassen, Bedeutungen, die wissenschaftlich
konkreter wären, als zum Beispiel lexikalische Bedeutungen, Prüfbarkeit
ermöglichten. Es entstände ein “empirischer Gehalt” (vgl. Quine, W.v.O.,
1995, S.75), jedoch ebenso eine Beschränkung des Tätigkeitsbereichs.
Der philosophische Anspruch auf Professionalität wäre erkauft, ohne dass
dies erforderlich wäre. Durch einen selektiven Verzicht auf
Gegenstandbezüge ließe sich auch über etwas sprechen, das es der eigenen
Auffassung nach gar nicht gibt, dennoch gesellschaftlich relevant ist.
Quine sieht im Kontext von Abstrakta, dass “der ontologische Gürtel um
einige Löcher enger” zu schnallen sei (vgl. Quine, W.v.O., 1975, S.29),
bei dieser leichten Abmagerungskur bleibt es allerdings.<br />
<br />
Propositionale
Einstellungen eines Autors gegenüber einer Textpassage sind mir als
Leser in der Regel unbekannt. Unabhängig davon kann ich aber prüfen, ob
Bezüge vorliegen, oder in welchem Umfang. Passagen und ihre Kontexte
geben in der Regel preis, ob Bezüge für die jeweiligen Texte eine Rolle
spielen können, oder nicht. In diesem Zusammenhang ließe sich sogar
weitaus differenzierter vorgehen, als dies eine Dichotomie in ‘wahr’ und
‘falsch’ erlauben würde. Ist der Übertrag, der von formalen Sprachen
aus vollzogen wurde, sprachlich nicht völlig ungeeignet, besonders im
Hinblick auf Studien, die explizit ihren (möglichen) Empiriebezug
betonen und der von vielen Faktoren abhängig ist, von den ausgewählten
theoretischen Grundlagen, den Hypothesenbildungen, der sogenannten
Operationalisierung, bis hin zu den präferierten Messinstrumenten?
Schlicht nach Wahrheit zu fragen, käme der Inszenierung eines
mittelalterlichen Gottesurteils gleich.<br />
<br />
Auf Abstrakta und
Gottheiten als Gegenstände lässt sich nach meinem Ermessen leicht
verzichten, so sehr man die einen oder anderen auch konzeptionell
gebrauchen kann, zum Beispiel in einer Diskussion. Ein solcher
persönlicher Verzicht ließe dennoch zu, über Glaubensgegenstände anderer
zu sprechen. Die Frage nach angemessenen Regeln oder sprachlichen
Bedeutungen reicht für Gespräche völlig aus, alles weitere wäre ohnehin
nur mit Gewalt zu lösen. Entscheidend ist nicht die Frage, ob eine
abstrakte Entität existiert, sondern wie sie gefasst wird. Ob sie
darüberhinaus noch existiert, ist für eine Diskussion sekundär.<br />
<br />
Wenn
die Frage nach Wahrheit entfallen kann, weil es bei möglicherweise
empriebezogenen Äußerungen darauf ankommt, ob im Rahmen einer Prüfung
ein solcher Bezug vorliegt oder nicht, gegebenfalls in welchem Umfang,
in religiösen oder metaphysischen Kontexten hingegen Angemessenheit der
Bedeutungen gefragt ist, nicht Bezug, es sei denn bei Textanalysen, die
sich auf Schriften beziehen, könnte man ‘wahr’ als schlichtes Urteil
auffassen, ähnlich wie ‘schön’. Nach meinem Ermessen käme dies einer
Entlastung des kleinen unscheinbaren Wörtchens gleich, auch einer
Entlastung von seiner Substantivierung und vom Pathos. Eine Frage nach
der Bedeutung von ‘wahr’ wäre lediglich noch eine empiriebezogene, würde
unzählige Bedeutungen in Sprache l (language), zur Zeit t (time), im
Raum a (area) ergeben, eventuell sogar amüsante. Mehr wäre kaum zu
erwarten. <br />
<br />
Bezug ist keine Eigenschaft der Sprache. Aber ich
gestehe sprachlichen Erzeugnissen selektiv eine abstrakte Funktion zu,
über etwas Auskunft zu geben. Dieser Vorgang vollzieht sich
intrasubjektiv, hängt von Erfahrungen, vom Differenzierungsvermögen, von
vielem ab, das interpersonell kaum zugänglich ist. Sogenannte
Forschungsstandards zu setzen, mag dabei behilflich sein, eine
Fleißarbeit zu leisten, vielleicht auch eine nach der anderen, doch
genau diese Standards sind es, die Objektivität vorgaukeln und ein
wissenschaftliches als auch philosophisches Fortschreiten behindern. <br />
<br />
Die
Schwierigkeit aber, herauszufinden, was die abstrakte Funktion
ausmacht, besteht darin, nichts zur Verfügung zu haben, was nicht die
Sprache wäre, die es zu erläutern gilt. Diese Grenze hat auch
Wittgestein gesehen. In seiner Spätphilosophie reagierte er darauf mit
unangemessenen Darstellungsbemühungen. Mehr als den im Grunde schwachen
Hinweis, über etwas Auskunft zu geben, vermag ich nicht zu formulieren.<br />
<a name='more'></a><h3 style="text-align: center;">
VIII</h3>
Die gesellschaftlich vielleicht überraschendste Konsequenz selektiver
Bezüge ist, dass die Menschheit nicht in ein und der selben Welt lebt!
