Luhmann
hatte einen allgemeinen Systembegriff entwickelt, der lediglich Sinn
voraussetzt, Bedeutung, irgendeine Ordnung (vgl. Luhmann, 1987). In
diesem Kontext wäre auch ein Sammelsurium eine Ordnung, die sich
hinsichtlich von Funktionszusammenhängen analysieren ließe. Doch
die Vokabeln ‚Sinn‘ und ‚Bedeutung‘ ließen sich allgemein
gar nicht verstehen, berücksichtigte man den einfachen Unterschied
von Sprache und Sachen bzw. Sachverhalten. Würde man sich hingegen
auf Sachen und Sachverhalte beschränken, könnte allenfalls von
‚Relevanz‘ die Rede sein, ohne dass klar werden könnte, in
welcher Weise. ‚Ordnung‘ wird (a) zunächst derart weit gefasst,
dass der Begriff nichts aussagt, (b) dann aber spezifisch, im Kontext
von zu ermittelnden Funktionszusammenhängen.
Der
von Luhmann präsentierte Systembegriff bietet nicht mehr als eine
umgangssprachliche Herangehensweise,die alles andere als hilfreich
ist, aber im Hinblick auf den Begriff ‚Ordnung‘ ein primär
bürokratisches Anliegen kenntlich machen könnte. Das von mir
anführte Sammelsurium ist hingegen ein Resultat historischer
Prozesse, von Prozessen, die von unterschiedlichen Gruppen und
Individuen geprägt wurden. Diese historische Perspektive vermeidet
eine quasi-ontologische Fundierung, die aus ahistorischer Sicht
erforderlich zu sein scheint, um überhaupt einen Anfang der
Diskussion setzen zu können. Es bleibt nach meinem Ermessen kaum
anderes übrig, als sich auf ein Abenteuer einzulassen, das ein
historisch entstandenes Sammelsurium bieten kann.
Sprachlich
macht es kaum einen Unterschied, ob ein historisch entstandenes
Sammelsurium einer Wirklichkeit – im Rahmen menschlicher
Erkenntnisbedingungen –, oder einer unabhängigen Realität
zugerechnet wird. Die nutzbaren Worte für Beschreibung,
Differenzierung und Analyse wären gleich. Erst im Kontext einiger
methodischer Begriffe wie ‚Objektivität‘ und einer
erkenntnistheoretischen Interpretation von historischen Ergebnissen
würde der Unterschied auffallen können.
Weil
methodische Erwägungen auch in dieser Arbeit von Relevanz sind, gebe
ich einige Anmerkungen: Mir, so muss ich gestehen, bleibt eine
Realität, die außerhalb meiner Erkenntnisbedingungen liegt,
unzugänglich. Diese Bedingungen umfassen mehr als lediglich
biologische, auch sprachliche und soziale, die historisch eingebettet
sind. Die alte Frage nach Objektivität, in Abgrenzung zu
Subjektivität, würde sich mir gar nicht stellen können, weil sie
besonders auf historische Bedingungen keine hinreichende Rücksicht
nimmt. Ich kann im vorliegenden Kontext lediglich nach sprachlicher
Angemessenheit fragen, im Hinblick auf Bedeutung und Bezug – und,
davon war bislang noch nicht die Rede, dies wird innerhalb der Studie
aber erforderlich sein, auf sprachliches Verhalten. Eine allgemein
reproduzierbare Methode
lässt sich auf diese Weise nicht entwickeln, es lassen sich nur
konkrete Fälle kontextabhängig behandeln.
Die
Grenzen menschlicher Erkenntnis lassen sich erweitern, z.B. durch
Messinstrumente und -verfahren, oder / und durch sprachliche
Differenzierungen, die Unterschiede merklich machen können, einen
größeren Detailreichtum erfassen helfen, oder Differenzierungen als
unangemessene verwerfen. Doch Grenzen bleiben, sie lassen sich
allenfalls verschieben.
Ein
Beispiel der Begrenztheit bietet aktuell die Physik. Die hypothetisch
angenommene, im Kosmos nur indirekt bemerkbare dunkle Materie, ist
etwas völlig Unbekanntes. Sie wurde als ‚dunkel‘ beschrieben,
nicht weil sie dunkel wäre, entfernt vergleichbar mit einer düsteren
Gewitterwolke, sondern aus Verlegenheit. Die dunkle Materie
reflektiert kein Licht, es scheint durch sie hindurch, bleibt für
menschliche Sinne und von Menschen gefertigte Instrumente unsichtbar.
Eine Annahme einer solchen Materie wurde gemacht, weil sich messbare
Gravitationskräfte im Rahmen des kosmologischen Standardmodells
nicht erläutern ließen; das Standardmodell umfasst u.a. die
allgemeinen Relativitätstheorie, die Annahmen über Gravitation
enthält.
Unzureichend
kann allerdings auch das bisherige Standardmodell sein. (Vgl. Bührke,
Thomas, 2012.) Unabhängig davon, wie sich die entstandenen
Irritationen auflösen lassen, falls sie sich auflösen lassen,
welche Annahmen und Bezüge nicht bloß mögliche bleiben, die
physikalische Sicht auf den Kosmos wird sich verändern.
Berücksichtigt man jedoch, wie lange über die sonderbaren
Gravitationskräfte geforscht wird, bereits in den Dreißiger Jahren
des 20. Jhds. fielen dem Schweizer Astronom Fritz Zwicky unerklärbare
Bewegungen im Kosmos auf (vgl. Lindner, Manfred; Marrodán
Undagoitia, Teresa; Schwetz-Mangold, Thomas; Simgen, Hardy, 2014),
wird ersichtlich, welche historischen Ausmaße eine Ungewissheit
erlangen kann, die bis in die Grundlagen reicht.
Vielleicht
klingt es manchem verrückt, mich sprachlich auf Erzeugnisse meines
Gehirns beziehen zu müsse, die als solche anderen nicht zugänglich
sind, und nach Angemessenheit zu fragen. Dieser vergleichsweise
autistische Vorgang kann jedoch in jedem Menschen geschehen.
Hinzukommt, dass ich diese Erzeugnisse nicht konstruiere, nur wenig
direkten Einfluss darauf habe, was mir mein Gehirn präsentiert.
Dieses Gehirn nutzt vor allem entstandene Routinen, die sich im
Hinblick auf neue Situationen
auch als angesammelte Vorurteile interpretieren ließen. Nach
sprachlicher Angemessenheit zu fragen, gönnt dem Automatismus eine
Pause. Doch auch diese Frage und die bisherigen Antworten können in
einen Automatismus gelangen, der auf relevante Bedingungen und
Details keine Rücksicht mehr nimmt. Sicherheit in
Erkenntnisprozessen zu erlangen, wäre etwas anderes. Es würde auch
nicht ausreichen, auf Zustimmung zu hoffen. Die beschriebene
Unsicherheit gälte für alle Ansprechbaren gleichermaßen. Doch
obwohl keine Sicherheit erlangbar, meine Freiheit unter Einbezug
aktiver Hirnroutinen beschränkt ist, eröffnet sich eine Möglichkeit
zur Autonomie (vgl. Roth, Gerhard, 2001, S. 427 ff.).
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