Donnerstag, 23. Januar 2020

Einleitung der zweiten Auflage

Auch Philosophen sind nicht davor geschützt, kognitive Irrwege zu beschreiten. Die zweite Auflage von „Eine Theorie des selektiven Bezugs“ bedarf einer umfangreichen Umgestaltung des Textes. Dies haben Diskussionen im sprachanalytischen Forum ergeben: Zeichen und Sprache werden nicht länger differenziert, aber Zeichen graduell hinsichtlich ihre Bezugsrelvanz unterschieden. Auch Sprache besteht ‚nur‘ aus Zeichen, jahrtausendelang lediglich aus lautlichen, erst viel später auch aus Schriften.
Die textliche Umgestaltung hat Vorteile. Ein Problem, Zeichen von Sprache zu differenzieren, entfällt. In der zweiten Auflage kann detaillierter auf graduelle Differenzen eingegangen werden. Die Kritiken an analytischen Erörterungen als auch an umgangssprachlichem Verhalten bleiben aber größtenteils bestehen:
Analytische Erörterungen führten häufig zu Stellvertreterfunktionen von Zeichen innerhalb naturwissenschaftlicher Modelle. Was dies mit Sprache zu tun hat, diese Frage wurde leider unterschlagen. Modelle lassen sich durchaus mit der Wirklichkeit vergleichen, doch liegt dabei kein Bezug vor, sondern möglicherweise eine eineindeutige Abbildung, deren Relevanz freilich davon abhängig ist, was berücksichtigt wurde. Und eine Stellvertreterfunktion von Zeichen würde eine Austauschbarkeit bzw. Ersetzbarkeit voraussetzen, die nicht möglich ist. Kein Zeichen könnte die relevante Wirklichkeit ersetzen. Es bliebe nicht mehr als eine unangemessene Metapher, naturwissenschaftliche Prosa, die staunen lassen könnte.
Wenn Sprache eine analytische Relevanz erhalten soll, der vor Jahrzehnten beanspruchte „linguistic turn“ weist zumindest darauf hin, ist es erforderlich, sich auch mit Sprache zu beschäftigen. W.v.O. Quine hatte das Problem erkannt, hielt aber weiterhin an einer naturwissenschaftlichen Orientierung fest, auch wenn er sich nicht vereinnahmen lassen wollte. Ich gehe mit diesem Aufsatz einen Schritt weiter, stelle die Frage nach Sprache und Bezügen neu.
Mein Ausgang für die eigene Entwicklung bildet ein Über-etwas-sprechen, so vage dies in Einzelfällen auch geraten mag. Um Bezüge ermöglichen zu können, wird ein analytisch differentielles Verfahren (keine Methode) eingeschlagen, das dazu dient, aus den vielen Möglichkeiten des Über-etwas tatsächlich etwas hervorgehen zu lassen, um was es gehen könnte bzw. geht. Ein möglicher Bezug ergibt sich, wenn durch einschränkende Maßnahmen etwas übrigbleibt.
Ein sprachliches Zutreffen, das bereits Aristoteles anführte, ist in diesem Zusammenhang viel relevanter als Modelle, beruht jedoch auf einem separaten Verhalten, einer gegebenen Einschätzung. Zu Beurteilendes kann nicht mehr als Bezugsrelevanz und einen möglichen Bezug haben. Ob hingegen ein Bezug vorliegt, ist stets zu entscheiden.
Entscheidend für die Korrektur in der zweiten Auflage war, dass ich nicht mehr ein wissenschaftliches Bemühen um sprachlichen Bezug zur Grundlage einer Antwort auf die Frage machen wollte, ob Sprache durch möglichen Bezug über Zeichen hinausweist.

Kai Pege, im November 2020

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