Diese Konsequenz ergibt sich aus dem erörterten sprachlichen Verhalten,
den damit verbundenen selektiven Existenzannahmen, aus Bezugnahmen, die
mit der Sprache noch gar nicht gegeben sind. Gesellschaftliche
Konflikte, die darauf beruhen, dass unterschiedliche Existenzannahmen
von Gruppen als allgemeingültig betrachtet werden, resultieren in
sprachlicher Sicht aus einem simplen Missverständnis. Eine solche
Allgemeingültigkeit lässt sich nicht voraussetzen, auch nicht einfach
erzeugen, gemeinsam ist den Menschen nur die Sprache und ihre geäußerten
und dokumentierten Bedeutungen, nicht aber die Bezüge. Dass
Fundamentalismus, welcher Couleur auch immer, mit praktizierter Dummheit
einhergeht, muss kaum betont werden. <br />
Gleichwohl wären Gespräche
möglich, doch auch diese finden Grenzen, weil Existenzannahmen auch zu
Praktiken führen, die unter heterogenen als auch innerhalb von relativ
homogenen Gruppen unvereinbar sein können. Ob beispielsweise
Menschenrechte gelten sollen, lässt sich innerhalb eines Gebietes nicht
aufsplitten. Ähnliches gilt für wirtschaftspolitische Maßnahmen, sollen
sie Früchte tragen, und für eine demokratische Verfasstheit. Am ehesten
ließe sich vielleicht in geografischer Hinsicht von einer Welt sprechen:
Doch die Tendenz zur partiellen wirtschaftlichen Angleichung
unterschiedlicher Regionen, auch das Infragestellen von geschichtlich
entstandenem Einfluss, wird global noch zu vielen Konflikten führen.
Nicht einmal regional, im angeblich zivilisierten Europa, gelang und
gelingt es bisher, ein gemeinsames Dorf zu schaffen, u.a. weil
europabezogene Demokratie durch die jeweiligen Länderregierungen, nicht
durch ein gemeinsames Parlament betrieben wird, und weil die Kluft zu
den Bürgern durch die entstandene Verwaltung noch wächst. Ob relevante
demokratische Prozesse in Bezug auf Europa stattfinden, ließe sich
durchaus bezweifeln. Unterschiedliche Existenzannahmen im Hinblick auf
Demokratie gefährden jedoch das gesamte Projekt. <br />
<br />
Um knapp zu
erläutern, was Welten sind, lassen sich vielleicht modellhaft Mengen von
Existenzannahmen anführen. Welten wären in diesem Kontext nicht diese
Mengen, aber man erhielte, würde man sich auf Auswahlen beschränken,
einen Überblick, auch hinsichtlich vorfindbarer Überschneidungen. Diese
Überscheidungen können, je nach physikalischer, religiöser oder
esoterischer Ausrichtung, sehr unterschiedlich ausfallen. Annahmen über
ein Eingreifen Gottes oder über esoterische Kräfte, die wirksam seien,
über Engelkontakte oder das Sein von abstrakten Gegenständen, geben den
Welten spezielle Ausrichtungen, die nicht von jedem geteilt werden.
Ebenso kann, um auch Politik einzubeziehen, dazugehören, ob Europa durch
demokratische Prozesse geleitet wird oder nicht. <br />
<br />
Goodman hat im
Rahmen einer Symboltheorie, die nicht nicht nur Sprache einbezieht,
ebenfalls von verschiedenen Welten gesprochen, doch in einer anderen Art
und Weise. Er verweist auf unterschiedliche Kulturen, auch auf
unterschiedliche Wissenschaften, die sich ohne weiteres nicht auf eine
Disziplin reduzieren lassen (vgl. Goodman, N., 1995, S.13-19). Ihn
interessiert speziell die “analytische Erforschung von Typen und
Funktionen von Symbolen und Symbolsystemen.” (Vgl. Goodman, N., 1995,
S.19.) Ich würde jedoch in Frage stellen, ob es so etwas wie Symbole
überhaupt gibt, ob sich besonders Sprache, Bild und Ton auf etwas
Gemeinsames reduzieren lässt, ohne relativ belanglos zu werden. Um eine
solche Frage geht es ihm aber nicht. Er relativiert ‘Wahrheit’ im
Kontext von Tarskis Wahrheitstheorie auf jeweilige Welten (vgl. Goodman,
N., 1995, S.147) - stellt diese formale Anpassung jedoch später in
Frage (vgl. Goodman, N., Elgin, Catherine Z., 1989, S.205ff.), ohne auf
‘Wahrheit’ verzichten und in einen Relativsmus geraten zu wollen. Ob
eine Neuorientierung gelingt, angesichts eines spärlich bereitgestellten
Ausblicks, wage ich nicht zu beurteilen.<br />
<br />
Ein Verzicht auf
‘Wahrheit’ muss keineswegs in einen Relativismus führen, im Gegenteil.
Man wird die Lage versetzt, differenzierter über Bezüge zu sprechen. Die
Konsequenz, dass verschiedene Welten für unterschiedliche Individuen
bestehen, resultiert aus den selektiven Bezugnahmen oder selektiv
zugestandenen Bezügen, schließt Philosophie, Wissenschaften und den
sprachlichen Umgang ein.<br />
<br />
<br />
<br />
<h3>
Literatur</h3>
<br />
<br />
*Davidson, D., 1994, Wahrheit und Interpretation, Frankfurt a.M.<br />
*Engelmann, P., 1987: Jacques Derridas Randgänge der Philosophie, in: Bernhard, Jeff (Hg.): Semiotica Austriaca, Wien. <br />
*Field, H., 1976, Tarskis Theorie der Wahrheit, in: Moderne Sprachphilosophie, hg v. Sukale, M., Hamburg, S.123-148.<br />
*Frankena, W.K., 1972, Analytische Ethik. Eine Einführung, München.<br />
*Goodman, N., Elgin, Catherine Z., 1989, Revisionen, Frankfurt a.M.<br />
*Goodman, N., 1995, Weisen der Welterzeugung, Frankfurt a.M.<br />
*Habermas, J., 1981, Theorie des kommunikativen Handelns, 2 Bd., Frankfurt a.M. <br />
*Hobbes, Th., 1983, Naturrecht und allgemeines Staatsrecht in den Anfangsgründen, Darmstadt.<br />
*Puntel, L.B., 1978, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie (Erträge der Forschung, Bd.83, WB), Darmstadt.<br />
*Putnam, H., 1997, Für eine Erneuerung der Philosophie, Stuttgart.<br />
*Quine, W.v.O., 1975, Ontologische Relativität und andere Schriften, Stuttgart.<br />
*Quine, W.v.O., 1976, Die Wurzeln der Referenz, Frankfurt a.M.<br />
*Quine, W.v.O., 1980, Wort und Gegenstand, Stuttgart.<br />
*Quine, W.v.O., 1991, Theorien und Dinge, Frankfurt a.M.<br />
*Quine, W.v.O., 1995, Unterwegs zur Wahrheit, Paderborn u.a.<br />
*Tarski, A., 1972, Die semantische Konzeption der Wahrheit und die
Grundlagen der Semantik, in: Zur Philosophie der idealen Sprachen, hg.,
v. Sinnreich, J., München, S.53-100.<br />
*Tugendhat, E., 1976, Vorlesungen zur Einführung in die sprachanalytische Philosophie, Frankfurt a.M. <br />
*Wittgenstein, L., 1984, Philosophische Untersuchungen, Werkausgausgabe, Bd.1, S.225-580.Kai Pegehttp://www.blogger.com/profile/01301353386075423130noreply@blogger.com0